Spiele:Analog ist Trumpf

Warum die klassischen Brettspiele eine Renaissance erleben.

Von Uwe Ritzer

Es geht darum, Ländereien einzusammeln und sich so ein großes Königreich zu schaffen, in maximal 20 Minuten und gegen höchstens drei Konkurrenten. "Kingdomino" heißt das Spiel des Jahres 2017. Am Montag hat es eine Kritikerjury ausgewählt: Das Legespiel des französischen Spieleerfinders Bruno Cathala hebe das althergebrachte Domino auf eine neue Ebene, so die Begründung. Aus Alt mach Neu gewissermaßen, das liegt im Trend. Auch Klassiker wie "Monopoly" oder "Mensch ärgere dich nicht" werden in neue Kulissen gesteckt, ohne den Kern zu verändern. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass den Machern von Brett- und Gesellschaftsspielen nichts wirklich Neues mehr einfällt, wäre verkehrt.

Im Zeitalter von Spielekonsolen und Spiele-Apps ist es unvermutet populär, Figuren auf meist bunten Pappdeckeln hin und her zu schieben, Würfel zu werfen, Karten aufzudecken oder abzuwerfen. Nach 2016 meldeten die deutschen Spieleverlage das zweite Rekordjahr in Folge, und alle Anzeichen deuten auch für 2017 auf einen ordentlichen Zuwachs hin. Für mehr als drei Milliarden Euro kaufen die Deutschen jährlich Spielwaren ein; davon geben sie etwa 500 Millionen für Brett- und Gesellschaftsspiele aus - viele Jahre waren es um die 400 Millionen Euro.

Marktführer hierzulande ist die Unternehmensgruppe Ravensburger, doch daneben gibt es viele kleine, oft sogar winzige Spieleverlage. Meist sind Enthusiasten am Werk wie beim Pegasus-Verlag im hessischen Friedberg, der Kingdomino vertreibt. Seine Gründer Karsten Esser und Andreas Finkernagel sind von klein auf begeisterte Spieler. Sie waren erst 19 und 21 Jahre alt, als sie 1993 ihre Firma gründeten. Spielen ist übrigens längst nicht mehr nur Kindersache. Es gibt Händler, die veranstalten Männerabende mit Modellbahn-Autorennen und anderen Geschicklichkeitsspielen. Sie berichten von großem Andrang.

Die große Nachfrage nach Brett- und Gesellschaftsspielen habe damit zu tun, dass das Digitale "etwas an Schwung verloren hat", sagt Wolf Günthner vom deutschen Spielwaren-Herstellerverband DVSI. Die Renaissance der klassischen Brett- und Legespiele erklärt er sich mit dem Wunsch, "nicht nur mit sich selbst allein vor einem Bildschirm, sondern mit anderen zu spielen". "Am besten laufen solche Spiele, die von Großeltern bis zu Enkeln gemeinsam gespielt werden können", sagt Hermann Hutter vom Verbund der Spieleverlage, der auch Händler und Inhaber des Zoch-Verlages ist. Der verdient, wie viele andere Verlage, inzwischen ordentlich mit Lizenzen. Früher gab es "Wetten dass ..?" - heute gibt es "Eisprinzessin" und "Shopping Queen". Fast jedes erfolgreiche TV- oder Filmformat hat seinen eigenen Brettspiel-Ableger.

Jährlich kommen Hunderte neue Spiele auf den Markt. Und auch wenn nur wenige so schnell zum Klassiker werden wie die "Siedler von Catan", "Codenames" oder "Exit": Inzwischen hat sich eine Szene überwiegend aus Jugendlichen und Erwachsenen entwickelt, die sich in Spieleklubs und Fachmessen trifft und auf speziellen Internetforen austauscht. Für Hermann Hutter ist all dies kein Wunder. "Der Spieltrieb steckt schließlich in uns allen", sagt er. "Und das schon seit Jahrtausenden."

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