Der Ort ist das Symbol für deutsche Kriegsverbrechen im besetzten Frankreich. Am 10. Juni 1944 - kurz nach der Landung der Alliierten in der Normandie - rückten Männer des SS-Panzergrenadier-Regiments "Der Führer" in das mittelfranzösische Dorf Oradour-sur-Glane ein. Sie trieben die Einwohner zusammen, metzelten die Männer mit Maschinengewehren nieder und sperrten Frauen und Kinder in der Kirche ein, die die Soldaten anschließend niederbrannten. 642 Bewohner starben bei dem Massaker, nur wenige konnten fliehen; die Häuser wurden zerstört.
In Deutschland war nach dem Krieg zwar mehrfach gegen Verdächtige ermittelt worden, allerdings stand bislang keiner der Verantwortlichen vor einem bundesdeutschen Gericht. Nun, 67 Jahre später, hat die Staatsanwaltschaft Dortmund die Wohnungen von sechs ehemaligen Beteiligten durchsuchen lassen, in der Hoffnung, Hinweise auf das Verbrechen zu entdecken.
Bei der Dortmunder Justiz ist die Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt, die dortigen Staatsanwälte suchten seit vielen Jahren nach neuen Ansatzpunkten für juristische Konsequenzen des Massakers. Nun sollen Hinweise aus der Stasi-Unterlagenbehörde auf die damals 18 und 19 Jahre alten SS-Männer zum Einsatz der Ermittler geführt haben. Durchsucht wurden Wohnungen von Verdächtigen aus den Großräumen Hannover, Berlin, Köln, Bielefeld und Darmstadt.
Der zuständige Staatsanwalt Andreas Brendel teilte am Montag mit, man habe vor allem nach Tagebüchern, Dokumenten oder Fotos aus der damaligen Zeit gesucht. Die sehr betagten Beschuldigten - gegen sie wird wegen Beihilfe zum Mord ermittelt - hätten allerdings die Tat bestritten oder seien nicht vernehmungsfähig gewesen. Wesentliche Beweismittel habe man bei der Razzia nicht gefunden, fügte Brendel bedauernd hinzu.
Das NS-Regime hatte den Massenmord als eine "Vergeltungsaktion" für die Angriffe der Résistance, der bewaffneten Widerstandsbewegung in Frankreich, bezeichnet. 1953 verurteilte ein französisches Militärtribunal 21 frühere Soldaten für das Massaker, unter ihnen 14 von der SS zwangsrekrutierte Elsässer - diese kamen wenig später aufgrund einer Sonderamnestie frei. Einer der Mörder wurde freilich 1983 in der DDR aufgespürt und dort zu lebenslanger Haft verurteilt, 1997 wurde er wegen seines schlechten Gesundheitszustands entlassen, zehn Jahre später starb er.
Die Ruinen von Oradour-sur-Glane blieben als Mahnmal erhalten, der Ort wurde in der Nähe wiederaufgebaut. Als erster Bundeskanzler bat Gerhard Schröder im Jahr 2004 die Bürger von Oradour um Verzeihung - die Einwohner seien einer "entfesselten, unmenschlichen Waffen-SS zum Opfer gefallen".