SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück:Der Anti-Parteisoldat

"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden": Damit lag Peer Steinbrück falsch. Der große Absturz fand nicht statt, die Sozialdemokraten legten unter seiner Führung sogar ein bisschen zu. Ein unkomplizierter Spitzenmann ist er für seine Partei trotzdem nicht gewesen.

Von Sebastian Gierke

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Peer Steinbrück

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"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden": Damit lag Peer Steinbrück falsch. Der große Absturz fand nicht statt, die Sozialdemokraten legten unter seiner Führung sogar ein bisschen zu. Ein unkomplizierter Spitzenmann ist er für seine Partei trotzdem nicht gewesen.

"Meine Karriere wird ein geordnetes Ende finden": Peer Steinbrück zieht sich aus der Spitzenpolitik zurück. Er wollte Kanzler werden, doch dieses Ziel hat der SPD-Kandidat nicht erreicht. Nun hat er seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Sozialdemokraten angekündigt. Er strebe weder in der Partei noch in der Fraktion ein Amt an.

Steinbrück wird SPD Kanzlerkandidat

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Ende Oktober 2012: Applaus für den Kandidaten, Peer Steinbrück tritt bei der Bundestagswahl für die SPD als Kanzlerkandidat an. Schneller als gedacht hat die Partei die Troika begraben. Womöglich haben die Genossen eingesehen, dass die Diskussionen um die Kandidatur Energie verbrauchen, die sie besser im politischen Kampf gegen die Kanzlerin kanalisieren.

Steinbrück in Niedersachsen

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Doch in den ersten Monaten des Wahlkampfs beschäftigen sich Steinbrück und die SPD vor allem mit sich selbst. Dazu trägt vor allem die öffentlich geführte Debatte um Steinbrücks üppige Vortragshonorare bei. Schwache Umfragewerte verschlechtern die Stimmung zusätzlich. Doch Abrücken von ihrem Spitzenmann will die Partei nicht - wo wäre auch die Alternative?

Jahreswechsel - Zitate

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Einer hält stets zu Steinbrück: Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der die Honorardebatte als "billigen Apell an die Neidgefühle kleiner Leute" sieht. Er hatte Steinbrück (hier sind die beiden bei einem gemeinsamen Auftritt in der Sendung "Günther Jauch" zu sehen) bereits ein Jahr vor der offiziellen Kür durch die Partei zu seinem Lieblings-SPD-Kandidaten ausgerufen. Mit dem Ex-Kanzler verbindet Steinbrück eine lange politische Freundschaft.

FILES-GERMANY-HISTORY-TERRORISM-RAF-BRANDT

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Doch es war nicht Helmut Schmidt, sondern Willy Brandt, der Steinbrück ursprünglich zur SPD brachte. 1969, als Brandt Kanzler wurde, trat Steinbrück in die Partei ein. "Mehr Demokratie wagen", lautete damals das Motto. Für die deutschen Sicherheitsbehörden war Steinbrück Anfang der 1970er Jahre allerdings ein Sicherheitsrisiko. Nachbarn hatten die Polizei in seine Wohngemeinschaft geschickt. Wegen Verdachts der Sympathie mit der Rote Armee Fraktion. Für diesen Verdacht bestand allerdings kein Anlass, wie sich später herausstellte.

60 Jahre Bundesrepublik - Große Koalition

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Helmut Schmidt, der 1974 Kanzler wurde, prägte den Politiker Steinbrück wohl am entscheidendsten. Kurz nach Schmidts Amtsantritt begann Steinbrücks berufliche Laufbahn mit einem Werkvertrag im Bundesbauministerium. Vier Jahre später, mit nur 31 Jahren, war er bei Helmut Schmidt im Kanzleramt tätig, wurde danach Büroleiter von NRW-Ministerpräsident Johannes Rau - ein entscheidender Schritt in seiner Karriere.

Im Bild: Helmut Schmidt (SPD, damals noch Verteidigungsminister) im Bonner Bundestag am 19. März 1969. Im Hintergrund Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Außenminister Willy Brandt (SPD).

CLEMENT STELLT NEUE MINISTER VOR

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Nachdem er nach Schleswig-Holstein wechselte, dort unter anderem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war, stieg er 1993 unter Ministerpräsidentin Heide Simonis zum Wirtschaftsminister auf. 1998 ging er zurück nach Nordrhein-Westfalen, wurde dort Wirtschafts- und Verkehrsminister im Kabinett von Wolfgang Clement, 2000 übernahm er dann den Posten des Finanzministers (im Bild eine Pressekonferenz mit Clement, hinten, und Amtsvorgänger Heinz Schleußer, der wegen der Düsseldorfer Flugaffäre zurücktreten musste).

