SPD-Parteitag:Gabriels schlechtestes Ergebnis - SPD straft Parteichef ab

  • Sigmar Gabriel erhält bei der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden einen Dämpfer - nur 74,3 Prozent der Delegierten stimmen für ihn.
  • Der SPD-Chef verteidigte zuvor den Syrien-Einsatz der Bundeswehr, versprach den Parteimitgliedern aber eine Mitgliederbefragung für den Fall einer Ausweitung des Einsatzes.
  • Kritik übte Gabriel am Sparkurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe damit unabsichtlich rechtspopulistische Strömungen in Europa gestärkt. Auch die Flüchtlingspolitik der Union kritisierte er.

Von Benedikt Peters

Der Vorsitzende der SPD heißt auch in Zukunft Sigmar Gabriel. Die Delegierten des Bundesparteitags der Sozialdemokraten bestätigten den Vorsitzenden in Berlin allerdings mit nur 74,3 Prozent der Stimmen. Es ist sein schlechtestes Ergebnis als Parteivorsitzender.

Vor zwei Jahren hatte Gabriel bei der Abstimmung ebenfalls einen Dämpfer einstecken müssen. 2013 erhielt er bei der Wahl zum Parteivorsitzenden 83,6 Prozent, was bereits als schwaches Ergebnis gewertet worden war.

In einer mehr als einstündigen Rede hatte Gabriel unter den Delegierten zuvor um Unterstützung geworben. Er kritisierte Kanzlerin Angela Merkel, die mit der EU-Sparpolitik maßgeblich zum Erstarken des rechtsextremen Front National beigetragen hätte. Weitere Spitzen hielt der Parteivorsitzende für die Flüchtlingspolitik der Union und für Medien bereit.

Er habe "Angela Merkel immer davor gewarnt, Frankreich diesen Sparkurs aufdiktieren zu wollen", sagte der Vizekanzler auf dem Parteitag in Berlin. Ohne diese Politik "wäre Frau Le Pen nicht so weit, wie sie jetzt gekommen ist", sagte Gabriel. Zuletzt war die rechtsextreme Partei unter Führung von Marine Le Pen bei den französischen Regionalwahlen auf 28 Prozent gekommen und damit stärkste Partei geworden. Es sei falsch gewesen, die Sparschraube für das überschuldete Frankreich so stark anzuziehen.

Indirekt verteidigt Gabriel sein Treffen mit Pegida-Anhängern

Zugleich warnte der SPD-Chef davor, in der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien nur auf Ausgrenzung zu setzen. Gegenüber dem "organisierten Rechtspopulismus mit seinen Hasstiraden bis hin zur offenen Morddrohung" sei das zwar die richtige Antwort. Es dürfe aber nicht die einzige Antwort bleiben, denn sie habe das Erstarken der Rechtsextremen bisher nicht gestoppt.

Nötig seien stattdessen "eine Dialogoffensive und politische Angebote" insbesondere der SPD an diejenigen, die keine Rechtsradikalen seien, sich aber abgewandt hätten von der Demokratie. "Ausschluss der Neonazis, aber Einschluss der Verunsicherten", forderte Gabriel. Der Parteichef verteidigte damit auch indirekt seinen Besuch bei einer Diskussionsveranstaltung mit Pediga-Anhängern Anfang des Jahres in Dresden, der in Teilen der SPD auf Kritik gestoßen war.

Bei einer Ausweitung des Syrien-Mandats kündigt er einen Mitgliederentscheid an

Eine mögliche Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes in Syrien knüpfte Gabriel an einen Entscheid der SPD-Mitglieder. "Wir wissen heute nicht, welche Anforderungen noch auf uns zukommen können", sagte er. "Aber eines verspreche ich euch: Sollte das Mandat verändert werden, dann werde ich als Vorsitzender der SPD die Mitglieder der SPD in Deutschland fragen." Sie seien die einzigen, die über die Position der Partei zu Krieg und Frieden entscheiden dürften.

Derzeit sieht das Mandat keine Beteiligung der Bundeswehr an Kampfhandlungen vor, sondern etwa den Einsatz von Aufklärungsflugzeugen und den Schutz des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle.

Kritik an der Flüchtlingspolitik - und an den Medien

Grundsätzlich rechtfertigte Gabriel die Entscheidung des Bundestags, die Anti-IS-Koalition militärisch zu unterstützen. "Jede politische Lösung kommt zu spät, wenn der IS erst das Land erobert und dort einen Terrorstaat errichtet hat." Auch wegen der Solidarität zu Frankreich nach den Anschlägen von Paris sei die Unterstützung nun wichtig. Er habe aber auch Verständnis für alle diejenigen, die an dem Einsatz Zweifel hegten. "Es ist gut, dass es bei uns in Fragen von Krieg und Frieden keinen Hurra-Patriotismus gibt sondern Nachdenklichkeit."

An der Flüchtlingspolitik des Koalitionspartners Union übte Gabriel Kritik. "Man kann sich nicht morgens dafür feiern lassen, dass man eine Million Flüchtlinge nach Deutschland holt, und abends im Koalitionsausschuss jedes Mal einen neuen Vorschlag macht, wie man die schlechter behandeln könnte", sagte der Parteivorsitzende.

Gabriel übt sich auch in Medienschelte

Er sprach auch über sein Verhältnis zu den Medien. In der Vergangenheit war er in Fernsehinterviews mit den ZDF-Journalistinnen Marietta Slomka und Bettina Schausten aneinandergeraten. "Es gibt schon manchmal Momente, in denen ich mich frage, ob ich nicht besser eine andere Wortwahl gewählt hätte", sagte Gabriel in Anspielung darauf. Manche Medienvertreter aber müssten auch lernen "das eine oder andere Interview gelassener zu führen."

Zudem liege es auch in der Verantwortung der Medien, nicht ständig allen Politikern persönliche Interessen zu unterstellen. So leisteten sie einen Beitrag zur Politikverdrossenheit. "Wenn man das jeden Tag neu schreibt, dann glauben es irgendwann die Leute."

Gabriel ist seit sechs Jahren SPD-Chef

Der 56-jährige Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler hat das Amt des SPD-Chefs seit sechs Jahren inne - und damit länger als jeder andere SPD-Vorsitzende seit Willy Brandt. In seiner Rede versuchte er auch, die Parteitagsdelegierten zu umschmeicheln: "Vorsitzender der SPD zu sein ist kein Opfergang. Für mich ist es das stolzeste und ehrenvollste Amt, das man in der demokratischen Politik dieses Landes haben kann."

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