SPD und deutscher EU-Kommissar:Auf aussichtslosem Posten

Die SPD erneuert ihren Anspruch, Martin Schulz zum nächsten deutschen EU-Kommissar zu machen. Doch alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die CDU auch dieses Amt an sich reißt.

Bernd Oswald

Es war ein etwas überraschender Spitzenredner, den die bayerische SPD zu ihrem politischen Aschermittwoch in Vilshofen eingeladen hatte. Im Superwahljahr 2009 war Martin Schulz, seines Zeichens Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten im Europaparlament, der ranghöchste Redner in Niederbayern. Die SPD begründete das damit, dass schließlich auch Europawahl sei und man diesem Thema durch die Wahl von Schulz mehr Gehör verschafffen wolle. Schließlich gehört der Rheinländer zu den Mitgliedern des Vereins für klare Aussprache, was er in Vilshofen auch vortrefflich bewies.

SPD und deutscher EU-Kommissar: Martin Schulz (SPD) möchte deutscher EU-Kommissar werden, doch seine Chancen stehen nicht besonders gut.

Martin Schulz (SPD) möchte deutscher EU-Kommissar werden, doch seine Chancen stehen nicht besonders gut.

(Foto: Foto: dpa)

Es steckte aber wohl noch ein anderer Schachzug hinter dem Schulz-Engagement: Ein Signal an CDU und CSU: Wir, die SPD, stellen den nächsten deutschen EU-Kommissar!

Schon vor knapp einem Jahr haben die Sozialdemokraten Schulz auf den Schild gehoben und ihn zum perfekten Nachfolger für den scheidenden Industriekommissar Günter Verheugen (ebenfalls SPD) stilisiert.

SPD-Chef Müntefering erneuerte dieses Ansinnen bei seinem jüngsten Besuch in Brüssel. Die Sozialdemokraten sind in der Causa EU-Kommissar äußerst kampfeslustig, weil sie wenigstens einen Spitzenposten besetzen wollen, nachdem die Union nach der Wahl 2005 Angela Merkel als Bundeskanzlerin und zugleich Norbert Lammert als Bundestagspräsident durchgesetzt hatte.

Die Verhandlungen werden schwierig; im schwarz-roten Koalitionsvertrag steht dazu nichts - weder offen noch verdeckt, wie beide Seiten versichern. Und die Union ist ebenfalls erpicht darauf, nach 20 Jahren wieder einen Kommissar nach Brüssel zu entsenden. Der letzte CDU-Politiker in diesem Amt war von 1981 bis 1989 ein gewisser Karl-Heinz Narjes aus Schleswig-Holstein.

Schon vor Jahresfrist hatte CDU-Chefin Angela Merkel einen Pflock eingerammt, als der damalige SPD-Chef Kurt Beck Schulz als Verheugen-Nachfolger ins Spiel brachte: "Unser Koalitionspartner darf davon ausgehen, dass die Union ihren Anspruch anmelden wird."

Lesen Sie auf Seite zwei, wer als CDU-Kandidat im Spiel ist und wie Schulz seine Konkurrenten bewertet.

Auf aussichtslosem Posten

Als Kandidat der CDU wird immer wieder Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze genannt. Auch über einen Wechsel von Hessens Ministerpräsident Roland Koch nach Brüssel wurde jüngst wieder spekuliert.

SPD-Mann Schulz kontert mit Blick auf diese Personalvorschläge: "Ich bin mit Abstand der europapolitisch erfahrenste Kandidat", sagte er sueddeutsche.de am Mittwoch in Vilshofen. Der 53-Jährige sitzt seit 1994 im EU-Parlament, seit 2004 ist er Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion in Brüssel.

Er sieht durchaus noch Chancen, EU-Kommissar zu werden: "Momentan handelt Merkel als Parteivorsitzende, abwarten, ob sie auch als Bundeskanzlerin so handelt", sagt er mit Blick auf die fehlende Regelung dieser Personalie im Koalitionsvertrag.

Ein gewichtiges Argument bei der Besetzung des Postens wird sicher der Wahlausgang am 7. Juni spielen. Wer da die Nase vorn hat, wird daraus einen Anspruch auf den Kommissar ableiten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Union - wie bei bisher allen Europawahlen - wieder als Erste durchs Ziel gehen, die politische Stimmung im Bund lässt auch kaum einen anderen Schluss zu.

Martin Schulz weiß das auch und weicht der Frage nach seiner Ergebnisprognose aus: "Die SPD wird deutlich zulegen, die CDU deutlich verlieren." Das mag vielleicht sogar sein, allerdings kommt die SPD von 21,5 Prozent, die Union errang zuletzt 44,5 Prozent der Stimmen. Dass sich die Verhältnisse ins Gegenteil verkehren, scheint sozialdemokratische Wunschvorstellung zu sein.

Auch der Zeitplan für die Bildung der nächsten EU-Kommission spielt eher der Union in die Hände. Fest steht bislang nur, dass der nächste Kommissionspräsident möglichst bald nach der Europawahl vom 7. Juni ins Amt kommen soll. Favorit ist der konservative Amtsinhaber José Manuel Barroso. Ob die Kommissare der einzelnen Länder wie nach der letzten Parlamentswahl Zug um Zug benannt werden, ist dagegen offen.

Ein Schlüsseldatum ist das zweite Referendum der Iren über den EU-Reformvertrag von Lissabon, das nach Lage der Dinge im Oktober stattfinden wird. Gut möglich, dass sich die EU-Regierungen darauf verständigen, die Berufung der neuen Kommissare auf die Zeit nach der Volksbefragung in Irland zu verschieben.

Die Iren haben dagegen als Bedingung für ihre zweite Volksbefragung durchgesetzt, dass auch künftig jedes Land einen Kommissar nach Brüssel schickt.

Das könnte nun auch für alle anderen EU-Partner zum Druckmittel werden, die Berufung der nächsten Kommission insgesamt zu verschieben.

Merkel käme das sehr zupass. Die Bundestagswahl findet am 27. September statt - also vermutlich noch vor dem Referendum in Irland. Die Kanzlerin hofft darauf, dass dann - wie es die Umfragen momentan signalisieren - eine schwarz-gelbe Regierung die Macht übernimmt. In einer solchen Konstellation ließe sich der Kommissarsanspruch der Union deutlich leichter durchsetzen.

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