SPD-Parteitag:Gefühlte Geschlossenheit

Allen Provokationen, Sticheleien und Revanchefouls zum Trotz: Dieser SPD-Parteitag hat der Großen Koalition als Ganzes gut getan. Jedenfalls für den Moment.

Nico Fried

Was hilft der Kanzlerin ein Partner, der sich selbst zerlegt? Eine SPD, die nur am schwarz-roten Zwangsbündnis leidet, die sich nicht entscheiden kann zwischen Illusion und Realität und die im Abwärtstaumel keine Richtung findet - eine solche SPD würde die Regierung insgesamt blockieren.

Kurz vor einer Bundestagswahl würde Angela Merkel das sicher lustig finden. Zur Mitte der Legislaturperiode ist es eher lästig. Einstweilen haben sich die Sozialdemokraten berappelt, ihr Vorsitzender reist gestärkt aus Hamburg ab; jedenfalls ist dies ein weit verbreiteter Eindruck in der SPD.

Und eine Partei, die ihre Politik nicht zuletzt an gefühlten Ungerechtigkeiten ausrichtet, gibt sich auch mit einer gefühlten Geschlossenheit zufrieden. Fürs Erste hat die SPD auf ihrem Parteitag den Verdruss an sich selbst überwunden. Man sollte das nicht unterschätzen.

Die Basis hat erkannt, dass ihre Minister keine Monster sind - auch weil namentlich Müntefering, Steinmeier und Gabriel den Delegierten sehr deutlich gemacht haben, wie stark die SPD im Vergleich zur Union personell wie inhaltlich in der Koalition vertreten ist.

Und Kurt Beck, der bislang die personifizierte Unentschlossenheit zwischen Regieren, Opponieren und Profilieren war, hat erstmals gezeigt, dass es ihm gelingen könnte, die Partei im Land und ihre Vertreter in Berlin zusammenzuhalten.

Auch wenn der SPD-Chef sich zuletzt einseitig positionierte, so hat ihm der Vizekanzler doch eindrucksvoll demonstriert, dass man auf Dauer beide Teile braucht. Und eigentlich weiß Beck das ja auch.

Verlorengegangen ist in Hamburg nur die Bahnreform. Hier aber handelt es sich um ein Versagen der gesamten Koalition. Niemand hat die Privatisierung der Bahn jemals zu einem wirklichen Anliegen gemacht: zu viel Überzeugungsarbeit, zu anstrengend, zu riskant.

Ansonsten aber hat die SPD auf dem Parteitag ihre Prioritäten vor allem in der Sozialpolitik sehr offensiv benannt und macht sich nun daran, Angela Merkel zu stellen. Mindestlohn, Arbeitslosengeld, Leiharbeit: Die Karten liegen auf dem Tisch.

Das ist gut für die Koalition, weil sie nun wieder konkrete Politik machen kann, statt sich in Scheingefechten zu verlieren. Es ist gut für die Union, weil sie nicht in Versuchung gerät, sich allein auf die Popularität Merkels zu verlassen und bis 2009 im Leerlauf dahinzurollen.

Wenn die Kanzlerin allerdings glaubt, es werde genügen, viele der SPD-Forderungen nur als einen Linksruck zu werten, der ihr die politische Mitte überlässt, wird sie verlieren. Auch sie wird jetzt einmal hinstellen und klarmachen müssen, warum zum Beispiel manche gefühlte Gerechtigkeit auch neue Ungerechtigkeit produzieren kann. Die SPD hat gesprochen. Zu langes Schweigen wird Merkel sich nicht leisten können.

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