SPD-Regierung:Starker Mann, starke Worte

Landtagswahl in MV - TV-Studio
(Foto: Axel Heimken/dpa)

Wenn sich einer über das Wahlergebnis freuen kann, ist das Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering. Und er tut es, unüberhörbar.

Von Thomas Hahn

Zunächst sprach der Ministerpräsident von Anstrengung. Erwin Sellering hatte die Bühne der SPD-Wahlparty bei einem Schweriner Italiener erklommen und sagte: "Ich glaube, das war der schwerste Wahlkampf, den die SPD zu bestehen hatte." Erschöpft wirkte Sellering allerdings nicht, im Gegenteil: Der Wahlsieg, den er als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei den Landtagswahlen von Mecklenburg-Vorpommern errungen hatte, schien ihn mit zusätzlicher Energie aufzuladen. Sellering, 66, wirkte geradezu jugendlich, als er seinen Parteifreunden für die Unterstützung dankte. Und von der Anstrengung leitete er dann auch schnell über zum Glück, im hohen Nordosten Stimmen gesammelt zu haben. "Es war nicht nur der schwerste Wahlkampf, es war auch der schönste, gerade weil wir so unter Druck waren", sagte Sellering. Der Zuspruch der Menschen sei groß gewesen. "Das war wunderschön, das habe ich noch nicht erlebt."

Erwin Sellering und die Sozialdemokraten waren die einzigen von den bisher im Schweriner Landtag vertretenen Parteien, die diesen bewegten Wahlsonntag in beschwingter Stimmung erlebten. Das Ergebnis bedeutete zwar einen Stimmenverlust von gut fünf Prozent im Vergleich zur Wahl 2011. Aber wenn man bedachte, dass die SPD vor wenigen Monaten noch bei 22 Prozent herumkrebste und ihre Macht an die CDU zu verlieren drohte, war das Ergebnis ein echter Gewinn für den Ministerpräsidenten. Manuela Schwesig, Bundesfamilienministerin, stellvertretende SPD-Vorsitzende und einst selbst Ministerin im Sellering-Kabinett, jubelte: "Das Ergebnis zeigt, dass die Leute auf Erwin Sellering als Ministerpräsidenten setzen."

Erwin Sellering selbst hatte ohnehin nie daran gezweifelt, dass er fünf weitere Jahre im Amt bleiben würde - zumindest nicht offiziell. Und genussvoll stellte er fest, dass sich aus dem Ergebnis am frühen Wahlabend zwei Möglichkeiten für eine Regierungsbildung ableiteten: Er könnte die Koalition mit der CDU weiterführen, die seit zehn Jahren besteht. Oder in ein Bündnis mit den Linken wechseln. "Wir werden Gespräche mit allen führen", sagte Sellering. Er vertiefte das Thema nicht.

Alles gut also für den alten und neuen Chef der Schweriner Staatskanzlei? Nicht ganz. "Es macht mir Sorge, dass so viele AfD gewählt haben", sagte Sellering. Natürlich entging ihm nicht, dass um ihn herum ein mächtiger Katzenjammer herrschte.

"Wir haben ein ernsthaftes Problem", sagte Dietmar Bartsch, der Bundesvorsit-zende der Linken, nachdem seine Roten abgestürzt waren. "Alle demokratischen Parteien haben verloren", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir nach den ersten Umfragen. Da lagen seine Grünen noch exakt bei fünf Prozent, ehe sie im Laufe des Abends auf 4,9 und damit aus dem Landtag rutschten. Spitzenkandidatin Silke Gajek war bedient, vor allem mit Blick auf den AfD-Triumph. "Das ist ein Denkzettel", sagte sie, "heute hat keiner gewonnen, auch Erwin Sellering nicht." Silke Gajek betrachtete die große Menge an Frustwählern und stellte laut die Frage: "Haben wir eine Demokratie-Krise?"

Das größte Tief lag indes ohnehin über der CDU mit ihrem mickrigen Ergebnis. Innenminister und Spitzenkandidat Lorenz Caffier gab sich zwar alle Mühe, in der Niederlage einen ähnlich beschwingten Eindruck zu machen wie sein siegreicher Kollege Sellering. Aber die Zahlen waren eindeutig. Es gab nichts zu beschönigen.

Die Umfragen hatten schon angedeutet, dass die Wahl für die CDU auf Platz drei hinter SPD und AfD enden könnte. Und weil der Wahlkampf stark auf Caffier zugeschnitten gewesen war, lag die Frage nahe, ob dem niederschmetternden Ergebnis nicht sein Rücktritt folgen sollte. Die Antwort von CDU-Wirtschaftsminister Harry Glawe war allerdings auch eindeutig: "Der tritt nicht zurück." In Mecklenburg-Vorpommern lässt man sich nicht so leicht entzweien, Glawe bemühte sich sehr, kein Drama aus dem Absturz zu machen. "Das Ziel ist verfehlt worden, stärkste Fraktion zu werden", sagte er, "wir hätten uns ein besseres Ergebnis vorgestellt, aber wir müssen mit dem Ergebnis leben."

Und Caffier selbst? Er lächelte, als er vor seine Parteifreunde trat. "Sicherlich gibt es angenehmere Anlässe", sagte er. Zaghaft versuchte er, seine Verdienste als Minister aufzuführen. Und verwies auf die widersprüchliche Dynamik dieses Wahlkampfes - den Umstand, dass im Sog der AfD das Thema Flüchtlingspolitik bei den Wählern ganz oben auf der Agenda stand. "Obwohl das politisch im Land keine Rolle gespielt hat", wie Lorenz Caffier feststellte. In Mecklenburg-Vorpommern gab es selbst auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstroms kaum Probleme. Und der Ausländeranteil liegt hier bei drei Prozent, so niedrig wie fast nirgends in Deutschland.

Erwin Sellering hatte zum Erstarken der AfD natürlich auch eine Meinung an diesem Abend, und er sprach sie aus. Er war der starke Mann, er durfte alles sagen. Er lobte sich zunächst einmal selbst für seinen Appell an die Wähler, dass eine Stimme für die AfD eine verlorene Stimme sei. Dadurch sei das Ergebnis der Rechtspopulisten nicht ganz so hoch ausgefallen wie in manchen Umfragen vorhergesagt.

Und dann kam er auf das Thema zurück, das er ebenfalls während des gesamten Wahlkampfs sorgfältig gepflegt hatte. "Dieses Ergebnis ist mit beeinflusst von der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin", sagte Sellering. Er scheint sich richtig eingeschossen zu haben auf Angela Merkel. Und wahrscheinlich war die Kritik an ihr tatsächlich ein Teil des Erfolgsrezepts für den siegreichen Ministerpräsidenten Sellering.

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