SPD-Programm für die Bundestagswahl:Der Karren ist im Dreck, aber er rollt

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Okay, an manchen Stellen fehlt es noch an ein bisschen Klartext - ungewöhnlich für Steinbrück. Doch inhaltlich passt dieser Entwurf durchaus zum neuen, linken Kanzlerkandidaten: Steuererhöhungen, Frauenquote, staatliche Eingriffe bei Löhnen und Mieten. Der SPD-Kandidat nimmt für sich in Anspruch, frühere Irrtümer zu korrigieren. Das ist legitim, vielleicht sogar ehrenwert.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Peer Steinbrück versteht sich als ein Mann der klaren Botschaften. Ein Programmentwurf der SPD mit mehr als 100 Seiten steht dazu in bemerkenswertem Kontrast. Steinbrück hat stets empfohlen, ein Wahlprogramm möglichst kurz zu halten. Allerdings war er da noch nicht Kanzlerkandidat. Jetzt muss er mit einem ziemlich dicken Heft leben, weil es gar nicht anders geht, wenn die SPD ihre jüngsten Bemühungen, die Basis zu beteiligen, nicht ad absurdum führen will.

Inhaltlich passt dieser Entwurf durchaus zu dem Peer Steinbrück, wie er sich seit der Sturzgeburt, die ihn als Kanzlerkandidaten hervorbrachte, präsentiert hat. Steuererhöhungen, Umverteilung, staatliche Quotierung bei Löhnen, Mieten und Frauen - die SPD hat ihrem Kandidaten im Streben nach Gerechtigkeit und Zusammenhalt nichts aufgezwungen, was er nicht zuletzt selbst vehement vertreten hätte, auch wenn er vieles davon früher abgelehnt hat. Steinbrück nimmt für sich in Anspruch, auf neue Realitäten zu reagieren oder auch eigene Irrtümer zu korrigieren. Das ist legitim, vielleicht sogar ehrenwert.

Ob es zu überzeugen vermag, ist eine andere Frage. Die klärt sich erst mit der endgültigen Ausgestaltung des Programms. Die klärt sich zum Beispiel daran, wie die Vermögensteuer konkret aussehen soll; wie bei der Erhöhung der Einkommensteuer die "angemessenen Regelungen" (Steinbrück) für mittelständische Betriebe beschaffen sein werden.

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück
:Vom Merkel-Herausforderer zu Pannen-Peer

Wann schafft die SPD endlich die Wende? Das fragen sich derzeit viele Genossen. Der Wahlkampf mit Peer Steinbrück kommt nicht so richtig in Schwung, Panne reiht sich an Panne und die Union liegt in der Wählergunst deutlich vorne. Auch ein neuer Sprecher für den Kanzlerkandidat brachte keine Verbesserung, sondern nur weitere Probleme.

An solchen Details hängt das Image Steinbrücks als Politiker, der über die SPD hinaus punkten kann, wofür er ja eigentlich geholt wurde; an diesen Details hängt, ob der Kanzlerkandidat auch noch etwas von dem Steinbrück behält, der er war, bevor er wurde, was er ist. Nur Steuererhöhungen und soziale Wohltaten zu versprechen - das hätte Sigmar Gabriel auch alleine gekonnt.

Die SPD will die Steuern für einige erhöhen. Doch wer sind einige?

Hie und da fehlt es auch noch an Klartext. Steinbrücks Credo in der Steuerpolitik lautet, die SPD werde einige Steuern für einige erhöhen. Der Konsens, Reiche für mehr und gerechte Bildungschancen stärker zu belasten, reicht weit über die SPD hinaus. Aber wer sind einige? Und wer sind einige nicht?

Mit der Streichung des Freibetrages für Betreuung, Erziehung und Ausbildung zieht die SPD eine solche Grenze bei rund 70.000 Euro Einkommen für eine Familie mit zwei Kindern. Wer darunter liegt, bekommt mehr, wer darüber liegt, zahlt drauf. Einige sind mithin gar nicht so wenige. Die SPD sollte also nicht so tun, als verlangte sie Solidarität nur jenen ab, die nicht mehr laufen können, weil ihre Klunker so schwer sind, oder nicht mehr laufen wollen, weil der Ferrari bequemer ist.

Die SPD immerhin hat nun ein Programm mit klaren Zielen und Mitteln, die man zumindest diskutieren kann. Die Union hat eine populäre Kanzlerin, Diskussionen über Inhalte aber führt sie nur unter sich und durchweg ergebnislos. Angela Merkel zieht derzeit einen leeren Karren alleine durch den Dreck. Steinbrücks Karren hat ganz sicher nicht die Ladung und das Tuning, die er allein ihm gegeben hätte. Aber er rollt.

© SZ vom 12.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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