SPD-Parteitag in Berlin:95,11 Prozent für Franz Müntefering

Der SPD-Fraktionschef ist mit überwältigender Mehrheit zum Vorsitzenden der Sozialdemokraten gewählt worden. Er ist damit Nachfolger von Kanzler Schröder. In seiner Bewerbungsrede hatte der Sauerländer die Partei zu einer "ehrlichen" Reformdebatte aufgefordert. Zum neuen Generalsekretär wurde mit 79,5 Prozent Klaus-Uwe Benneter gewählt.

Müntefering forderte von seiner Partei mehr Kampfesmut: "Die Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen. Wir wollen regieren." Die Genossen müssten zusammenstehen und kämpfen. Sie sollten sich auf ihre Kraft besinnen und die deutsche Sozialdemokratie auf die Höhe der Zeit bringen. Er wolle keine ruhige Partei, sagte Müntefering.

SPD-Parteitag in Berlin: Der alte und der neue Vorsitzende der SPD: Kanzler Gerhard Schröder und SPD-Fraktions- und Parteichef Franz Müntefering

Der alte und der neue Vorsitzende der SPD: Kanzler Gerhard Schröder und SPD-Fraktions- und Parteichef Franz Müntefering

(Foto: Foto: dpa)

Streit müsse ausgetragen werden. Wenn die SPD aber entschieden habe, müsse sie dann auch geschlossen handeln. "Es darf sich dann keiner in die populistischen Büsche schlagen", erklärte der SPD-Fraktionschef auch zu Bestrebungen, eine linke Protestpartei zu gründen.

Die Reformagenda 2010 sei von zwei Parteitagen beschlossen worden, betonte Müntefering. "Wir müssen diese Politik gemeinsam hinbekommen." Er wolle als Parteichef dafür kämpfen, dass in Deutschland Wohlstand für alle möglich sein. Wer versuche, zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und ihn eine Kerbe zu schlagen, werde scheitern.

"Man darf die Saatkartoffel nicht verfuttern, man muss sie pflanzen", zitierte Müntefering ein Sprichwort seiner sauerländischen Heimat. In die Zukunftsfähigkeit des Landes sei in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig investiert worden. Die SPD müsse mutig genug sein, den Menschen zu sagen, dass SPD nicht nur Politik im Hinblick auf die nächsten Bundestagswahlen im Jahr 2006 mache.

"Wir werden den Weg zur Bürgerversicherung gehen", sicherte Müntefering den Genossen zu. Die Alternative wären entweder Beitragserhöhungen oder höhere Zuschüsse aus dem Steuertopf.

Alle junge Menschen müssten die Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Niemand dürfe von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Er sei sich sicher, dass er auch mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) eine Linie finden werde. Clement lehnt die von der SPD-Fraktion angestrebte Ausbildungsplatzumlage ab.

Gewerkschaften zu Gespräch eingeladen

Deutschland brauche starke Gewerkschaften, sagte Müntefering. Deshalb müsse die Tarifautonomie bleiben. Er lud den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer zu einem Gespräch darüber ein, wo es gemeinsame Positionen und wo es Differenzen gebe.

Deutschland müsse künftig noch mehr als bisher internationale Politik machen, forderte der SPD-Fraktionschef. Davon sei der Wohlstand der Bürger entscheidend abhängig. Kein Land in Europa werde alleine seinen Wohlstand sichern können. Die Sozialdemokraten müssten den Menschen klar machen, dass Europa zusammen finden und zu einer Region des Wohlstands werden müsse.

In der Hoffnung auf Wachstum seien jahrelang die Strukturprobleme liegen geblieben, sagte Müntefering. Jetzt könne aber nicht länger abgewartet werden. Die Probleme müssten gelöst werden. Die öffentlichen Kassen in Bund, Ländern und Gemeinden seien leer. "Es gibt weder Geld im Keller noch auf dem Dachboden." Das müsse den Menschen ehrlich gesagt werden.

Internationaler Terrorismus ist "eine Seuche"

Müntefering erklärte, der internationale Terrorismus sei eine Seuche dieser Zeit. Die Genossen vertrauten auf die Politik von Innenminister Otto Schily. Ausdrücklich dankte der Fraktionschef den Bundeswehrsoldaten, die im Ausland für Frieden sorgten.

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul engagiere sich für mehr Lebenschancen auf der ganzen Welt und betreibe so ebenfalls Friedenssicherung.

Benneter neuer Generalsekretär der SPD

Einziger Kandidat für den Posten des SPD-Generalsekretärs war der Berliner Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter. Er erreichte 79,5 Prozent der gültigen Stimmen und trat die Nachfolge von Olaf Scholz an, der beim Bochumer Parteitag im November 52,6 nur Prozent geholt hatte.

Unter dem Dach der SPD können künftig auch politische Quereinsteiger und Nichtmitglieder für ein Landtagsmandat kandidieren. Der Parteitag beschloss dazu mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Änderung der Wahlordnung. Bisher war eine Kandidatur von Nichtmitgliedern nach der SPD-Satzung nur bei Kommunalwahlen möglich.

Ohne große Kontroversen wurde zwei Leitanträge beraten. In einer Vorlage wurden die Reformkritiker in den eigenen Reihen ermahnt, die Regierungsfähigkeit der Partei nicht zu gefährden. In einem Manifest zur Innovationspolitik wurde die Forderung nach einer Reform der Erbschaftssteuer bekräftigt.

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