SPD und Steuererhöhungen:"Wir haben nichts abgeräumt"

Pressekonferenz Andrea Nahles

Nichts abgeräumt: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles

(Foto: dpa)

Die SPD geht mit einem Zehn-Punkte-Plan in die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Doch zentrale Punkte aus ihrem Wahlprogramm fehlen darin - so auch die Forderung nach Steuererhöhungen. Die Parteispitze betont, dass diese trotzdem nicht vom Tisch seien. Doch selbst um die zehn konkret erhobenen Forderungen wird die Partei wohl hart ringen müssen.

Die SPD will mit der Union über eine Koalition verhandeln - und hat dafür auf ihrem Parteikonvent am Sonntag einen Zehn-Punkte-Plan verabschiedet. Doch zentrale Forderungen, die die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm aufgestellt hatten, sind darin nicht enthalten. Das gilt vor allem für den Ruf nach Steuererhöhungen, einem vor allem auch für die Parteilinken zentralen Thema.

Die Parteispitze betont nun, dass diese damit nicht zwangsläufig vom Tisch seien. "Unser Regierungsprogramm gilt. Wir haben nichts abgeräumt jetzt zu Beginn der Verhandlungen", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Sonntagabend in den ARD-"Tagesthemen". Aber ihre Partei und die Union müssten sich aufeinander zubewegen.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte das Thema Steuererhöhungen zuvor mit den Inhalten verknüpft, die seine Partei umsetzen wolle. "Am Ende werden wir über Finanzierungen von Investitionen in Kommunen, Infrastruktur und Bildung zu reden haben. Der Beginn von Koalitionsverhandlungen ist nicht der Verzicht auf Positionen", sagte er im ARD-"Bericht aus Berlin".

Auch das umstrittene Betreuungsgeld - das im Zehn-Punkte-Plan ebenfalls nicht enthalten ist, bleibe Thema, sagte Gabriel. Es sei "sicher nicht vernünftig, dass dafür anderthalb bis zwei Milliarden Euro ausgeben würden. "Das Geld brauchen wir stattdessen zum Ausbau der Kindertagesstätten. Das ist unsere Position." In diesem Punkte werde es "natürlich harte Debatten mit der Union geben", sagte Gabriel.

SPD-Linke spricht von einem offenen Prozess

Die SPD-Linke betonte, dass mit der Entscheidung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen noch keine Entscheidung für die tatsächliche Bildung einer großen Koalition gefallen sei. "Es bleibt ein offener Prozess. Wenn wir keinen substanziellen Politikwechsel durchsetzen, kann ich meinen Leuten nicht empfehlen, einer großen Koalition zuzustimmen", sagte der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner der Rheinischen Post. "Wir nehmen nichts aus unserem Wahlprogramm vom Tisch", sagte Stegner, der auch die SPD-Linke koordiniert.

Zu der gehört auch Hilde Mattheis. Und sie will an den Steuererhöhungen ebenfalls festhalten. "Es geht jetzt darum, auch von den fünf Prozent Reichsten einen Beitrag für diese Gesellschaft zu bekommen, und das haben wir nicht aus dem Blick genommen", sagte Mattheis am Montag im ARD-"Morgenmagazin". In Deutschland gebe es einen Investitionsstau, der sich allein über Mehreinnahmen durch Wachstum oder konjunkturelle Anreize nicht finanzieren lasse.

Union und SPD fordern jeweils zwei Vizepräsidenten im Bundestag

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte der Nachrichtenagentur dpa, nicht alle Bedenken seien zerstreut: "Es gibt nach wie vor sehr viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die Bauchschmerzen haben mit der großen Koalition." Die Berichte über die bisherigen Gespräche mit der Union hätten aber bei ihr selbst zu einer positiven Bewertung geführt. Es gehe darum, dass man "wichtige sozialdemokratische Themen auch umsetzen kann zugunsten der Menschen", fügte Dreyer an. Als Knackpunkte für die Verhandlungen sieht sie die Einführung eines Mindestlohns und das Thema Steuern.

Am Ende der Koalitionsgespräche mit der Union will die SPD ihre 470.000 Mitglieder per Briefwahl über die Ergebnisse abstimmen lassen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, Ziel sei eine Regierungsbildung noch vor Weihnachten.

Der CSU-Vorstand will an diesem Montagvormittag der geplanten Aufnahme der Koalitionsverhandlungen mit der SPD auf Bundesebene zustimmen. Der CDU-Vorstand hatte bereits am Freitag für die Verhandlungen votiert. Diese sollen am Mittwoch beginnen.

Äußerungen aus der Union legen nahe, dass selbst über die zehn Kernforderungen der SPD hart verhandelt werden wird. So bekräftigte der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder, dass die Union nach wie vor einen tariflichen statt - wie die SPD - einen gesetzlichen Mindestlohn wolle: "Wir dürfen nichts machen, was Beschäftigung gefährdet", sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Auch die von der SPD gewünschte völlige Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe schloss er aus. Festhalten wolle die Union an Wolfgang Schäuble als Finanzminister.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner kritisierte, die SPD habe für die Koalitionsverhandlungen "fast ausschließlich teure Kernforderungen" aufgestellt. Von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sei nicht die Rede, sagte sie der Zeitung Die Welt.

Die Zahl der Vizepräsidenten im Bundestag steigt auf sechs

In einem Punkt habe sich Union und SPD bereits geeinigt. Beide Fraktionen wollen im neuen Bundestag jeweils zwei Vizepräsidenten stellen. Einen entsprechenden Antrag werden CDU/CSU und SPD am Dienstag auf der ersten Sitzung des neuen Bundestags einbringen, wie aus den beiden Fraktionen verlautete. Im alten Bundestag hatten Union und SPD jeweils nur einen Abgeordneten als Vizepräsident ins Bundestagspräsidium entsandt. Bisher hat die Union Norbert Lammert (CDU) als Präsidenten und Johannes Singhammer (CSU) als Vizepräsidenten nominiert. Bei der SPD gelten die früheren Ministerinnen Ulla Schmidt und Edelgard Bulmahn als Favoritinnen

Mit den zusätzlichen Vize-Posten solle die Funktionsfähigkeit des Bundestags, vor allem die Leitung von Plenarsitzungen und Kommissionen, gewährleistet werden, hieß es bei den Fraktionen weiter. Sie verwiesen auf die "steigende Arbeitsbelastung" des Bundestags durch mehr Sitzungen und Kompetenzen. Zudem werde die mit dem Ausscheiden der FDP-Fraktion verringerte Stellvertreterzahl den Größenverhältnissen der Fraktionen entsprechend ausgeglichen. Da Grüne und Linkspartei auch jeweils einen Vizepräsidenten stellen wollen, dürfte deren Zahl von fünf im alten Bundestag auf sechs im künftigen Bundestag steigen. Der Parlamentspräsident und seine Stellvertreter sollen auf der konstituierenden Sitzung am Dienstag gewählt werden.

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