SPD verärgert über grüne Hartz-Pläne:"Das ist mit uns nicht zu machen"

Bundestag, Jürgen Trittin, Grüne, und Sigmar Gabriel, SPD

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Trittin und der SPD-Vorsitzende Gabriel im Bundestag. Der neuerliche Vorstoß der Grünen wurde in der SPD als unfreundlicher Akt gewertet.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Grünen wollen die Hartz-IV-Regeln lockern. Demnach sollen Sanktionen für unwillige Langzeitarbeitslose ausgesetzt werden, bis die Vermittlung in den Job-Centern verbessert wird. Die SPD reagiert auf den Vorschlag verärgert - und rätselt über die Motive.

Von Susanne Höll, Berlin

Führende Grünen-Politiker haben mit Äußerungen zu den Hartz-Reformen bis hinein in die SPD-Spitze Irritationen und Verärgerung ausgelöst. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sowie Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lehnten strikt die Forderung der Grünen ab, im Fall eines Regierungswechsels im September Sanktionen für unwillige Langzeitarbeitslose auszusetzen, bis die Vermittlung in den Job-Centern verbessert wird. "Das ist mit uns nicht zu machen", sagte Gabriel der Süddeutschen Zeitung. Ein solcher Schritt sei Steuer- und Beitragszahlern, insbesondere denen mit kleinem Einkommen, nicht zuzumuten und entwerte den Rang der Arbeit.

Gabriel wertete die Forderung als einen Schritt der Grünen hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Steinbrück sagte in der TV-Sendung "Anne Will", er werde beim Prinzip "Fordern und Fördern" bleiben. Die grünen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt hatten in einem Beitrag zum zehnten Jahrestag der rot-grünen Agenda 2010 verlangt, die einst verschärften Zumutbarkeitsregeln zu lockern und alle Arbeitslosen optimal zu fördern. Bis dahin "sollte man auf Sanktionen verzichten".

In der SPD wurde dieser Vorstoß als unfreundlicher Akt insbesondere Trittins gewertet, der bereits am Wochenbeginn der SPD Versäumnisse bei den Hartz-Reformen attestiert hatte und sie dafür verantwortlich gemacht hatte, dass es bis heute keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Sozialdemokraten hatte das empört, sie fühlen sich von Trittin herablassend behandelt. In der SPD rätselte man über die Motive der Grünen. Sie versuchten, sich aus der Verantwortung für die Hartz-Reformen zu stehlen und suchten offenbar einen neuen Kurs in der Arbeitsmarktpolitik, hieß es.

Grüne wehren sich

Trittin und Göring-Eckardt wehrten sich gegen die Kritik des erklärten Wunschkoalitionspartners und waren bemüht, die Wogen zu glätten. Die Vize-Bundestagspräsidentin sagte, ein solches Moratorium hätten die Grünen schon vor Jahren beschlossen. "Das ist nicht neu und kein Grund für Aufregung." Sie betonte, die Grünen wollten die Auflagen nicht komplett abschaffen, sondern dafür sorgen, dass sie "nur das allerletzte Mittel" seien. Wie genau ein Modell zur Reform der Job-Center aussehen könne, stehe im Detail noch nicht fest.

Linkspartei profitiert von Enttäuschung der Bürger

Trittin versicherte nun, er suche nicht die Konfrontation mit der SPD, sondern mit der CDU/CSU. "Sowohl die SPD als auch die Grünen haben aus den Defiziten der Agenda die notwendigen Konsequenzen gezogen. Die Union tut das nicht und will es auch nicht", sagte er. Auch er betonte, es solle auch künftig Auflagen geben: "Wer partout nicht gefordert werden will, muss auch nicht gefördert werden." Er widersprach Gabriels Mutmaßung, die Grünen wollten ein bedingungsloses Grundeinkommen, und auch dem Vorwurf der Schnöseligkeit: "Ich habe nicht den Eindruck, dass ich im Ton herablassend war."

Scharfe Kritik an der Agenda-Politik musste sich die SPD im Bundestag abermals von der Linkspartei gefallen lassen, die von der Enttäuschung vieler Bürger über die Hartz-Reformen profitiert hatte. Deren Parteichefin Katja Kipping verurteilte die damaligen Entscheidungen und sagte, damit habe man Managern und Reichen auf Kosten der Armen gefallen wollen. Die SPD verheiße in ihrem Programm für die Bundestagswahl Korrekturen an der Agenda, feiere aber zugleich deren Jubiläum. Das sei unglaubhaft: "Das Wahlprogramm ist das Papier nicht wert, auf dem es steht."

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