Spendenskandal in der NRW-SPD:Krefelder Kontakte

"Dankeschön"-Spenden für öffentliche Aufträge - die SPD in Nordrhein-Westfalen kämpft mit einem Klüngel-Skandal. Im Zentrum der Affäre: Innenminister Ralf Jäger und ein spendabler Anwalt.

Johannes Nitschmann

In seinen Zeiten als Oppositionspolitiker hatte sich der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) den Ruf eines "empörungspolitischen Sprechers" erworben. Beinahe im Wochentakt verlangte der Mann den Rücktritt irgendeines Ministers der damaligen schwarz-gelben Regierung. Jetzt ist der 50-Jährige selbst Minister - und steht im Zentrum einer mutmaßlichen Parteispenden-Affäre. Und der scharfzüngige SPD-Politiker, der bisher zu den Leistungsträgern in der rot-grünen Minderheitsregierung gehörte, sagt kleinlaut: "Spenden dürften nicht aufgrund von Aufträgen erfolgen. Es darf noch nicht einmal der Anschein erweckt werden."

Innenausschuss des Landtages NRW

Unter Druck: Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, soll im Zentrum einer mutmaßlichen Parteispenden-Affäre stehen.

(Foto: dapd)

Doch eben diesen Anschein hat Jäger womöglich erweckt, als er im Jahr 2008 als Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Duisburg die Spende einer Krefelder Rechtsanwaltskanzlei akquiriert haben soll, die zuvor lukrative Beratungsmandate städtischer Gesellschaften erhalten hatte - angeblich auf ausdrückliche Empfehlung Jägers. Bewahrheiten sich die Vorwürfe, dann droht der SPD in NRW ein Spendenskandal enormen Ausmaßes.

Auch in Duisburg soll die Partei Geldgeschenke angenommen haben - im Gegenzug für öffentliche Aufträge. Zudem soll Jäger geduldet haben, dass die bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren aufgestellten Kandidaten seiner Partei vor ihrer Nominierung eine schriftliche Selbstverpflichtung für eine Parteispende von bis zu 800 Euro unterzeichnen mussten. Inzwischen hat die Bundes-SPD wegen der umstrittenen Praktiken ihrer Duisburger Genossen "höchst vorsorglich" Selbstanzeige bei dem für die Parteienfinanzierung zuständigen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) erstattet.

Ein gefundenes Fressen für die Düsseldorfer Opposition. Der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke, rief die SPD-Landesvorsitzende, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, dazu auf, bei dem zwielichtigen Finanzgebaren der Duisburger Sozialdemokraten "für Ordnung zu sorgen". Wittke verlangte vom Innenminister Aufklärung darüber, ob er für die SPD in der Vergangenheit illegale "Dankeschön-Spenden" kassiert habe.

Ungewöhnlicher Befreiungsschlag

Der in Bedrängnis geratene Jäger entschloss sich zu einem ungewöhnlichen Befreiungsschlag: Er ersuchte die Justiz, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen der Vereinnahmung illegaler Spenden zu prüfen. Damit solle der Sachverhalt "transparent dargelegt" werden, erklärt er auf SZ-Anfrage.

Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte, dass der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf und der zuständigen Staatsanwaltschaft Krefeld die Vorwürfe über angeblich rechtswidrige Spendenpraktiken im SPD-Unterbezirk Duisburg "zugeleitet" worden seien. Die Strafrechtsabteilung des Ministeriums habe die Ermittler um "Prüfung und gegebenenfalls weitere Veranlassung" gebeten.

Auslöser für die Vorwürfe gegen Jäger ist ein bereits seit März 2009 laufendes Ermittlungsverfahren gegen den Krefelder Rechtsanwalt und ehemaligen SPD-Kommunalpolitiker Lothar Vauth. In einer 39-seitigen Strafanzeige, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, warfen einige seiner bisherigen Partner auf dem Briefbogen der Kanzlei ihrem Kollegen Vauth vor, in erheblichem Umfang "verdeckte Parteispenden" geleistet zu haben.

"Vauth hat ein System etabliert, mit welchem er im Wahlkampf stehenden Politikern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Gelder für die Bestreitung des Wahlkampfs beschafft. Seit Mitte 2007 bemüht sich Vauth vermehrt und intensiv darum, Mandate bei kommunalpolitischen Wirtschaftsunternehmen zu erlangen", heißt es in der Anzeige. Und weiter: "Nach alledem ist davon auszugehen, dass Vauth Honorare, denen keine anwaltlichen Leistungen zugrunde liegen, vereinnahmt, um diese teilweise der SPD zur Durchführung und Finanzierung ihres Wahlkampfes zurückzuerstatten."