SPD SONDERPARTEITAG CLEMENT STEINBRÜCK

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Erster Höhepunkt seiner politischen Karriere: Peer Steinbrück wird 2002 Ministerpräsident von NRW. Er übernimmt das Amt von Wolfgang Clement, der als Wirtschafts- und Arbeitsminister nach Berlin wechselt. Doch Steinbrück gelingt es in den drei Jahren an der Spitze des Landes Nordrhein-Westfalen nicht, die Herzen der Bevölkerung für sich zu gewinnen, sich als Landesvater zu etablieren. Entbürokratisierung und Haushaltskonsolidierung stehen im Mittelpunkt seiner Regierungszeit, keine Themen, mit denen er sich bei der Bevölkerung beliebt macht.

Außerdem kämpft Steinbrück nicht nur gegen die schlechte Stimmung im eigenen Bundesland, sondern auch gegen die miserablen Zustimmungswerte für Rot-Grün im Bund. Steinbrück muss die Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder verteidigen und er tut es - sogar um den Preis des Machtverlustes.

TV-Duell Steinbrück Rüttgers

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Am Wahlabend muss Steinbrück dann seinem Herausforderer von der CDU, Jürgen Rüttgers, gratulieren. Für die SPD hat Steinbrück das schlechteste Wahlergebnis in NRW seit 1954 zu verantworten: 37,1 Prozent der Stimmen. Allerdings bedeutet die Niederlage für ihn sogar einen Karrieresprung. 

Steinbrueck wird Kanzlerkandidat der SPD

Quelle: dapd

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Denn Kanzler Schröder nimmt die Niederlage in NRW zum Anlass, ein Misstrauensvotum zu inszenieren und vorgezogene Bundestagswahlen am 18. September 2005 herbeizuführen. Das Ergebnis: Eine große Koalition mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin - und Peer Steinbrück als Bundesfinanzminister. Im November 2005 wird er von der SPD zu einem der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

Steinbrück

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Als Steinbrück Finanzminister wird, ist die Arbeitslosigkeit hoch, die Konjunktur schlecht und die Steuereinnahmen sinken. Die Finanzkrise greift auf Deutschland über. Steinbrück fordert sogar, die Deutschen sollten auf einen Urlaubstag verzichten. Es bleibt bei der Forderung.

Hypo Real Estate - Merkel und Steinbrück

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Dennoch gelingt es ihm, sich als Krisenmanager zu profilieren. So beispielsweise, als er am 15. Oktober 2008 zusammen mit Merkel im Kanzleramt vor die Kameras tritt. Kanzlerin und Finanzminister geben eine Garantieerklärung für die Spareinlagen der Deutschen ab. "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind", sagt Merkel. "Die Sparerinnen und Sparer in Deutschland werden nicht befürchten müssen, einen Euro ihrer Einlagen zu verlieren", sagt Steinbrück fast wortgleich.

Pk Merkel Steinbrück

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Merkel und Steinbrück im Gleichschritt, wie hier auf dem Weg zu einer Pressekonferenz, das ist eines der Symbolbilder der großen Koalition. Das Verhältnis zwischen der CDU-Kanzlerin und dem SPD-Finanzminister während der gemeinsamen Regierungsjahre ist derart eng, dass bei anderen Kabinettskollegen Eifersucht aufkommt.

Bundestag - Merkel Glos Steinbrück

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So soll der im Februar 2009 zurückgetretene CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos, hier links im Bild, sich kurz nach seinem Amtsverzicht gegenüber Vertrauten über Merkels Führungsstil beschwert haben:  "Sie hat immer geglaubt, ich hätte von vielen Dingen keine Ahnung. Stattdessen hängt sie an den Lippen von Finanzminister Steinbrück, der sich jeden Satz aufschreiben lassen muss."

Maikundgebung mit Peer Steinbrück

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Steinbrück wächst in der großen Koalition immer mehr in die Rolle des vertrauenswürdigen Politikers, der klug und sicher durch die Krise führt. Doch er gilt auch als impulsiv, arrogant und barsch. Das Verhältnis zum linken Flügel der Partei und zur SPD-Basis wird nicht besser. Steinbrück nennt seine Parteikollegen schon mal "Heulsusen", wirkt in der Partei immer mehr wie ein Fremdkörper. 

