SPD und Union:Wie das Ja zu Glyphosat die GroKo gefährdet

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Andrea Nahles spricht am 27.11.2017 in Berlin auf der Fraktionsebene im Bundestag zu den Medienvertretern. (Foto: dpa)
  • Deutschland hat in der EU dafür gestimmt, die Lizenz des umstrittenen Herbizids Glyphosat zu verlängern.
  • Das belastet die Gespräche über eine große Koalition, weil die Entscheidung nicht zwischen Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) und Umweltministerin Hendricks (SPD) abgestimmt war.
  • SPD-Fraktionschefin Nahles empört sich über den "Crashkurs", den Schmidt verteidigt.

Von Thomas Kirchner, Brüssel, Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin, Berlin/Brüssel

Das überraschende deutsche Ja zu einer Lizenzverlängerung für das umstrittene Herbizid Glyphosat hat die Gespräche über eine neue große Koalition in Berlin schwer belastet. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles verwarnte die Union scharf. Die "einsame" Entscheidung des CSU-Landwirtschaftsministers Christian Schmidt sei "nicht abgestimmt" und ein "schwerer Vertrauensbruch" in der geschäftsführenden Bundesregierung gewesen. Das werfe die Frage auf, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Leute noch "im Griff" habe. Sie hoffe, dieser "Crashkurs" werde nicht fortgeführt.

Umweltministerin Barbara Hendricks sagte vor der SPD-Fraktionssitzung zu möglichen Auswirkungen auf Gespräche mit der Union: "Wer Vertrauen zwischen Gesprächspartnern befördern will, der darf sich jedenfalls so nicht verhalten."

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:Merkel ist "bereit, Gespräche mit der SPD aufzunehmen"

Die Kanzlerin macht der SPD das Angebot, über eine große Koalition zu verhandeln. SPD-Chef Schulz reagiert mit einer halben Zusage. Fraktionschefin Nahles verbittet sich "schlaue Ratschläge der CDU".

Um die Lizenz für das umstrittene, weil möglicherweise Krebs erzeugende Pflanzenschutzmittel war monatelang gerungen worden. Laut EU-Kommission stimmten nun 18 der 28 EU-Staaten für den Vorschlag der Behörde, die Lizenz um fünf Jahre zu verlängern. Das reichte für eine qualifizierte Mehrheit. Neun Länder sprachen sich gegen die weitere Zulassung aus, eines enthielt sich. Nötig wären mindestens 16 Mitgliedstaaten gewesen, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Dieses zweite Kriterium wurde nun ganz knapp mit 65,7 Prozent erreicht.

Normalerweise werden EU-Voten zwischen den Ministerien abgestimmt

Hendricks erklärte, sie habe zwei Stunden vor Beginn der Berufungsausschusssitzung in Brüssel mit Schmidt telefoniert und sich eindeutig geäußert. Aus ihrer Sicht dürfe es keine Verlängerung für Glyphosat geben, "auch nicht mit bestimmten Konditionen". Knapp 40 Minuten später habe Schmidt per SMS bestätigt, dass der Dissens zwischen beiden Ministerien bestehen bleibe. Dann gab er offenbar die Anweisung, mit Ja zu stimmen.

Normalerweise werden Voten in Brüssel zwischen den Ministerien abgestimmt. Gibt es keine einheitliche Haltung, muss sich der deutsche Vertreter der Stimme enthalten. "Für eine geschäftsführende Regierung gelten die Regeln, die sich eine Bundesregierung gibt", sagte Hendricks. Daran habe sich das Landwirtschaftsministerium nicht gehalten. Rückholen lasse sich der Beschluss nun nicht mehr. Die deutsche Stimme sei entscheidend für die Mehrheit gewesen.

Schmidt bestätigte die deutsche Zustimmung. "Die EU-Kommission hätte dem Vorgehen sowieso zugestimmt", sagte er. Man habe Bedingungen durchsetzen können, die andernfalls nicht zustande gekommen wären, hieß es; man werde sich nun national für einen restriktiven Umgang mit Glyphosat einsetzen. Schon früher hatte Schmidt ein deutsches Ja in Aussicht gestellt, wenn die Rolle von Biodiversität und Tierschutz gestärkt werde.

CDU und SPD hatten sich am Montag eigentlich aufeinander zubewegt. Die CDU-Vorsitzende Merkel bot der SPD faire Gespräche über eine Aufnahme von Koalitionsverhandlungen an. Diese Gespräche wolle die CDU "ernsthaft, engagiert, redlich" führen, sagte Merkel. "Es gibt jetzt ein Gesprächsangebot, das meinen wir ernst."

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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