SPD: Neujahrsempfang der Fraktion:Dann macht es Pfüüüüüt

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Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier scheitert zunächst mit dem Versuch, die Gäste aufzuheitern. Und als es dann doch klappt, dürfte er das gar nicht so gemeint haben.

Thorsten Denkler, Berlin

Die SPD glaubt noch an die Liebe. So ähnlich hat das Willy Brandt mal gesagt. Franz Müntefering weiß das natürlich besser und zitiert Brandt richtig. Dass Rot die Farbe der Liebe sei, und dass da, wo Liebe ist, die SPD nicht verkehrt sein könne.

Mit den Lachern klappt es nicht so ganz: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier mit Parteichef Franz Müntefering auf dem Neujahrsempfang der SPD-Fraktion. (Foto: Foto: dpa)

Ein schönes Bild an diesem Neujahrsempfang-Abend der SPD-Bundestagsfraktion im Reichstag. Es vermittelt etwas von der Wärme, die Sozialdemokraten zum Wachstum brauchen. Das ist besonders wichtig nach Tagen wie diesem, an dem die SPD die historisch schwerste Niederlage der Genossen in Hessen zu verkraften hatte.

Wenn es Liebe richten könnte, die SPD wäre aus dem Schneider. Kann sie aber nicht. Zumindest nicht alleine. Das Glück ist mit den Tüchtigen, lautet eine alte Lebensweisheit. Der Außenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier findet, dass deswegen jetzt auch mal wieder die SPD dran sein kann mit dem Glück.

"Das Glück der Tüchtigen haben wir erworben, weil wir tüchtig sind", sagt Steinmeier etwas verklausuliert - gemünzt auf die Kraftanstrengungen seiner Partei in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Aber Glück erwerben reicht eben nicht, man muss es haben. In Hessen war das trotz der tüchtigen Krisenmanager in Berlin nicht der Fall.

Die Wahl ist vorbei. Dass sie kein guter Start ins neue Jahr werden würde, haben viele in der SPD geahnt. Jetzt muss es vorangehen. "Anpacken. Für Deutschland", heißt der neue Slogan, der neuerdings neben dem Parteilogo stehen darf.

Anpacken ist jetzt auch dringend nötig. Die SPD hat in Hessen mit knapp unter 24 Prozent ein Ergebnis bekommen, mit dem sie stramm im Bundestrend liegt. Trend ist nicht ganz das richtige Wort: Es besagt, dass etwas längerfristig gesehen nach oben oder nach unten führt - die SPD aber stagniert. Seit weit über einem Jahr. Das kann mürbe machen.

Steinmeier macht es nicht mürbe. Er versucht, seine Parteifreunde mit ein paar wohldosierten Scherzen auf Kosten seiner westfälischen Heimat Lippe aufzuheitern. Der Lipper sei ein recht sparsamer Menschenschlag. Dort sei der Kupferdraht erfunden worden, weil die Lipper den Kupferpfennig so lange gedreht hätten, bis Draht aus ihm wurde. Lacher: kein einziger.

Neuer Versuch.

Was denn der Lipper mit seiner sparsamen Art zum Wahlausgang in Hessen gesagt hätte, habe er sich gefragt, erzählt Steinmeier. Dann schürzt er die Lippen, als wolle er gleich wie ein Wolf den Mond anheulen. Wäre es so gekommen, hätte das jeder verstanden. Aber Steinmeier sagt nur: "Nutzt ja nix." Da nicken immerhin einige zustimmend.

Machste nix, hätten andere gesagt. Oder: Wird schon wieder. Oder: Et hätt noch immer jot jejange. Kommt alles aufs Selbe raus. Abhaken die Wahl. Und "den Blick nach vorne richten", sagt Steinmeier.

Positive Gedanken, das braucht die SPD jetzt. "Das Jahr hält viele Chancen für uns bereit", schrödert Steinmeier seinen Parteifreunden zu. "Die Chancen müssen wir nutzen und die Chancen werden wir nutzen." Weil, wie gesagt: Das Glück ist mit den Tüchtigen.

Gibt ja viel zu tun. Europa-, Landes- und Bundestagswahlen und eine "Bundespräsidentinnenwahl". Das hat Steinmeier so gesagt - Bundespräsident"innen"wahl. Das ist die Stelle in seiner kurzen Neujahrsempfangsbegrüßungsrede, an der einige laut lachen. Was nicht heißt, dass Steinmeier einen Witz gemacht hätte.

Noch am Nachmittag hat sich die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, noch einmal öffentlich zu ihrer Kandidatur bekannt. Das war offenbar nötig, weil a) nach der Wahl in Hessen die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung eindeutig gegen sie sind. Und weil b) es wohl in der Partei eine aufkeimende Diskussion gab, ob denn die Kandidatur jetzt noch Sinn ergebe.

Die Pressekonferenz hat übrigens Gesine Schwan alleine gegeben. Kein Parteilogo hinter und keinen Parteivorsitzenden neben sich. Nicht mal ein Parteigeneralsekretär. Und der hätte sicher was freischaufeln können in seinem Terminkalender. Das war auch schon mal anders.

"Pfffüüüüüüüüüüüüüt!", macht es, als Steinmeier gerade anhebt, den Fleiß der Fraktion in der Krise zu würdigen. Das erste Fass ist leer. Die letzte Luft entweicht. Aber was heißt das schon: Steinmeier soll im Bundestag heute schon im Lift steckengeblieben sein. Es läuft eben noch nicht rund für die SPD.

Dafür kann es im Moment vor allem eines: besser werden.

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