SPD:Ohne Purzelbaum auf die Schulz-Welle

Parteitag der baden-württembergischen SPD

Nils Schmid profitiert doppelt vom derzeitigen Aufwärtstrend der SPD.

(Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Als SPD-Chef ging Nils Schmid in der grün-roten Stuttgarter Koalition unter, nun ist er auf dem Sprung in den Bundestag.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Wenn man eines fernen Tages die Tiefen der deutschen Sozialdemokratie ausleuchten wird, dann wird man bestimmt auch auf den Namen Schmid stoßen. Nils Schmid, das war der SPD-Chef, der beim historischen Machtwechsel in Baden-Württemberg im Jahr 2011 mit dem Job als Juniorpartner des Grünen Winfried Kretschmann vorliebnehmen musste und fünf Jahre später mit seinen zwölf Prozent das Ende der SPD als Volkspartei einzuläuten schien. Ein politisches Supertalent, so das allgemeine Urteil, aber farb- und glücklos. 2011 gab Fukushima den Grünen den letzten Schub, 2016 ging Schmid unter im Kretschmann-Hype und im AfD-Boom. Aber unverhofft kommt oft in der Politik: Nun reitet er auf der Schulz-Welle Richtung Berlin. "Das ist ausgleichende Gerechtigkeit, würde ich sagen", sagt Schmid und lächelt dabei so befreit, wie man ihn lange nicht mehr erlebt hat.

Am Samstag wurde der ehemalige Landesvorsitzende in Schwäbisch Gmünd für die Bundestagswahl nominiert, als Nummer sechs der Landesliste, mit einem eher bescheidenen Ergebnis von knapp 70 Prozent der Stimmen. Offenbar gab es da noch ein paar offene Rechnungen mit dem einstigen Chef zu begleichen, ansonsten herrschte euphorische Stimmung bei dem Parteitag. Der Kanzlerkandidat Schulz hielt eine dieser Sankt-Martins-Reden zum Thema Gerechtigkeit, die das SPD-Volk seit Wochen in Verzückung versetzen. Man begeistert sich an der eigenen Begeisterung: Nils Schmid kann den Schulz-Effekt sehr rational analysieren. Die SPD habe anstelle von Sigmar Gabriel eben eine neue Projektionsfläche gebraucht, um die Merkel-Verdrossenheit im Land für sich zu nutzen. Aber natürlich freut er sich sehr darüber. Er profitiert ja gleich in doppelter Hinsicht.

Eine neue Umfrage des SWR meldete am vergangenen Freitag für die SPD Baden-Württemberg zwanzig Prozent. Der Aufschwung genau ein Jahr nach der Wahl hat offensichtlich nicht das Geringste mit der Landespolitik zu tun. Die grün-schwarze Regierung erreicht hohe Zustimmungswerte, und doch haben die Grünen drei Prozentpunkte eingebüßt, während die CDU unter 30 Prozent verharrt und die AfD auf elf Prozent abstürzt. Grün-Rot hätte wieder eine Mehrheit im Land - Schulz kam für die Südwest-SPD genau ein Jahr zu spät. Kein Grund zur Bitterkeit, sagt Nils Schmid, zumindest fühlt er sich durch solche Umfragen rehabilitiert. "Die Leute merken ja mittlerweile: Mit mir als Person hatte die Niederlage wenig zu tun. Wir hätten Purzelbäume schlagen können im Wahlkampf, und es hätte wenig geholfen."

Für eine Bundestagskandidatur hatte sich Schmid schon entschieden, als die SPD noch im Gabriel-Tief verharrte. Die neue baden-württembergische Parteichefin Leni Breymaier, eine Gewerkschafterin, verordnete der SPD einen deutlichen Links-Schwenk, die Landtagsfraktion führt nun der ehemalige Kultusminister Andreas Stoch an. Schmid hält sich zugute, dass der Machtwechsel vergleichsweise friedlich verlief. Aber als Landtagsabgeordneter führte er ein perspektivloses Dasein. "Wie Waldorf und Statler in der Muppet-Show das Geschehen von oben zu kommentieren - das war keine Option für mich."

Mit 43 Jahren, nach zwanzig Jahren im Stuttgarter Landtag, suchte er eine neue Herausforderung. Viele wähnten den Juristen auf dem Sprung in die Wirtschaft, doch dann ereilte ihn das Angebot, im frei werdenden Wahlkreis Nürtingen für den Bundestag zu kandidieren. Und die neue Chefin Breymaier, die als Nummer eins der SPD-Südwest nach Berlin wechseln wird, signalisierte ihre Zustimmung. Schmid weiß, warum: "Ich bin wahrscheinlich noch immer der bekannteste Sozialdemokrat in Baden-Württemberg."

Ein Wahlkampf, der für die SPD ursprünglich wie ein Opfergang wirkte, ist dank Martin Schulz zu einem Abenteuer geworden. Die Aufbruchstimmung sei allenthalben zu spüren, sagt Schmid. "Zum ersten Mal seit 2005 geht die SPD auf Augenhöhe mit der Union in einen Wahlkampf." Welche Aufgaben auf ihn zukommen könnten in Berlin? Er verfügt über eine fünfjährige Erfahrung als Wirtschafts- und Finanzminister, seine Begeisterung gilt der Europapolitik, wie Martin Schulz sie verkörpert. "Ich bin extrem motiviert", sagt Schmid.

Aber über Posten mag er nicht reden. Dies ist die Stunde der Herzens-Sozialdemokratie, wie sie Schulz und Breymaier verkörpern. Vernunftmensch Schmid scheint sich erst einmal wohl zu fühlen in der zweiten Reihe.

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