SPD-Politiker Maas:Ein Justizminister, dem die Justiz fremd ist

SPD-Politiker Maas: Heiko Maas (SPD) wird neuer Justizminister.

Heiko Maas (SPD) wird neuer Justizminister.

(Foto: AFP)

Heiko Maas ist ein sympathischer Politiker, der für eine große Koalition geradezu prädestiniert ist. Und er ist ein Jurist, bei dem man in der Biografie nachschauen muss, um zu erfahren, dass er wirklich einer ist. Als Rechtspolitiker ist der künftige Justizminister bislang mit keinem einzigen Satz aufgefallen.

Von Heribert Prantl

Es gab eine Zeit, da waren die Juristen der SPD der Stolz der Partei. Sie waren die Reformer. Und die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratischen Juristen war die Abteilung für neue Ideen, ihre Entwicklung und Markteinführung. Carlo Schmid, Gustav Heinemann, Adolf Arndt und Hans-Jochen Vogel waren die strahlenden Rechtspolitiker der frühen und der mittleren Jahrzehnte der Bundesrepublik. Die Eherechts- und Scheidungsreformen, die liberalen Strafrechtsreformen - sie alle stammen aus dieser Zeit. Sie haben die deutsche Gesellschaft geschüttelt und geprägt.

Es war einmal. So beginnen eigentlich nur Märchen. So beginnt aber auch die Rechtspolitik der SPD. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das gilt auch für die Union. Ein letztes Aufleuchten erlebte die Rechtspolitik der SPD von 1998 bis 2002 unter der Justizministerin Herta Däubler-Gmelin; sie war dem Kanzler Schröder aber zu forsch, daher lästig. Man muss heute lange nachdenken, bis einem ein rechtspolitisches Projekt der SPD einfällt. Insofern ist es konsequent, dass die SPD einen Justizminister nominiert hat, der als Rechtspolitiker bislang mit keinem einzigen Satz aufgefallen ist.

Heiko Maas ist ein sympathischer, jungenhaft wirkender Politiker; höflich und leise, kein Haudrauf, nicht jovial, sondern ein wenig sperrig, nicht eingebildet; er kann einstecken, er ist redlich, strebsam, fleißig. Der Justizbetrieb und die Rechtspolitik sind ihm fremd, hier hat er sich - anders als sein früherer politischer Konkurrent Peter Müller von der CDU, der jetzige Bundesverfassungsrichter - noch nie hervorgetan, auch in den innerparteilichen Debatten nicht. Maas ist ein Jurist, bei dem man in der Biografie nachschauen muss, um zu erfahren, dass er wirklich einer ist.

Geführt und verführt von Lafontaine

Heiko Maas, vor 47 Jahren in Saarlouis geboren, hat an der Universität des Saarlandes Jura studiert, und 1996, auch im Saarland, das Zweite Juristische Staatsexamen abgelegt. Dann wurde er sogleich, da war er noch Rechtsreferendar, geführt und verführt von Oskar Lafontaine, Berufspolitiker - nämlich saarländischer Staatssekretär im Umwelt-und Verkehrsministerium; schon zwei Jahre später war er dort Ressortchef, damals erst 32 Jahre alt und damit Deutschlands jüngster Minister. Die Politik hat Maas seitdem nicht mehr losgelassen.

Seine Ausdauer - es wird gern darauf hingewiesen, dass er Triathlon-Sportler sei - war dabei größer als sein Erfolg. Drei Niederlagen hat er für die saarländische SPD eingefahren; eine vierte Chance hatte er wohl nicht mehr. Deshalb munkelte man seit Langem über seinen Wechsel nach Berlin. Wenn Maas, derzeit Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in der CDU/SPD-Regierung des Saarlandes, sich in Berlin geschickt anstellt und sich nicht nur an Parteichef Gabriel, mit dem er sich gut versteht, festhält, sondern auch an den Bürgerrechten, dann kann er wieder werden, was er vor 15 Jahren schon mal war: der kleine politische Komet.

Sein Widerpart ist ein alter Profi

Damals, als höflicher, schüchterner aber auch alsbald wendiger junger Mann, war er ein glühender Verehrer von Oskar Lafontaine. Als der von Ministeramt und Parteivorsitz zurücktrat, wandte sich Maas enttäuscht von ihm ab, ordnete sich zunächst weiterhin der SPD-Linken zu und war im Übrigen geschickt bei der Beförderung der eigenen Karriere. Er war durchaus hart im Nehmen und hat Durchhaltevermögen gezeigt. Zugutegekommen ist ihm dabei, dass die Saar-SPD nach Lafontaines Abgang am Boden lag und er mit seiner Jugend als einziger Hoffnungsträger übrig blieb.

So hat man ihm auch verziehen, mit ihm als Spitzenkandidat nur mehr oder weniger große Niederlagen kassiert zu haben. Maas ist inhaltlich nicht richtig festzumachen, geschmeidig hat er sich stets den Verhältnissen angepasst, hat sich rot-rot-grüne Bündnisse selbst mit Lafontaine als Anführer der Linken vorstellen können. Er hat aber zuletzt auch ohne Zucken die große Koalition im Saarland beschlossen, wurde Vize-Ministerpräsident in trauter Eintracht mit der CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Er ist für die große Koalition in Berlin geradezu prädestiniert.

Er verkörpert einen Politikertypus, der Politik versteht und beherrscht, aber kein inhaltliches Fachgebiet vorzuweisen hat. Weil er aber weiß, dass die SPD keinen markanten Rechtspolitiker mehr hat, wird er mit Fleiß danach trachten, ein solcher zu werden. Sein Widerpart im Innenministerium ist ein alter Profi: Thomas de Maizière. Weil Maas schlau ist, wird er sich von ihm abgrenzen - vielleicht bei der Vorratsdatenspeicherung.

Es kann auch sein, dass er sich zunächst einmal auf den Verbraucherschutz stürzt, der wurde dem Justizministerium zugeschlagen. Und so passt der alte Bismarck-Spruch jetzt zum Ministerium Maas: Wenn die Leute wüssten, wie Gesetz und Würste gemacht werden, meinte einst der Eiserne Kanzler, könnten sie nachts nicht mehr ruhig schlafen.

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