SPD-Wahlprogramm:Steinbrück positioniert sich als Bändiger der Finanzmärkte

SPD Bundesvorstand Peer Steinbrück

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück auf dem Weg zur Vorstandssitzung.

(Foto: dpa)

"Das ist ein Programm des Kandidaten UND der Partei". Die SPD-Spitze hat ihr Programm für die anstehende Bundestagswahl beschlossen. "Einmütig, einvernehmlich und einig", wie Kanzlerkandidat Steinbrück versichert. Wichtigstes Thema wird die soziale Gerechtigkeit - hier sieht sich die SPD der Konkurrenz überlegen.

Von Oliver Klasen

Arg verunsichert sind die Sozialdemokraten in diesen Tagen. Bei 26 Prozent liegt die SPD in der jüngsten Umfrage des ARD-Deutschlandtrends, die Union steht bei 40 Prozent. Der Wahlkampf von Peer Steinbrück kommt nicht so richtig in Gang, Panne reiht sich an Panne, eine Wechselstimmung gegen die stoisch regierende Kanzlerin ist nicht einmal in Nuancen auszumachen.

Das ist, grob zusammengefasst, die Situation an diesem Montag, als der Kanzlerkandidat und sein Parteichef Sigmar Gabriel im Willy-Brandt-Haus in Berlin vor die Kameras treten. Selbst wer das Geschehen nur vor dem TV verfolgt, bekommt die Botschaft mit: Die SPD will jetzt endlich die Wende schaffen, sie will raus aus dem Tief, "voll auf Angriffsmodus schalten", wie es die vergangene Woche ernannte Wahlkampfchefin und Generalsekretärin Andrea Nahles ausgedrückt hat.

Und was macht Gabriel? Er verweist erst einmal auf die Ideen der anderen: "Das Interessanteste an diesem Programm ist, dass es in Teilen von Menschen mitgeschrieben wurde, die gar nicht der SPD angehören", sagt er. In einem Bürgerkonvent habe die SPD mehr als 40.000 Vorschläge gesammelt, und die seien nun in die Vorschläge für die Bundestagswahl eingeflossen.

Ein Vorsitzender, der sich rühmt, ganz viele Vorschläge von außen geholt zu haben. Vielleicht sagt auch das etwas aus über den Zustand einer Partei. Gabriel schafft es irgendwie, den Punkt ins Positive zu drehen. Auch bei der CDU habe es ähnliche Vorhaben gegeben, doch das Programm schreibe am Ende allein die Partei. Bei der SPD dagegen "werden die Bürgerideen zum Programm".

"Einmütig, einvernehmlich, einig" - mit diesem Dreiklang umschreibt Kanzlerkandidat Steinbrück das, was im Parteivorstand am Vormittag zuvor beschlossen worden sei. Beide, Steinbrück und Gabriel, betonen, dass es im Vorstand nur wenig Diskussionsbedarf und lediglich minimale Änderungen am ursprünglichen Text gegeben habe. Am 14. April, das hat Gabriel angekündigt, wird das Papier auf einem Programmparteitag in Augsburg formal verabschiedet.

Die SPD will die "demokratiekonforme Marktwirtschaft"

"Das ist ein Programm des Kandidaten UND der Partei", sagt Steinbrück. Der Schwerpunkt liegt dabei - wenig überraschend - auf der Sozialpolitik. "Vieles in Wirtschaft und Gesellschaft ist aus dem Lot geraten", so der SPD-Kanzlerkandidat. Das habe sich allerdings nicht "die Abteilung Agitation und Propaganda der SPD" ausgedacht, so Steinbrück, sondern das ergebe sich schwarz auf weiß aus den Daten des Statistischen Bundesamtes.

Er verweist dann auf den Armutsbericht der Bundesregierung, in dem kritische Punkte "durch Weglassung korrigiert" worden seien. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spreche von einer "marktkonformen Demokratie". Was die SPD wolle, sei im Gegensatz dazu eine "demokratiekonforme Marktwirtschaft".

Steinbrück moniert, dass das "Vertrauen in die Politik erodiert" sei. Die Menschen hätten den Eindruck, dass die Politik den "Taktstock des Handels nicht mehr in der Hand" habe, sondern von "stark anonymisierten Vorgängen auf den Finanzmärkten" getrieben werde.