"Die rote Kanzlei"

Eine solche Transaktion soll 2008 auch zugunsten der Duisburger SPD stattgefunden haben. Nach den der SZ vorliegenden Unterlagen hatte die städtische "Gesellschaft für Bildung" (GfB) im Oktober an die Kanzlei Vauths 17.374 Euro für fünf Rechtsgutachten überwiesen. Aufsichtsratsvorsitzender der GfB ist bis heute Ralf Jäger, der die Krefelder Kanzlei seines Parteigenossen offenkundig empfohlen hatte.

"Der Kontakt zu der Krefelder Kanzlei kam aufgrund einer Empfehlung von Herrn Jäger zustande", schrieb GfB-Geschäftsführer Ingo Schachta am 28. März in einer dienstlichen E-Mail. Jäger bestreitet, dass hier ein Deal nach der Devise ,Auftrag gegen Spende' vorlag. Im Innenausschuss sagte er: "Im zeitlichen Zusammenhang mit der Auftragsvergabe gab es zwei Spenden. Einen anderen als einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Spenden und der Auftragsvergabe bei der GfB gab es nicht."

Der 46-jährige Vauth, der nach seinem Jurastudium zunächst in der Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) gearbeitet hatte, war eine Größe bei den Sozialdemokraten am Niederrhein. Seine Krefelder Sozietät nannte der Volksmund "die rote Kanzlei". Auch ein stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion stand auf ihrem Briefbogen. Im Innenausschuss erklärte Jäger, er kenne Vauth seit "wahrscheinlich 15 Jahren" und sei ihm bei etwa "20 bis 30 Parteiveranstaltungen" begegnet. "Private Kontakte" habe er weder zu Vauth noch zu dessen Kanzleikollegen unterhalten, versicherte er.

Offenbar kannte der Innenminister den spendablen Anwalt aber nicht nur flüchtig. Er habe Vauth 2009 bei dessen Kandidatur für den Landratsposten in Viersen beraten, räumte Jäger nun auf SZ-Anfrage ein. Zudem habe er sich bei dem Anwalt auch juristischen Rat in einer privaten "Verkehrssache" geholt. Jäger beteuert aber, er sei bei dem Genossen Vauth ohne Argwohn gewesen. "Der galt als vermögend und hat für alles Mögliche gespendet."

"Schwere Untreue und Unterschlagung" in Millionenhöhe

Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft hatte Vauth von einem Kanzleikonto Ende 2008 auf den Namen von zwei seiner Anwalts-Kollegen Spenden in Höhe von 6000 und 3000 Euro an die Duisburger SPD überwiesen. Als die beiden Rechtsanwälte, die Vauth offensichtlich zur Verschleierung seiner Spende vorgeschoben hatte, wenig später eine Spendenquittung erhielten, beschwerten sie sich bei der SPD-Parteizentrale. Sie wollten mit solchen Zuwendungen nichts zu tun haben. Daraufhin mussten die Gelder von der SPD auf das Anwaltskonto zurücküberwiesen werden.

Allerdings hat es die Parteiführung der Duisburger SPD seinerzeit unterlassen, diesen Versuch einer verdeckten und damit illegalen Parteispende beim zuständigen Bundestagspräsidenten anzuzeigen. Dies aber sieht das Parteiengesetz zwingend vor.

Die Staatsanwälte waren schon bereit, die Ermittlungen um diesen Vorgang einzustellen - aber aus einem Grund, der Jäger kaum und Vauth schon gar nicht erfreuen kann. Dessen Kanzleikollegen haben die Strafanzeige nämlich nicht in erster Linie wegen der Parteispenden erstellt, sondern weil sie ihrem früheren Partner "gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug, schwere Untreue und Unterschlagung" in Millionenhöhe vorwerfen. Geschädigte seien Mandanten und Mitglieder der Krefelder Sozietät.

"Ich antworte nur auf ernsthafte Fragen"

Im Vergleich zu diesen Vorwürfen fallen die Vorgänge um die Parteispenden "nicht beträchtlich ins Gewicht", urteilte die Krefelder Staatsanwaltschaft in einem Vermerk. Auf diese Absicht der Ermittler wies auch Vauths Anwalt Jürgen Wessing auf Anfrage der SZ hin; ansonsten wolle sich sein Mandant derzeit zu den Vorwürfen nicht äußern.

Die CDU aber wollte das Vorgehen der Ermittler nicht akzeptieren. Ihr Fraktionsvize Peter Biesenbach verlangte von Justizminister Thomas Kutschaty (SPD), der Krefelder Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Vauth zu entziehen. Die CDU sagt, die Behörde stehe der SPD nahe. Inzwischen teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit, man überprüfe derzeit die Entscheidung, die Ermittlungen gegen Vauth wegen illegaler Parteispenden nicht fortzuführen.

Im Innenausschuss fragte der CDU-Abgeordnete Gregor Golland Jäger, ob er zurücktrete, falls die Staatsanwaltschaft bei der erneuten Überprüfung der Parteispendenpraktiken von Vauth Belastendes gegen ihn finde. Daraufhin keilte Jäger zurück: "Ich antworte nur auf ernsthafte Fragen."

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