SPD:Wann Gabriel besser gehen sollte

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Sigmar Gabriel beim Bundesparteitag der SPD in Berlin. (Foto: Getty Images)

Der SPD-Vorsitzende braucht ein Team innerhalb der Partei, das ihn unterstützt. Doch was, wenn dem keiner angehören möchte?

Von Nico Fried

In einem gruppendynamischen Prozess reicht eine sogenannte kritische Masse, um eine tief greifende Veränderung zu bewirken. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bewegt sich dieser Tage in mehrfacher Hinsicht auf dieser Schwelle, wenn nicht schon jenseits davon: Eine kritische Masse an unbestreitbaren politischen Fehlern, Voreiligkeiten und Irritationen; eine kritische Masse an Genossen, die sich von ihm schon mal ruppig behandelt, versetzt oder hintergegangen gefühlt hat, was in der überaus wehleidigen SPD allerdings auch sehr schnell geht; eine kritische Masse an Sozialdemokraten, die nicht mehr glaubt, dass es mit diesem Vorsitzenden für ihre Partei besser wird.

Wenn die kritische Masse erreicht ist, dann ist die SPD gleichwohl in der günstigen Situation, über die Richtung der Veränderung noch entscheiden zu können. Zum Jahreswechsel steht sie mit Blick auf ihren Vorsitzenden vor einer ebenso klaren wie einfach zu formulierenden Alternative: stützen oder stürzen.

Gabriel gilt als eigenbrötlerisch, beratungsresistent und unzuverlässig

Der Mittelweg der vergangenen Monate ist nicht mehr gangbar. Der Mittelweg war keine Gerade, er beschrieb einen Kreis. Er führte dahin, dass man Gabriel sein Ding machen ließ und jeder andere Sozialdemokrat von Gewicht auch nur an sich dachte.

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Das Ergebnis: Die SPD nimmt ihren Vorsitzenden nicht an, sie nimmt ihn nur hin. Das liegt in erster Linie an Gabriel, weil er es nie geschafft hat, sich eine Machtbasis, eine Seilschaft oder auch nur einen ausreichend einflussreichen Unterstützerkreis heranzuziehen; weil er als eigenbrötlerisch, beratungsresistent und unzuverlässig wahrgenommen wird, interessanterweise von den eigenen Leuten mehr als vom Koalitionspartner.

Gabriel ist seit Rudolf Scharping der einsamste Parteivorsitzende

Es liegt aber auch an den Sozialdemokraten, die heute im Kabinettsrang ihr persönliches Ansehen nur mehren können, weil dieser SPD-Vorsitzende sie 2013 mit einem politischen Glanzstück in die große Koalition führte, die seither mit einer Christdemokratin an der Spitze vor allem sozialdemokratische Politik macht. Es liegt an Ministerinnen, die meinen, Gabriels Aufgabe sei es nur, die Gegenwart in ihre weitere politische Zukunft zu überbrücken. Es liegt an Leuten wie Frank-Walter Steinmeier, der schnell angefressen ist, wenn man seine Verdienste nicht würdigt, zum Parteichef aber auf Distanz bleibt. Es liegt an den Ministerpräsidenten, die sich, von Ausnahmen wie Stephan Weil abgesehen, schon für simpelste Loyalitäten nicht zuständig sehen. Seit Rudolf Scharping ist Sigmar Gabriel der einsamste SPD-Vorsitzende.

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Die Bilder all der Schulterklopfer vom Parteitag waren beredt: Hätte Gabriel vor seiner Wahl den Zuspruch erhalten, den er danach bekam, wäre das Ergebnis anders ausgefallen. Und viele der Tröster trieb wohl nur die Angst, der Chef würde hinwerfen und es könnte einen von ihnen treffen. Gabriel muss Teamgeist entwickeln, wenn er noch eine Chance haben will. Dazu aber gehört nicht nur Geist, sondern auch ein Team. Wenn dem keiner angehören will, wird Gabriel klug genug sein, das Signal zu deuten und zu gehen.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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