"Die kommen auf unser Spielfeld"

"Finanzmarktkapitalismus bändigen" - so heißt denn auch der erste Punkt im Wahlprogramm. Außerdem möchte die Partei den Aufstieg durch Bildung erleichtern und ein gerechteres Steuersystem schaffen. Der Spitzensteuersatz soll erhöht und Kapitaleinkünfte stärker besteuert werden.

Auch in puncto "Soziale Vorsorge" wollen sich die Sozialdemokraten stark machen. Steinbrück nennt hier unter anderem auf das Konzept der Solidarrente, die jedem Versicherten mindestens 850 Euro garantieren soll. Die politischen Kontrahenten hätten dieses Thema auch entdeckt, sagte Steinbrück. "Das ist kein so schlechtes Indiz, dass wir richtig liegen. Diese Bundestagswahl wird auf gesellschaftspolitischen Feldern entschieden", sagte er weiter.

So übernehme die CDU die Ideen der SPD, beispielsweise bei der Lohnuntergrenze - die aber nicht dasselbe sei wie ein echter Mindestlohn. Und trotzdem: "Die kommen auf unser Spielfeld", so Steinbrück. Das gelte auch für andere Themen, etwa bei der Bändigung des Finanzmarktes: "Herr Schäuble landet jetzt da, wo ich schon vor einem halben Jahr ein Papier vorgestellt habe zur Bankenregulierung".

Ja, sagt Steinbrück, die SPD stehe mit diesem Programm "links von der Mitte". Die Achse der Republik habe sich verschoben". Seine Wahrnehmung sei, dass die Bürger "eine Bändigung des Finanzkapitalismus" wollten, einen gesetzlichen Mindestlohn, mehr Geld für Bildung und die Kommunen Das alles entspreche der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung.

Am Ende versucht Steinbrück seine Rede abzurunden. Er sucht die übergeordnete Botschaft, die das Programm in einem Wort zusammenfasst. "Es geht um die sozialdemokratische Version von "Leistung muss sich lohnen" und wir definieren Leistungsträger anders als FDP und CDU/CSU." Und dann: "Vielleicht für einen Norddeutschen zu pathetisch ausgedrückt: Es geht um die Bändigung von Fliehkräften in unser Gesellschaft. Banal ausgedrückt: Es geht darum, wie halten wir diesen Laden zusammen."

Die wichtigsten Punkte des Programms im Überblick:

  • Arbeit/Soziales: Die SPD will einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Bei gleicher Arbeit sollen Leiharbeiter den gleichen Lohn bekommen wie fest angestellte Kollegen. In Vorständen soll eine Frauenquote von 40 Prozent die Gleichberechtigung stärken.
  • Familien: Mit einer Neustrukturierung des Kindergelds sollen Familien mit geringen und mittleren Einkommen davor bewahrt werden, auf Hartz-IV-Niveau abzurutschen: Familien mit einem Einkommen bis 3000 Euro können mit dem bisherigen Kindergeld von 184 Euro und einem Kinderzuschlag von 140 Euro auf bis zu 324 Euro pro Monat kommen.
  • Rente: Die SPD will eine Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener, die mindestens 30 Beitragsjahre aufweisen können. Die Frage des künftigen Rentenniveaus ist noch offen. Die SPD-Linke will verhindern, dass es von rund 50 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns bis 2030 auf bis zu 43 Prozent absinken kann. Ost-Renten sollen bis 2020 stufenweise auf West-Niveau angeglichen werden.
  • Steuern: Die SPD fordert die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent für hohe Einkommen und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Steuerbetrug soll stärker bekämpft werden.
  • Mieten: Bei Neuvermietungen soll die Miete nur maximal zehn Prozent über ortsüblichen Vergleichspreisen liegen. Bei bestehenden Verträgen soll es nur noch eine Erhöhung um maximal 15 Prozent binnen vier Jahren geben. Die SPD will mit einem Milliardenprogramm den sozialen Wohnungsbau stärken, um Druck von den Mieten zu nehmen.
  • Finanzmarkt: Die SPD setzt sich für eine Finanztransaktionssteuer ein und pocht auf ein Trennbankensystem. Geschäfts- und Investmentbereich sollen stärker getrennt werden, damit Risiken für den Steuerzahler gemindert werden. Die Institute sollen europaweit aus eigenen Mitteln einen Rettungsschirm aufbauen, damit der Staat bei Schieflagen nicht haften muss. Zudem soll es ein Verbot von Nahrungsmittel- und Rohstoffspekulationen geben.
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