SPD-Parteitag in Berlin:Machtspiel um die Reichensteuer

Während der Berliner Parteitag in vollem Gange ist, diskutiert die SPD in den Hinterzimmern darüber, wie stark sie die Bürger belasten darf: Der linke Flügel will Zinsgewinne mit bis zu 52 Prozent besteuern - wird aber von Parteichef Gabriel ausgebremst. Haben die möglichen Kanzlerkandidaten Steinbrück und Steinmeier interveniert, um im Wahlkampf nicht als Freunde von Steuererhöhungen dazustehen?

Nico Fried und Susanne Höll

Als die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft am Sonntag den Parteitag eröffnete, riskierte sie einen Blick auf das Ende. Am Dienstagabend würden die Nachrichten vermelden, dass die SPD geschlossen sei und überzeugende Antworten gefunden habe.

Bundesparteitag der SPD

Kulisse des SPD-Parteitags in Berlin: Der lange Weg zur Geschlossenheit.

(Foto: dapd)

Wenn es so kommen soll, dann ist es jedenfalls noch ein langer Weg dahin. Und Hannelore Kraft dürfte das wissen, denn die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin saß auch in der Sitzung des Parteipräsidiums am Samstag, in der offenbar wurde: Geschlossen ist hier noch gar nichts und überzeugend auch nicht.

Es geht vordergründig um Detailfragen, vor allem in der Steuerpolitik. Aber in Wahrheit geht es um den Eindruck, den die SPD auf Wählerinnen und Wähler macht. Es geht darum, wie weit sie sich nach links entwickelt und damit auch weg von der politischen Mitte, für die mehr oder weniger alle drei potentiellen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel stehen wollen.

Wie weit sie sich entfernt von der Agenda 2010 und der Steuerpolitik der rot-grünen Koalition, die seinerzeit den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent gesenkt hatte. Ex-Kanzler Gerhard Schröder gab per Interview in der Welt am Sonntag seiner Partei bekannt, wie er die Steuererhöhungspläne findet: "ganz falsch".

Im Hintergrund wird gerungen

Nun ist so ein Parteitag stets ein Geben und Nehmen. Die Geschäfte, die hier von Personalentscheidungen über inhaltliche Fragen verschränkt und vereinbart werden, sind für Außenstehende schwer zu durchschauen. Am Ende muss die Quadratur des Kreises stehen, eine Balance, die es allen Beteiligten ermöglicht, als Sieger dazustehen. Diese Balance aber war zumindest am Sonntag noch nicht in Sicht.

Die Vorgeschichte geht so: Der Bundesvorstand mit dem Vorsitzenden Gabriel an der Spitze hatte schon vor einiger Zeit beschlossen, dass die SPD die Einkommensteuern im Fall eines neuerlichen Wahlsieges anheben will, mit einem Höchstsatz von 49 Prozent bei einem Einkommen von 100.000 Euro an aufwärts für Alleinverdiener und dem Doppelten für Verheiratete. Auch die Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte soll wieder angehoben werden.

Ex-Finanzminister Steinbrück, der den geltenden niedrigen Steuersatz von 25 Prozent einst verteidigt hatte, weil er glaubte, damit Kapitalflucht in Steueroasen verhindern zu können, sieht darin mittlerweile selbst einen Fehler. Mit einer Erhöhung auf 32 Prozent wäre auch er einverstanden.

Gabriels Taktik überzeugt nicht

Dem linken Flügel ging das aber nicht weit genug. Er möchte bei der Einkommensteuer für besonders Wohlhabende eine weitere Stufe obendrauf haben, eine Reichensteuer mit einem Spitzensatz von dann 52 Prozent, und außerdem ein völliges Ende der Abgeltungsteuer. Zinsgewinne sollen stattdessen künftig mit dem Einkommensteuersatz belegt werden, also im Zweifel bis zu 52 Prozent.

Legten Steinmeier und Steinbrück ihr Veto ein?

Nun steht dem Parteitag am Dienstag eine Kontroverse zu diesem Thema bevor. Und Gabriel hat in den Augen vieler SPD-Landeschefs und Vertreter des linken Flügels dabei keine sehr hilfreiche Rolle gespielt.

Gabriel, Steinbrück und Steinmeier wollen nicht in einen Wahlkampf ziehen, in dem sie sich fortwährend gegen den Vorwurf maßloser Steuererhöhungsphantasien wehren müssen, die auch Normalverdiener treffen könnten.

Namhafte Vertreter der Linken erzählen, dass der Parteichef sie deshalb schon vor geraumer Zeit gebeten habe, die Reichensteuer um jeden Preis zu verhindern, notfalls auch mit einer höheren Abgeltungsteuer als 32 Prozent. Die Linke verstand dies als Angebot zu einem Geschäft auf Gegenseitigkeit: Ihr gebt mir meinen Willen hier, ich geb' euch euren Willen da.

Am Samstag, im Präsidium, habe Gabriel dann aber plötzlich umgeschaltet. Am Antrag des Bundesvorstandes dürfe es keine Änderungen geben, also Spitzensteuersatz 49 Prozent, Abgeltungsteuer 32 Prozent. Das Verdikt, begründet mit der hohen Symbolik des Themas, stieß auf Verblüffung bei der Linken und einigen Landesverbänden.

Alles nur ein Missverständnis?

Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, bekanntermaßen ein Freund von massiven Steuererhöhungen, wird mit den Worten zitiert, man habe doch ganz andere Signale gehabt. Nun vermutet manch einer, Steinmeier und Steinbrück hätten in letzter Minute bei Gabriel ein Veto eingelegt, was wiederum von deren Getreuen bestritten wird.

Im Umfeld Gabriels will man von einem Positionswechsel des Parteichefs nichts wissen. Da müsse es sich um ein "Missverständnis" handeln, heißt es. Missverständnis? Pustekuchen, schallt es vom linken Flügel zurück.

Dessen Protagonisten, angeführt vom schleswig-holsteinischen Landeschef Ralf Stegner, beschlossen in einer Runde am Sonntagmorgen, dass sie nun an ihren Steuerforderungen gar nichts ändern werden. So kann es sogar sein, sagt einer von ihnen, dass am Dienstag beides beschlossen wird, die Reichensteuer und das Aus für die niedrige Abgeltungsteuer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: