Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz:Kontinuität ist Trumpf

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In Rheinland-Pfalz sind die politischen Verhältnisse sehr stabil. Erst einmal wechselte die Parteizugehörigkeit des Ministerpräsidenten: 1991 übernahm die SPD von der CDU. Auch in den vier Landtagsparteien gibt es große Kontinuität: Alle treten mit den gleichen Spiztenkandidaten an wie vor fünf Jahren.

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Seit elfeinhalb Jahren regiert Kurt Beck (SPD) Rheinland-Pfalz. 1994 übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten von Rudolf Scharping, der nach der Bundestagswahl als Oppositionsführer nach Bonn ging. Beck führte die sozialliberale Koalition fort, die 1996 und 2001 wiedergewählt wurde. Nur Edmund Stoiber regiert noch länger.

Schon elfeinhalb Jahre im Amt: SPD-Ministerpräsident Kurt Beck (Foto: Foto: ddp)

Beck passt gut ins ländlich-mittelständisch geprägte Rheinland-Pfalz: Er hat Elektromechaniker und somit einen bodenständigen Beruf erlernt, gibt sich volksnah, fehlt auf keinem Fest und füllt auch die Rolle des Landesvaters voll aus. Das schlägt sich in exzellenten Beliebtheitswerten nieder. Weil der 57-Jährige seinen Posten nicht gefährden möchte, hat er Überlegungen, mit den Grünen zu koalieren, stets eine Absage erteilt - auch dieses Mal.

Beck pflegt wie wenige andere Politiker einen Stil der Konsensdemokratie. Wo sich Auseinandersetzungen doch nicht vermeiden lassen, führt er sie stets besonnen und sachlich - und setzt dabei auf seine freundliche Ausstrahlung.

Als letzter SPD-Ministerpräsident in einem westdeutschen Flächenland genießt Beck auch in der Bundes-SPD höchstes Ansehen. Als Franz Müntefering wegen der Querelen um Andrea Nahles vom SPD-Vorsitz zurücktrat, hatte Beck den ersten Zugriff. Nicht nur wegen des anstehenden Landtagswahlkampfes verzichtete er jedoch. Dafür wurde er auf dem Bundesparteitag im November mit dem neu geschaffenen Posten des ersten stellvertretenden Vorsitzenden belohnt.

Auch Becks CDU-Herausforderer Christoph Böhr ist stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Während Beck in der SPD primus inter pares ist, ist Böhr in der Bundes-CDU zuletzt mit 55,4 Prozent gerade so wiedergewählt worden. Auch im rheinland-pfälzischen Landesverband ist Böhr nicht unumstritten: Der Bundestagsabgeordnete Peter Rauen wollte an Böhrs Stelle Spitzenkandidat werden, unterlag aber in einer Mitgliederbefragung.

Als promovierter Philosoph passt der 52-Jährige nicht so recht ins bodenständige Rheinland-Pfalz. Oft schon hat sich Böhr Kritik anhören müssen, er sei zu kopflastig und zu kühl. Böhrs Freunde loben dagegen seine Macherqualitäten, beschreiben ihn als willensstarkes Arbeitstier. Nicht umsonst hatte er es schon mit 40 zum Fraktionschef und drei Jahren später zum Landesvorsitzenden der rheinland-pfälzischen CDU gebracht.

Schon nach der Abwahl der CDU-geführten Regierung 1991 bewies er Weitblick, als er voraussagte, dass sich die Union auf eine längere Zeit in der Opposition einstellen müsse. Nun ist es an Böhr, die CDU zurück an die Macht zu bringen. Sollte er das wie schon 2001 erneut nicht schaffen, dürfte auch seine Zeit als Nummer Eins der Partei beendet sein.

FDP-Spitzenkandidat Hans-Artur Bauckhage (63) muss sich in seiner Partei die Führungsrolle teilen: Zwar ist er stellvertretender Ministerpräsident und "Super-Minister" in Rheinland-Pfalz (zuständig für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau), Landeschef ist jedoch noch immer sein Vorgänger Rainer Brüderle, ein politisches Schwergewicht der FDP im Bundestag.

Bauckhage ficht das nicht an. Nach Ämtern hat er sich ohnehin nie gedrängt. Im Gegenteil. Beobachter meinen, dass er in seinem Politikerleben auf die "wichtigsten Stufen der Erfolgsleiter quasi hinaufgeschoben werden musste." Vor allem als es um sein jetziges Spitzenamt ging: Als Brüderle im Herbst 1998 in den Bundestag ging, musste er Bauckhage - bis dato Fraktionschef - überreden, für seine Nachfolge zu kandidieren.

Es folgte eine Kampfabstimmung gegen Brüderles Staatssekretär Günter Eymael, die Bauckhage für sich entschied. Seither hat sich der gelernte Bäckermeister in seiner Partei den Ruf eines "Mister Mittelstand" erarbeitet. Im Wirtschaftsministerium wird Bauckhages kooperativer Führungsstil geschätzt. Besonders gut macht sich in Rheinland-Pfalz Bauckhages Leutseligkeit.

Die Grünen treten zum dritten Mal in Folge mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Ise Thomas als Spitzenkandidatin an. Die 46-Jährige hat sich über die Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf als Finanzpolitikerin, Haushalts- und Hochschulexpertin erworben. Sogar der nicht gerade grünen-freundliche Kurt Beck würde ihr im Zweifelsfalle das Finanzressort anvertrauen, heißt es in Mainz. Thomas gelang es, in einem auf links gebürsteten Landesverband die Realpolitik zu verankern.

Im Dezember kündigte Thomas streitlustig an, im Wahlkampf werde es keinen Pardon für die SPD, ein klares Gegenkonzept zur FDP und kein "Anschmusen" an die CDU geben. Nach fast zwei Jahrzehnten FDP-Regierungsbeteiligung müsse Schluss sein "mit diesem Filz und Klüngel". Als Wahlziel der Grünen gab sie die Marke "Sieben Prozent plus XXL" an. Bei der Wahl 2001 kam die Partei mit 5,2 Prozent gerade so in den Landtag. Da es nun "keine Prügel mehr für die Bundespolitik" gebe, rechnet Thomas mit einem Plus.

Parteifreunde bescheinigen der studierten Psychologin Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen und eine gesunde Härte. Sie loben Thomas' analytischen Verstand, Fleiß und Detailkenntnis.

Norbert Kepp zählt zu den Gründungsmitgliedern der WASG, für die er in Rheinland-Pfalz nun als Spitzenkandidat antritt. Bis 2003 war er mit kurzer Unterbrechung mehr als 30 Jahre lang SPD-Mitglied. Als er seine eigenen politischen Vorstellungen in der Partei nicht mehr wiederfand, schloss er sich der WASG an.

Der gelernte Elektriker absolvierte über den zweiten Bildungsweg eine Ingenieursausbildung, anschließend folgte ein Soziologiestudium. Seit 1981 arbeitet er für die IG-Metall, seit drei Jahren als Erster Bevollmächtigter in Kaiserslautern.

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