"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden", hat Steinbrück deshalb einmal gesagt. In diesem Punkt zumindest hat er sich geirrt.

Peer Steinbrück, Angela Merkel

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Steinbrück, seit Ende der großen Koalition wieder einfacher Abgeordneter, dazu Buchautor und Vortragsreisender, wird 2013 gegen Angela Merkel antreten. Alle parteiinternen Gegner hat er noch nicht von sich überzeugt. Der kühle Hanseate wird eine Herausforderung für Angela Merkel werden - und bleibt wohl eine für seine Partei.

Doch seine Themen sind inzwischen sozialdemokratischer geworden: Kampf gegen die Spaltung der Gesellschaft, höhere Belastung der Reichen, Verfolgung deutscher Steuerflüchtlinge und natürlich: Entmachtung der Banken und Spekulanten. Die nervösen Reaktionen der Union zeigen: dieser Gegner wird ernstgenommen.

Altkanzler Helmut Schmidt und Peer Steinbrück

Quelle: dpa

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Und damit zurück zu Helmut Schmidt. "Er kann es", hatte der Altkanzler und qualmende Weltweise 2011 über den inzwischen 66-jährigen Steinbrück gesagt - und sich damit vorzeitig zum ersten Wahlkämpfer Peer Steinbrücks aufgeschwungen.  "Zug um Zug", so heißt das Buch, das die beiden politischen Freunde und passionierten Schachspieler gemeinsam veröffentlicht haben. Das Ziel ist jetzt klar: Merkel mattsetzen.

SPD Bundestagsfraktion

Quelle: dpa

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Doch das ist zunächst gar nicht so einfach, wenn der Kandidat im Wahlkampf vor allem mit sich selbst zu kämpfen hat. Kaum ist die Debatte um seine Vortragshonorare schwächer geworden, macht Steinbrück mehr mit Pannen denn mit Politik von sich reden. Seine Aussage, das Kanzlergehalt sei niedrig, der von Unternehmern finanzierte "Peerblog" oder sein außenpolitischer Fauxpas, italienische Politiker als Clowns zu bezeichnen, sind nur eine Auswahl.

Peer Steinbrück

Quelle: dpa

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Trotzdem scheint die Kritik Steinbrück nicht zu beeindrucken - bis zum kleinen Parteitag der SPD. Dort wird er bei einem gemeinsamen Auftritt mit seiner Frau Gertrud auf die Kritik an seiner Person angesprochen und kann seine Tränen nur mit Mühe zurückhalten.

Pk zu Mindestlohn in Berlin

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Im Juli steht dann mal wieder die Politik und nicht die Person Steinbrück im Mittelpunkt. Gemeinsam mit der Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt stellt der Sozialdemokrat ein Mindestlohn-Konzept vor. Falls Rot-Grün nach der Wahl regiert, sollen schon im Februar 2014 alle Arbeitnehmer mindestens 8,50 Euro in der Stunde verdienen. Finanzpolitiker Steinbrück nennt den Mindestlohn ein "eigenes Konjunkturprogramm", schließlich habe der Staat Mehreinnahmen durch steigende Steuern und Sozialbeiträge.

Steinbrück auf Wahlkampfreise

Quelle: Hannibal Hanschke/dpa

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In der letzten Phase des Wahlkampfs werden die Pannen etwas weniger. Doch die Umfragewerte sprechen trotzdem nicht für einen Regierungswechsel. Im August 2013, zwei Monate vor der Wahl, liegt nicht nur die SPD in der Wählergunst deutlich hinter der CDU. Auch im direkten Vergleich mit Merkel schneidet Steinbrück (hier in einem Reisebus auf Wahlkampfreise) schlecht ab.

Bundestagswahl 2013

Quelle: dpa

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Gar nicht mal so schlimm: Mit knapp 26 Prozent geht die Bundestagswahl für die SPD glimpflich aus - und das trotz Steinbrücks Stinkefinger im SZ-Magazin kurz vorher. Einen Kanzler Steinbrück wird es trotzdem nicht geben. Vielleicht Minister unter Merkel? Auch dafür stehe er nicht zur Verfügung, hat der SPD-Spitzenmann noch am Wahltag verkündet.

© Süddeutsche.de/olkl/rus
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