Innere Sicherheit:Sigmar Schily - Wie Gabriel die SPD vor sich hertreibt

Innere Sicherheit: Sigmar Gabriel treibt beim Thema innere Sicherheit seine eigene Partei vor sich her.

Sigmar Gabriel treibt beim Thema innere Sicherheit seine eigene Partei vor sich her.

(Foto: AP)
  • SPD-Chef Sigmar Gabriel wünscht sich nach den Übergriffen in Köln schärfere Gesetze.
  • Straffällig gewordene Ausländer etwa müssten "wesentlich" schneller außer Landes gebracht werden.
  • Gabriel wird dabei von der Sorge getrieben, die SPD könnte der Union das Feld innere Sicherheit alleine überlassen.
  • Der linke Parteiflügel der SPD signalisiert bereits Widerstand gegen die Pläne des Vorsitzenden.

Von Nico Fried, Berlin

Am vergangenen Freitag, nach der Klausurtagung seiner Abgeordneten, gab sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mit Blick auf rechtliche Konsequenzen aus den Übergriffen in der Silvesternacht noch entspannt. "Ich sehe im Augenblick keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf", sagte Oppermann. Ganz ausschließen wollte er verschärfte Regelungen freilich nicht.

Das mag zum einen daran gelegen haben, dass Oppermann zu diesem Zeitpunkt schon die Wünsche des Koalitionspartners von der CDU bewusst waren. Zum anderen kennt der Fraktionschef seinen Parteivorsitzenden lange genug, um zu ahnen, dass Sigmar Gabriel das mit dem Handlungsbedarf ganz anders sieht.

Wenn es nach ihm geht, wäre sogar ein drittes Asylpaket vorstellbar

Schon in die Klausur der Fraktion hinein hatte der SPD-Chef von Kuba aus via Bild-Zeitung mitgeteilt, dass er eine härtere Gangart erwarte. Ein Wochenende und weitere Interviews später zeichnet sich ab, dass Gabriels Bereitschaft zu Gesetzesverschärfungen bedeutend ausgeprägter ist als vielerorts in der SPD.

Mindestens bei der sogenannten Wohnsitzauflage für Asylbewerber hat der Parteichef den Handlungsbedarf bereits öffentlich signalisiert. Und etwas allgemeiner gab er zu erkennen, dass das keineswegs alles gewesen sein muss, wenn die Flüchtlingspolitik nicht durch mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaats diskreditiert werden soll. "Wir werden immer wieder auch nachsteuern müssen", sagte Gabriel am Sonntagabend in der ARD. Nach Köln gebe es ein paar Themen, "die wir schnell regeln müssen". Und wenn das zweite Asylpaket, über das derzeit verhandelt wird, nicht reiche, brauche man eben ein drittes.

Besonderes Augenmerk richtet Gabriel auf die Abschiebepraxis. Sein Instinkt sagt ihm vermutlich, dass es auch potenzielle SPD-Wähler aufregt, wenn Asylbewerber die Regeln des Gastlandes nicht einhalten und trotzdem dessen Schutz erwarten. Straffällig gewordene Ausländer müssten "wesentlich" schneller außer Landes gebracht werden, so der SPD-Chef. Außerdem will er offenbar, dass Wiederholungstäter bei Diebstahlsdelikten abgeschoben werden, auch wenn sie weniger als ein Jahr Strafe aufgebrummt bekommen. Das wäre sogar mehr, als die CDU in ihrer jüngsten Vorstandsklausur beschlossen hat.

Politisch ist Gabriel mit diesem Tatendrang übrigens selbst ein Wiederholungstäter. Manche Sozialdemokraten dürfte das Gebaren des Parteichefs an die Situation vor genau einem Jahr erinnern: Es war nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo, als Gabriel den Kurs seiner Partei in der inneren Sicherheit an entscheidender Stelle veränderte und gegen den Willen seines Justizministers Heiko Maas die Bereitschaft zum Kompromiss mit der Union bei der Vorratsdatenspeicherung signalisierte.

Gabriel muss sich auf Gegenwind einstellen

Gabriel wird dabei von der Sorge getrieben, die SPD könnte der Union das Feld innere Sicherheit alleine überlassen. Er weiß, dass zum Überleben der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder sieben Jahre lang ein beinharter Innenminister Otto Schily gehörte, der die Koalition an dieser Flanke unangreifbar machte. In der großen Koalition stellt die SPD den Justizminister.

Aber Heiko Maas, in der Partei hoch angesehen, verkörpert weder von der politischen Statur noch vom persönlichen Anspruch her einen Law-and-Order-Mann. Möglicherweise empfindet Gabriel auch deshalb den Drang, gelegentlich selbst voranzugehen. Während Maas am Sonntagmorgen noch via Interview in der Bild am Sonntag mitteilte, nun prüfen zu wollen, "ob unsere Möglichkeiten ausreichen", hatte der Parteichef seine Prüfung schon am Sonntagabend praktisch abgeschlossen.

Stegner warnt vor "hysterischen Debatten"

Wie bei der Vorratsdatenspeicherung wird sich Gabriel auch diesmal auf Gegenwind einstellen müssen. Ralf Stegner, einer von sechs stellvertretenden Parteivorsitzenden und Vertreter des linken Parteiflügels, nutzte am Montag gleich mehrere Kanäle, um vor gesetzgeberischem Aktionismus zu warnen. Ziel seiner Äußerungen war eigentlich die CDU, doch Stegner stellte sich damit faktisch auch gegen manche Überlegung des Parteichefs. "Wir dürfen nicht in hysterische Debatten verfallen, auch wenn die Herausforderungen wirklich schwierig sind", sagte Stegner, der auch Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein ist.

Es sei erforderlich, die in der großen Koalition getroffenen Vereinbarungen umzusetzen, statt jeden Tag im Stundentakt Gesetzesverschärfungen zu fordern. Eine weitere Verschärfung des erst zum Jahresbeginn verschärften Abschiebungsrechts sieht Stegner zum Beispiel nicht als notwendig an: "Werden Asylbewerber unter den Tätern von Köln verurteilt, können sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ausgewiesen werden", sagte er.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, meldete einige nicht unerhebliche Einwände im Detail an. "Wir sollten in der Bevölkerung nicht den falschen Eindruck erwecken, dass sich Deutschland hier einfach nationale Regeln geben kann, die der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechen", sagte Lischka der Rheinischen Post. Er zielte damit zwar ebenfalls auf die Union - die gleichen Hindernisse könnten aber auch die Ideen des eigenen Parteivorsitzenden aufhalten.

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