Spionage-Skandal:Türkei will Vorwurf der Ausspähung durch BND prüfen

Deutschland sieht die Türkei nur als Freund zweiter Klasse: Nach Medienberichten, wonach der BND das Nato-Partnerland als offizielles Aufklärungsziel führt, zeigen sich türkische Politiker bestürzt. Auch in Deutschland fordert die Opposition Aufklärung.

  • Die Türkei will Berichte, wonach der BND das Nato-Partnerland ausspioniere, überprüfen.
  • Gespräche der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton und ihres Nachfolgers John Kerry sollen ebenfalls vom BND abgehört worden sein.
  • Die Opposition fordert von der Regierung eine rasche Aufklärung der Vorwürfe.

Türkische Politiker empört über Spionage-Verdacht

Nach Medienberichten über eine Ausspähung der Türkei durch den Bundesnachrichtendienst (BND) hat ein Regierungsvertreter in Ankara eine gründliche Prüfung der Vorwürfe angekündigt. Die Berichte müssten "ernstgenommen werden", sagte der Vize-Vorsitzende der regierenden AKP, Mehmet Ali Sahin. Die türkische Regierung und das Außenministerium würden die nötigen Untersuchungen zu den Vorwürfen anstrengen. "Das ist wirklich unglaublich, wie Deutschland die Türkei behandelt", sagte ein nicht namentlich genannter AKP-Politiker Spiegel Online. Ein ebenfalls anonymer AKP-Parlamentarier äußert sich demzufolge ähnlich: "Wenn es um Freunde geht, misst Deutschland mit zweierlei Maß." Auch ein Politiker von der oppositionellen CHP sagte der Nachrichtenseite: "Spionage ist auch ein Zeichen von Misstrauen, aber einem echten Freund misstraut man nicht."

Medien berichten über Ausspähverhalten des BND

Das Magazin Der Spiegel hatte am Samstag vorab ohne Nennung einer konkreten Quelle berichtet, die Türkei werde im "Auftragsprofil" der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 als offizielles Aufklärungsziel geführt. Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR hatten bereits am Freitagabend gemeldet, das Auftragsprofil für den deutschen Geheimdienst liste auch ein Nato-Land auf. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete schließlich, Regierungskreise hätten die Ausspähung des Nato-Partners Türkei bestätigt. Die Medien beriefen sich auf Dokumente, die der Anfang Juli festgenommene BND-Mitarbeiter und mutmaßliche US-Spion Markus R. an den US-Geheimdienst CIA übergeben hatte.

Telefongespräche von US-Politikern aufgezeichnet

Außerdem soll der BND Gespräche von US-Außenminister John Kerry und seiner Vorgängerin Hillary Clinton aufgezeichnet haben. Die über Satelliten geführten Telefonate seien als "Beifang" im Überwachungsnetz des BND gelandet, berichtete Der Spiegel unter Berufung auf Sicherheitskreise. In mindestens einem Fall ist die Aufzeichnung eines Clinton-Gesprächs nicht sofort gelöscht worden, wie auch Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR meldeten. Dies sei eine Dummheit gewesen, sagte ein Regierungsinsider den drei Medien.

Opposition fordert Aufklärung von Bundesregierung

Die Grünen forderten die Regierung auf, Licht ins Dunkel zu bringen. "Es ist unfassbar, dass wir erst nach über einem Jahr intensiver Diskussion über die NSA-Affäre erfahren, dass auch unsere eigenen Nachrichtendienste aktives Ausspähen verbündeter Staaten betreiben", sagte Grünen-Chefin Simone Peter der Welt am Sonntag. Die Regierung müsse die Vorwürfe in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages rasch aufklären. Zudem müsse sie ein Konzept vorlegen, wie das "undurchsichtige Eigenleben der Nachrichtendienste" kontrolliert werden könne. Die Linkspartei pochte ebenfalls auf Aufklärung. Die Bundesregierung müsse dem Bundestag noch vor Ende der Sommerpause einen umfassenden Bricht über die Spionagetätigkeit des BND vorlegen, forderte Parteichefin Katja Kipping im Tagesspiegel am Sonntag. Außerdem müsse auf den Tisch, seit wann Regierungsmitglieder davon wussten, dass der BND Regierungsmitglieder von Verbündeten ausspähe. "Der BND ist ein Staat im Staate." Die Kontrolldefizite seien eklatant.

Die Bundesregierung hatte seinerzeit tief verärgert auf die vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden aufgedeckten US-Geheimdienstaktivitäten in Deutschland reagiert. Demnach soll die NSA nicht nur die Kommunikation zahlreicher Bundesbürger überwacht, sondern auch das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört haben. Zu den jüngsten Berichten lehnte die Bundesregierung eine Stellungnahme ab.

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