Springer zu Ackermann-Feier:Das Schweigen der Wölfe

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Die Boulevard-Medien aus dem Hause Springer schlachten Schmidts Dienstwagenaffäre genüsslich aus - bei Ackermanns Party im Kanzleramt halten sie sich erstaunlich zurück.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt war für die deutschen Medien und natürlich auch die Blätter des Axel-Springer-Verlages bestes Material. Insgesamt fünf Mal schaffte es die Gesundheitsministerin damit auf die Titelseite des Springer-Flagschiffs Bild. Ein Dauerbrenner, der Auflage verspricht.

Kai Diekmann, derBild-Chefredakteur, hätte sicher viel über Josef Ackermanns Geburtstag im Kanzleramt zu sagen - er war schließlich dabei. Doch die Springer-Blätter halten sich mit der Berichterstattung zurück. (Foto: Foto: Reuters)

Am Montagnachmittag um 14:13 Uhr lief eine Meldung des Südwestrundfunks über die Agenturen, die ähnliche Brisanz versprach. Das ARD-Nachrichtenmagazin "Report Mainz" machte publik, Deutsche-Bank-Chef Josef ("Joe") Ackermann habe seinen 60. Geburtstag auf Geheiß der Kanzlerin im Kanzleramt nachfeiern dürfen. Auch eine gute Nachricht für Boulevard-Leute, eigentlich.

Großbank-Chef Ackermann selbst hatte in einer ZDF-Dokumentation bekannt, Merkel habe ihm gesagt, "sie würde gerne etwas für mich tun. Ich solle doch einmal etwa 30 Freunde und Freundinnen einladen aus Deutschland und der Welt, mit denen ich gerne einen Abend zusammen sein würde im Kanzleramt. Und ich muss Ihnen sagen, es war ein wunderschöner Abend."

Wenn Ackermanns Darstellung nicht nur übertriebenes Geprahle war, dann hat Angela Merkel "hiermit die gebotene Neutralität gegenüber allen Banken, gegenüber allen Bürgern verletzt", geißelte der Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok im sueddeutsche.de-Interview die Geburtstagsparty auf Kosten des Steuerzahlers. Merkel selbst dagegen verteidigte sich im Nachrichtensender N24, "sie sei jemand, die immer versuche, auch Gruppen, die normalerweise nicht zusammenkommen, zusammenzubringen. Und dazu gab es eben ein solches Abendessen."

Ihr Vize-Regierungssprecher erklärte, anders als Ackermann behauptet sei der Deutsche-Bank-Chef gefragt worden, ob es aus seiner Sicht Menschen gebe, die solch ein Abendessen bereichern könnten. Ackermann habe eine ganze Reihe von Gästen genannt. Dann sei im Kanzleramt die Liste zusammengestellt worden.

Allein das Geeiere um die Abläufe zeigt die Brisanz des Vorgangs. Am Dienstag berichteten alle relevanten Printmedien, auch fast alle Blätter des Springer-Verlages. Die Welt schreibt seriös über die "Kritik an Merkel-Empfang für Bankchef Ackermann", die B.Z. titelt "Wirbel um Ackermann-Geburtstag im Kanzleramt". Andere Boulevard-Medien steigen auffallend frecher auf die Meldung ein: "Merkels 'Sause' für Ackermann", schreibt der Berliner Kurier.

Der Bild-Chefredakteur saß mit am Tisch

Nur die Bild-Zeitung mit ihrem Chefredakteur Kai Diekmann hält sich überraschend zurück. Sie schreibt schlicht: nichts. Stattdessen auf Seite eins: "Jeden Freitag - Merkel schreibt Einkaufszettel für ihren Mann."

Diekmann hatte wohl schon am Montag einen erheblichen Wissensvorsprung vor seinen Chefredakteurs-Kollegen der blauen Gruppe ( Welt, Berliner Morgenpost). Er wusste, die Sache hat einen kleinen Haken: Er saß mit am Tisch, als am 22. April 2008 die illustre Runde von Ackermann-Freunden im Bundeskanzleramt zusammenkam.

Und nicht nur er: Auch Springer-Erbin und Kanzlerin-Freundin Friede Springer und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner waren da.

Am Dienstag um 12:26 Uhr wird die Teilnehmerliste des feuchtfröhlichen Abendessens publik. Aufgedeckt hat sie nicht etwa eines der Springer-Organe, die mit solchen Informationen sonst schnell bei der Hand sind, sondern die konservativ ausgerichtete Rheinische Post.

Von diesem Zeitpunkt an scheinen sämtliche Springer-Blätter das Interesse an der Geschichte schlagartig verloren zu haben. Ein Abgeordneter der Opposition berichtet, am Dienstagmorgen hätten ihn die Vertreter der Springer-Presse noch "die Bude eingerannt", als dann aber die Liste mit den Teilnehmern raus war, "wollte keiner mehr was wissen".

Schröders Spesenrechnung sei noch viel höher gewesen

Bernd Blöbaum vom Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Münster sieht darin zwei Gründe. "Wir wissen aus Analysen des Medienjournalimus, dass man über Personen aus dem eigenen Haus nicht oder nur zurückhaltend berichtet", sagt er sueddeutsche.de. Das möge dann auch bei der Berichterstattung der Springer-Medien über das Ackermann-Dinner eine Rolle gespielt haben.

Medienjournalist Christoph Schultheis, Mitbegründer des erfolgreichen Website Bildblog.de, hat in den vergangen Jahren die Bild-Zeitung so intensiv beobachtet wie kaum ein anderer. Sein Urteil: " Bild berichtet nicht über Wahlkampf. Bild macht Wahlkampf." Um Merkel zu unterstützen, gehe die Bild "bis an die Grenzen des journalistisch halbwegs vertretbaren", sagte er sueddeutsche.de. Das sei schon im Wahlkampf 2005 so gewesen. Und das spiegele sich jetzt auch in der Bild-Berichterstattung über den Fall Ackermann wider.

