SPD-Politiker Thomas Oppermann:Alleinunterhalter in Sachen NSA

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Viel Wahlkampf, wenig Urlaub: Im Kompetenz.-Team der SPD ist Thomas Oppermann für das Thema Innere Sicherheit zuständig. (Foto: dpa)

Thomas Oppermann treibt die Bundesregierung in der NSA-Affäre vor sich her. Weil die Bürger sich nicht recht aufregen wollen, verfährt der SPD-Politiker nach dem Motto: Du hast keine Chance, also nutze sie.

Von Nico Fried, Berlin

Thomas Oppermann ist manchmal sogar schneller als Thomas Oppermann. Man verabredet ein Telefonat für Sonntag gegen elf Uhr. Doch bereits um 10 Uhr 43 kommt eine Pressemitteilung vom parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Es geht um die Abhöraffäre und neue Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Einen Tag vorher hat Oppermann sich schon zum Doping geäußert. Und einen Tag davor eine Pressekonferenz bestritten, gemeinsam mit Yasemin Karakasoglu, die im SPD-Kompetenzteam für Bildung und Integration zuständig ist. Die beiden kündigten einen "Masterplan" gegen Rechtsextremismus an.

Oppermann ist in diesem Sommer eine Art Alleinunterhalter unter den Sozialdemokraten. Ja, natürlich, der Kanzlerkandidat ist auch unterwegs, politisches Bergsteigen in Bayern und Sommerinterview im Fernsehen. Der Parteichef meldet sich ebenfalls hie und da. Der Fraktionschef hat seinen Urlaub für ein Interview unterbrochen. Und die Generalsekretärin macht Pressekonferenzen, von denen danach Audio-Dateien per Mail verschickt werden. Falls es doch jemanden interessiert.

Thomas Oppermann aber hat es in diesem Sommer auf eine bemerkenswerte Dauerpräsenz gebracht. Er ist der amtierende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, qua Amt also darf er nach Belieben mit der Frage herumbohren, welche Rolle Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst in der NSA-Affäre spielen. So konnte Oppermann die gefräßige Medienmaschine in Berlin fast ununterbrochen füttern, gelegentlich auch, ohne überhaupt in Berlin zu sein.

Seinen Urlaub verbrachte der Vater von vier Kindern an der Ostsee, wo die Zeit nach eigenem Bekunden wenigstens reichte, um gelegentlich Schwimmen zu gehen. Aber alles in allem beschreibt Oppermann seine Sommerfrische unumwunden als "durchlöchert".

Weil es fortwährend neue Berichte, Spekulationen und Vorwürfe gab, war er ein gefragter Gesprächspartner. Und wenn er nicht gefragt war, meldete sich Oppermann eben aus eigenem Antrieb. Darin hat er in den vergangenen Jahren viel Erfahrung gesammelt. Als in der SPD-Spitze nach dem Ausscheiden aus der Regierung 2009 gemosert und gemault wurde, man komme zu wenig in den Medien vor, ergriff Oppermann die Initiative und verteilte seine Einschätzungen zu politischen Themen immer häufiger und bevorzugt am Wochenende. Mittlerweile kommen seine Statements am Samstag fast so zuverlässig wie die Ziehung der Lottozahlen.

In der NSA-Affäre hat Oppermann die Schlagzahl noch einmal erhöht: Allein zwischen dem 5. und dem 26. Juli verschickte die Pressestelle der SPD-Fraktion zehn kritische Stellungnahmen Oppermanns. "Die Bundesregierung kann nicht erklären . . .", hieß es darin. Oder: "Das erschüttert die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin bis ins Mark." Oder: "Die Reise des Bundesinnenministers in die USA war eine Farce." Diese Intensität macht Oppermann für die schwarz-gelbe Regierung zu dem, was man in der abgemilderen Übersetzung eines englischen Ausdrucks einen "Schmerz im Hintern" nennen kann.

Freilich birgt solcher Tatendrang auch Gefahren. Zum Beispiel, dass Beobachter sagen: Man kann's auch übertreiben. Darauf antwortet Oppermann, dass es in der NSA-Affäre um Aufklärung zu elementaren Sachverhalten gehe, um die Grundrechte der Bürger und das deutsch-amerikanische Verhältnis. Aber man tut dem SPD-Politiker gewiss kein Unrecht mit der Annahme, dass es Oppermann auch um Oppermann geht, um das eigene Ansehen und um die Chance auf ein Ministeramt. Mit seinen 59 Jahren, die er nicht im Gesicht, aber auf dem Buckel trägt, könnte es ja schon die letzte Chance sein.

Nur ist es eben kein leichtes Unterfangen, in einer Jahreszeit Politik zu machen, in der sich noch weniger Menschen als sonst für Politik interessieren. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass sich viele Bürger von der mutmaßlichen Schnüffelei der Amerikaner offenbar nicht belästigt fühlen. Und wie soll man eine Regierung noch ins schiefe Licht rücken, von der die Bürger ausweislich vieler Umfragen ohnehin annehmen, dass sie mehr von Prism, XKeyscore und sonstigen Schmutzeleien wusste, als sie bislang eingeräumt hat.

Da muss einer wie Thomas Oppermann auch aufpassen, nicht in den Verdacht künstlicher Aufregung zu geraten. Zumal der heutige Chef-Ermittler auch mal eine Art Chef-Verteidiger war: Als SPD-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss war Oppermann 2006 von Fraktionschef Peter Struck dazu auserkoren worden, manche gemeinsame Sache deutscher und amerikanischer Dienste nach dem 11. September 2001 zu rechtfertigen. So erfolgreich war er damit, dass er noch vor Abschluss des Ausschusses zum Geschäftsführer befördert wurde.

Der Jurist Oppermann war in Niedersachsen und im Bund Rechts-, Bildungs- und Wirtschaftspolitiker. Seinen Förderern Gerhard Schröder, Struck, Steinmeier und Steinbrück gilt er als vielseitig und zuverlässig, manche Abgeordnete der Bundestagsfraktion aber halten ihn eher für anpassungsfähig und selbstherrlich. Bei seiner letzten Wiederwahl 2011 erhielt er mit 64,4 Prozent einen Dämpfer.

In Steinbrücks Kompetenzteam steht Oppermann für die Innenpolitik und ist einer der wenigen, die überhaupt breitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Für den Fall einer SPD-geführten Regierung hätte Steinbrück ihn wohl am liebsten als Chef des Kanzleramtes. Damit wäre er auch Koordinator der Geheimdienste - und müsste sich auf die Arbeit einiger Leute verlassen, deren Gebaren er derzeit in Zweifel zieht.

© SZ vom 05.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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