SPD-Wahlkampf:In der Gebührenfalle

Die SPD will Studiengebühren bundesweit abschaffen. Schönes Ziel: Nur wirbt sie dafür mit der völlig falschen Person.

Thorsten Denkler, Berlin

Ihr Gesicht ist derzeit in jeder Stadt, in jedem Dorf, an jeder größeren Landstraße zu sehen. Blond, sympathisch lächelnd, Kinn auf die Hand gestützt, im Hintergrund unverkennbar ein Hörsaal. Daneben der Satz: "Bildung darf nicht vom Konto der Eltern abhängen. Und deshalb wähle ich SPD."

SPD-Wahlkampf: Jennifer M. auf der Homepage ihre SPD-Kreisverbandes Duisburg.

Jennifer M. auf der Homepage ihre SPD-Kreisverbandes Duisburg.

(Foto: Screenshot: sde)

Ob die Bildung der jungen Dame vom Konto ihrer Eltern abhängt, ist nicht ganz klar. Klar ist aber: Jennifer M. (23), die auch Juso-Kandidatin in Duisburg für die anstehende Kommunalwahl in NRW ist, zahlt Studiengebühren. Und zwar vollkommen freiwillig.

Die Studentin lernt an einer teuren Privat-Uni in Düsseldorf das Handwerk der Tourismus- und Eventmanagerin. Es ist das Euro Business College in Düsseldorf, das diesen Studiengang anbietet. Werbespruch der Privat-Uni: "Kommen Sie nach Düsseldorf und lassen sich individuell über alle Möglichkeiten des privat zu finanzierenden Studiums informieren."

Die Kosten liegen weit über dem, was sie an einer staatlichen nordrhein-westfälischen Hochschule hinlegen müsste. Dort kostet ein Semester bis zu 500 Euro, wobei die Universitäten auch einen geringeren Satz verlangen können. Die Uni Bonn etwa verlangt 400 Euro.

Das Semester am European Business College schlägt dagegen pro Monat mit 590 Euro zu buche. Hinzu kommen Gebühren für Prüfungen und Unterrichtsmaterialien. Die Gesamtkosten belaufen sich laut der Gebührenordnung der Uni, die sueddeutsche.de vorliegt, auf 23.940 Euro. An einer NRW-Uni reicht das für 47,8 Semester.

Das Plakat könnte jetzt dazu beitragen, den Wahlkampf der SPD zu diskreditieren. Der nordrhein-westfälische FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kauch sagte sueddeutsche.de: "Das ist nicht sehr glaubwürdig. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass Gebühren den Zugang zu einem guten Studium ermöglichen."

Studiengebühren verbesserten die Qualität der Lehre, sagt Kauch. Es sei nur wichtig, dass auch diejenigen studieren könnten, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden seien. In Nordrhein-Westfalen habe die schwarz-gelbe Landesregierung dafür gesorgt.

Ein Sprecher der SPD sagte sueddeutsche.de: "Das ist völliger Nonsens, daraus einen Strick zu drehen. Wer sollte besser geeignet sein, sich gegen Studiengebühren auszusprechen, als der, der selbst Studiengebühren zu tragen hat." Die Angelegenheit sei ein durchschaubarer und absurder Versuch von interessierter Seite, dies zu einer Geschichte zu machen.

Als SPD-Wahlkampfleiter Kajo Wasserhövel vor gut zwei Wochen die ersten Plakatmotive der SPD zur Bundestagswahl vorstellte, da tat er noch geheimnisvoll. Die Frage, wer die Personen auf den Plakaten seien, die für die Anliegen der SPD - gegen Studiengebühren, gegen Atomkraft und für Arbeitsplätze - ihr Gesicht hergeben, wollte er nur allgemein antworten: Es seien SPD-Mitglieder und/oder Sympathisanten und in jedem Fall glaubwürdig.

Weder er noch sein Team aber haben offenbar gewusst noch sich dafür interessiert, was und vor allem wo Jennifer M. tatsächlich studiert. Jörg Lorenz, Geschäftsführer der SPD-Duisburg, hat der SPD-Zentrale in Berlin Jennifer M. als Fotomodel vorgeschlagen, als er hörte, das eines gesucht würde.

Die "Nordkurve" genannte Wahlkampfzentrale hätte schnell zugesagt. Die Umstände des Studiums aber seien dabei "kein Thema gewesen", sagte Lorenz sueddeutsche.de. Lorenz kann die Aufregung ohnehin nicht verstehen. "Man kann doch auch für gebührenfreie Kindergärten sein, ohne selbst Kinder zu haben", sagte er.

Jennifer M. hatte ohnehin keine andere Chance, als das Privat-College in Düsseldorf zu besuchen, erklärt Lorenz. Sie habe kein Abitur und nur diese Schule ermöglicht ihr, dennoch zu studieren.

Sie selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Über ihr Profil im Internetnetzwerk Xing meldete sie sich aber am Abend mit diesen Worten: "Für alle, die es ganz genau wissen wollen: Mein Studiengang wird nicht an einer staatlichen Schule angeboten. Gerade weil ich weiß, wie schwierig es ist, Studiengebühren zu bezahlen, bin ich gegen generelle Studiengebühren wie sie CDU und FDP für alle Unis in NRW eingeführt haben."

Wasserhövel und seine Nordkurve hätten bei der Auswahl wohl etwas genauer hinschauen müssen, wen sie für die SPD werben lässt. Das wäre besser für die SPD, vor allem aber wohl für Jennifer M. gewesen.

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