SPD-Parteitag in Berlin:Auf gehobenem Niveau

Die SPD legt in Umfragen zu und könnte bald wieder im Bund regieren. Vor ihrem Parteitag am Sonntag in Berlin fragen sich die Genossen: Wie links dürfen Programm und Kanzlerkandidat sein, um die Wähler nicht wieder abzuschrecken?

Susanne Höll

Zu seinem Abschied aus dem Amt des Parteivorsitzenden erklärte Franz Müntefering vor zwei Jahren auf seine sauerländisch-nüchterne Art, warum die SPD die Bundestagswahl so katastrophal verloren hatte: "Wir waren einfach nicht interessant genug", lautete Münteferings Analyse.

Vor SPD-Parteitag

Die drei von der SPD: Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier (v. links).

(Foto: dpa)

Die war nicht falsch, auch wenn es natürlich noch ein paar Gründe mehr für das Fiasko gab. Inzwischen ist die SPD wieder interessanter geworden, was sie sich selbst, vor allem aber dem maroden Zustand der schwarz-gelben Koalition und der Schwäche der FDP zu verdanken hat. Die Umfragewerte haben sich gebessert, sie liegen mittlerweile bei 30 Prozent. Die Sozialdemokraten könnten womöglich alsbald wieder im Bund regieren, und deshalb ist die Neugier auf ihren Parteitag groß.

Für das Treffen in Berlin, das am Sonntag beginnt, haben sich 7500 Gäste angemeldet. Kein Wunder, dass es so viele sind, denn von den genesenen Sozialdemokraten erhofft man sich mittlerweile wieder politische Spektakel auf gehobenem Niveau.

Erstmals seit 13 Jahren redet Altkanzler Helmut Schmidt wieder einmal auf einem Parteitag, und die drei Möchtegern-Kanzlerkandidaten - Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück - haben große Auftritte. Und nach zwei Jahren großer Friedfertigkeit bahnen sich neue programmatische Kontroversen zwischen Linken und Rechten, aber auch den Delegierten und der Parteispitze bei den Themen Steuern und Rente an.

Teile des linken Flügels, der derzeit in Traditionalisten und Pragmatiker gespalten ist, wollen die Führung dazu zwingen, die Steuern im Fall einer Regierungsübernahme stärker zu erhöhen als ohnehin geplant: Ihr Wunschziel ist ein Spitzensatz von 52 Prozent bei der Einkommensteuer, außerdem würden sie am liebsten alle Rentenreformen der vergangenen zehn Jahre rückgängig machen mit dem Ziel, das Rentenniveau im Jahr 2030 auf dem Stand von heute zu halten.

Symbolpolitik ist Kinkerlitzchen

Ob es eine Mehrheit für diese Anträge geben wird, ist alles andere als sicher, zumal pragmatische Linke Symbolpolitik - und dazu zählt ein Spitzensteuersatz von 52 Prozent - als Kinkerlitzchen ablehnen. Und die Troika aus Gabriel, Steinmeier und Steinbrück will sich mit aller Kraft gegen weitergehende Steuerbeschlüsse stemmen. Die drei sind sich einig, dass die SPD ansonsten Gefahr läuft, Wähler im Bundestagswahlkampf abzuschrecken statt anzulocken.

Bei der Rente ist die Lage etwas unklarer. Steinbrück und Steinmeier sind strikt gegen weitere Lockerungen der Rente, Gabriel hat sich dazu öffentlich noch nicht klar geäußert. Deshalb kursieren, wie so oft vor Parteitagen, auch allerlei Verschwörungstheorien. Eine davon lautet: Die Linke wolle für ein möglichst radikales Programm sorgen und auf diese Weise eine Kanzlerkandidatur des ihnen suspekten Steinbrücks verhindern und Steinmeier oder Gabriel ins Amt der Herausforderers hieven. Denn der Ex-Finanzminister Steinbrück könne, so die Logik, im Wahlkampf nicht guten Gewissens ein Programm vertreten, das seinen deutlich moderaten Vorstellungen widerspricht.

Ein leises Raunen

Mag sein, dass der eine oder andere aus dem linken Lager tatsächlich von so etwas träumt. Doch eine solche Rechnung kann nicht aufgehen. Auch Steinmeier, bekanntlich ein Architekten der rot-grünen Reformagenda 2010, stünde als Kandidat für eine solche rigide Programmatik nicht zur Verfügung.

Gabriel hingegen gilt als etwas flexibler, zumindest in der Rentenfrage. Er könne, so eine zweite Verschwörungstheorie, zu größeren Zugeständnissen bereit sein, um Steinbrück und Steinmeier auszutricksen, sich die Sympathie der Partei und mithin eine Kanzlerkandidatur 2013 zu sichern. Dazu passt ein leises Raunen, wonach der Konkurrenzkampf der Drei inzwischen härter sei als öffentlich wahrgenommen werde. Dem widersprechen enge Vertraute des Trios, verneinen aber natürlich nicht die allseits bekannte Tatsache, dass es sehr wohl Meinungsunterschiede gibt. Eine Entscheidung über den Kandidaten wird der Parteitag nicht fällen, nicht einmal eine Vorentscheidung.

Gabriel ist der einzige aus der Troika, der sich auf dem Parteitag zur Wahl stellen muss. Ob er wieder 94,2 Prozent bekommt, so wie bei seinem Amtsantritt 2009, ist fraglich. Viel schlechter dürfte das Resultat aber nicht werden, denn auf dem Weg zur Bundestagswahl wird die SPD ihren Vorsitzenden nicht schwächen wollen.

Etwas bangen muss aber Generalsekretärin Andrea Nahles. Sie war 2009 mit für sie enttäuschenden knapp 70 Prozent gewählt worden und hat seither Unmut auf sich gezogen. Einige Linke werfen ihrer früheren Vorzeigefrau vor, im neuen Amt zu sehr in die Mitte gerückt zu sein. Andere lasten ihr Dinge wie etwa die Parteireform an, für die Gabriel verantwortlich ist. Bei der Parteirechten, insbesondere jenen, die wissen, wie herausfordernd die Zusammenarbeit mit dem umtriebigen Gabriel sein kann, hat sie sich allerdings Respekt erworben.

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