SPD-Landeschef Schmid über Geißler:"Demokratien sollten ohne Erlöserfiguren auskommen"

Baden-Württembergs SPD-Landeschef Schmid rechnet mit Heiner Geißler ab: Das Schlichtungsverfahren beim Bahnprojekt Stuttgart 21 sei gescheitert - maßgeblich dafür verantwortlich sei der CDU-Politiker. Dessen Kombi-Vorschlag hält Schmid für einen "kompletten Bruch mit der Schlichtungslogik".

Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid hält das Schlichtungsverfahren beim Bahnprojekt Stuttgart 21 für gescheitert. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung setzte sich der SPD-Politiker und stellvertretende Ministerpräsident der rot-grünen Koalition vor allem mit der Rolle von Mediator Heiner Geißler kritisch auseinander. "Die Stuttgarter Schlichtung war extrem von der Person Heiner Geißlers abhängig", sagte Schmid, "Demokratien sollten aber ohne Erlöserfiguren auskommen. Auch hat Geißlers Sprachgebrauch - etwa 'Friede für Stuttgart' oder 'der totale Krieg' - ein rationales Verfahren erschwert."

Landtag Baden-Wuerttemberg

"Heiner Geißler macht schönes Theater": Baden Württembergs SPD-Landeschef Nils Schmid.

(Foto: dapd)

Angesichts der dominanten Rolle von Geißler sei im Schlichtungsverfahren "der Willkür Tür und Tor geöffnet" gewesen. So stört sich Schmid daran, dass Geißler von dem Projekt Stuttgart 21 "Premiumqualität" verlangt habe: "Es kann nicht sein, dass an S21 ein anderer Maßstab angelegt wird als an die übrigen in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommenen Projekte."

Zuletzt hatte Heiner Geißler eine Kombinationslösung aus Kopfbahnhof und Tiefbahnhof vorgeschlagen. Nils Schmid hält den Vorstoß, unabhängig von der inhaltlichen Bewertung, für "einen kompletten Bruch mit der Schlichtungslogik". Mit seiner "unausgegorenen Planvariante" betätige Geißler sich als "Deus ex Machina". Schmid: "Das mag schönes Theater sein, wird aber dem Anspruch an ein exemplarisches Abwägungs- und Beteiligungsverfahren nicht gerecht."

Die Stuttgarter Schlichtung sei kein Vorbild für neue Formen der Bürgerbeteiligung, sagte der SPD-Landesvorsitzende. "Jede Überhöhung der Schlichtung, als neue Form der direkten Demokratie oder gar als Prototyp für den zukünftigen Umgang mit Großprojekten, ist völlig fehl am Platz. Vielmehr hat sie sich als Notgeburt ohne Vorbildcharakter mit bedenklichen vordemokratischen Anmutungen entpuppt."

Wer bei Großprojekten für mehr Bürgerbeteiligung plädiere, müsse frühzeitige Informationsrechte in den Planungsgesetzen verankern. Die grundsätzliche Entscheidung über Infrastrukturprojekte müsse aber bei der Politik liegen. "Andernfalls verlieren Politik und Gesellschaft die Gestaltungsfähigkeit, die für ein Industrieland im Wettbewerb unabdingbar ist. Der Wunsch, der Welt ein entschiedenes 'Nein' entgegen zu schleudern, ist zu wenig."

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