Gehe es dagegen um eigene Leute, sei die Bild nur dann zurückhaltend, wenn sie nichts gewinnen könne, sagt Schultheis. Eigene Erfolgsgeschichten wie die Verleihung des Goldenen Lenkrades dagegen würden in der Bild groß gefahren. Auch mit Fotos von Friede Springer, Mathias Döpfner und Kai Diekmann.

An diesem Mittwoch dann die erwartbare Berichterstattung: Auf der Seite eins der Bild kein Sterbenswörtchen zu Ackermanns Sause. Erst auf Seite zwei erklärt Ex-FAZ-Herausgeber und Bild-Kolumnist Hugo Müller-Vogg, dass im Grunde alles mit rechten Dingen zugegangen sei und unter Gerhard Schröder die Spesenrechnungen noch viel üppiger ausgefallen seien. Der Einladungspraxis des Altkanzlers widmet die Bild beinahe genauso viel Platz wie der Berichterstattung über den Ackermann-Abend.

Die B.Z., das Berliner Hauptstadt-Boulevard-Organ des Springer-Verlages, findet auf Seite drei gerade noch Platz für einen 31 Zeilen langen Einspalter. Dick unterstrichen ist die Passage, in der der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke warnt, es dürfe jetzt nicht dazu kommen, dass "eine Kanzlerin nicht mehr zum Abendessen einladen darf".

Die Welt zieht einen Zweispalter nach, in dem es nur am Rande um Ackermann, aber viel um Ulla Schmidts Dienstwagen geht. Ähnlich macht es die Berliner Morgenpost.

Online sieht die Springer-Welt kaum anders aus. In einer Bildergalerie auf Welt-Online werden immerhin die Namen Friede Springer und Mathias Döpfner genannt. Kai Diekmann fehlt auch hier. Auf Bild.de wird die Causa jetzt einem aufkommenden "Schmutz-Wahlkampf" zugerechnet. Dieses Wort fiel in Sachen Schmidt und Guttenberg nicht.

An diesem Mittwoch hat sich in Springers Welt endgültig die Sicht durchgesetzt: Die Kanzlerin hat recht, das Ackermann-Essen im Kanzleramt ist in Ordnung. Dass die Opposition daran noch lautstark Kritik äußerte, ist den Blättern keine Zeile wert. Stattdessen meldet Bild: "Schröder und Steinmeier unterstützen Merkel!". Die B.Z. findet sogar wieder zurück zu Schmidt und plustert Details zu einer neuen Aufmachergeschichte der Seite zwei auf.

"Ich war dabei - nun richtet mich"

Souveräner geht da schon die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit der Tatsache um, dass einer der ihren dem Abendessen beiwohnen durfte. Mitherausgeber Frank Schirrmacher bekennt süffisant auf der ersten Seite des Feuilletons: "Ich war dabei." Es folgt eine eher ironisch gemeinte Selbstanklage, die mit den Worten endet: "Ich habe bekannt, nun richtet mich."

Auch der dritte Journalist in Ackermanns Runde meldet sich jetzt zu Wort. Focus-Kultur-Chef Stephan Sattler kommentiert auf Focus-Online: "Das 'Dinner für Joe' ist kein Skandal." Er sei als Mitglied des Kuratoriums der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft, "einer äußerst verdienstvollen Stiftung der Deutschen Bank", von Merkel persönlich eingeladen worden.

"Wie ich zu der Ehre kam, weiß ich nicht. Ich schätze aber, dass ich zu denjenigen gehörte, die von Seiten Ackermanns vorgeschlagen wurden", schreibt Sattler. Die nach dem früheren Deutsche-Bank-Chef Herrhausen benannte Gesellschaft steht in enger Verbindung zu Deutschlands größten Finanzinstitut.

Er habe "kein privates Verhältnis" zu Ackermann, schreibt Sattler, kenne ihn nur über die Arbeit im Kuratorium der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft. "Ich hätte aber meinen Beruf als Journalist verfehlt, wenn mich nicht Neugierde dazu angetrieben hätte, an dem illustren Abendessen teilzunehmen. Die Bundeskanzlerin aus der Nähe zu beobachten, wollte ich mir nicht entgehen lassen."

Von Bild-Chef Diekmann ist keine ähnliche Erklärung bekannt. Immerhin lässt er Hugo Müller-Vogg aufschreiben, dass das Springer-Spitzen-Trio Friede Springer, Döpfner und Diekmann an dem Essen teilgenommen haben. Auf diese Information warten die Leser von Welt, B.Z. und Berliner Morgenpost noch immer.

Es wäre nicht ganz fair, zu sagen, die Bild hinke mit der Berichterstattung über die Ackermann-Party im Kanzleramt komplett hinterher. Bereits am 16. Januar widmete sie ihm fast eine ganze Seite zwei. Der Titel in geschwungenen Lettern: "Josef Ackemann - Das Gesicht der deutschen Wirtschaft".

Bereits in den ersten Zeilen findet das Abendessen im Kanzleramt als einer der "gesellschaftlichen Höhepunkte im Leben des Josef Ackermann Erwähnung. Und entgegen der von der Bild heute transportierten Sicht der Kanzlerin heißt es damals: "Sogar die 25 Gäste für das Abendessen im April 2008 durfte der Jubilar selber aussuchen."

Knapp einen Monat vor diesem Bericht ist die Deutsche Bank als Großaktionär bei Springer eingestiegen. Seit Dezember 2008 hält sie ein Aktienpakten von 8,4 Prozent im damaligen Börsenwert von 123 Millionen Euro.

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