SPD im Umfragetief:Gabriels Last

Lesezeit: 2 min

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel auf dem Parteitag der Nord-SPD zusammen mit Ministerpräsident Torsten Albig (rechts) und dem Landesvorsitzende Ralf Stegner. (Foto: dpa)
  • Vizekanzler Sigmar Gabriel bestreitet, dass er die Bundestagswahl 2017 schon verlorengegeben hat.
  • Doch auch, wenn er den Satz, mit dem ihn der Spiegel zitiert, nicht gesagt hat: richtig ist er wohl dennoch.

Von Thorsten Denkler

Neumünster hoch im Norden ist an diesem Samstag der Mittelpunkt der sozialdemokratischen Welt. Die Schleswig-Holstein-SPD kommt zu ihrem Landesparteitag zusammen. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel kam. Und er hatte einiges zu erklären.

Zum Beispiel, wieso er glaubt, dass die SPD die Wahl 2017 nicht gewinnen wird, dass es "sehr lange dauen kann, bis wir wieder den Kanzler stellen". So zitiert ihn der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.

Der Satz soll Anfang Februar auf einer Klausur des SPD-Bundesvorstandes gefallen sein. Gabriel will ihn nicht gesagt haben. Auch in Neumünster wies er den Spiegel-Bericht zurück. Gabriel sprach von Quatsch und sagte, der Spiegel sei "manchmal eher ein Satiremagazin". In der Bild hatte er schon am Vortag gefragt: "Wie käme ich dazu, eine Wahl verloren zu geben, die erst in zweieinhalb Jahren stattfindet?"

In der Tat, das wäre ungewöhnlich. Und widerspräche allen Regeln der Wahlkampfkunst. Die erste Regel nämlich lautet: Wer nicht an den Sieg glaubt, der hat schon verloren. Der Satz aber ist jetzt in der Welt.

Abgrenzen, angreifen, Profil zeigen

In Neumünster hat der umtriebige SPD-Vize und Landeschef Ralf Stegner gesprochen, der mit ordentlichem Ergebnis (81,9 Prozent) wieder zum Chef der Nord-SPD gewählt wurde. Die SPD sei 2017 auf keinen Fall chancenlos, sagte er. Sie habe allerdings nur dann eine Chance, wenn die Menschen die Unterschiede zur Union wahrnähmen. Das passt ganz in die Linie Stegners, der - im Gegensatz zu Gabriel - allzeit bereit ist, der Union im Bund an den Kragen zu gehen. Koalitionsdisziplin hin oder her.

Ihm gibt eine Studie Recht, die in eben jener Vorstandsklausur präsentiert wurde, in der Gabriel die Wahl 2017 verloren gegeben haben soll. Demnach hat die SPD ein erhebliches Imageproblem und findet neben den Koalitionspartnern CDU und CSU kaum statt. Eine Lösung: abgrenzen, angreifen, Profil zeigen. Die Studie hätte auch von Stegner stammen können.

Selbst wenn Gabriel nicht wörtlich gesagt hat, die SPD werde sehr lange nicht mehr den Kanzler stellen: Richtig ist der Satz wohl dennoch. Das liegt vor allem an Kanzlerin Angela Merkel. Ihre Umfragewerte sind stabil hoch, die Menschen scheinen ihr blind zu vertrauen. In großen Krisen von der Ukraine bis Griechenland profiliert sie sich als versierte Weltstaatsfrau, die die deutschen Interessen nicht aus dem Blick verliert. Das gefällt.

Im ZDF-Politbarometer führt Merkel souverän die Top-Zehn der wichtigsten Politiker an. In der an diesem Freitag veröffentlichten Umfrage erreicht sie mit 2,8 Punkten ihren persönlichen Bestwert. Die Skala reicht von Minus fünf bis plus fünf. Der erste Sozialdemokrat auf der Liste ist der beständige Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit 1,9 Punkten. Gabriel liegt auf Platz fünf mit 1,2 Punkten.

Noch deutlicher schneidet die Union in der Sonntagsfrage ab: Sie kommt - wie schon seit bald zwei Jahren - mit 43 Prozent stabil über einen Wert von 40 Prozent. Die SPD kommt auf lediglich 24 Prozent. Rot-Rot-Grün wäre derzeit selbst rechnerisch nicht mehr möglich.

Was die Linke nicht hindert, nachzutreten. Fraktionsvize Dietmar Bartsch legte Gabriel in der Mitteldeutschen Zeitung den Rücktritt nahe: "Ein Vorsitzender der SPD, der für seine Partei nicht mehr die Kanzlerschaft anstrebt, sollte aufhören." Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer der Linken erklärte, es werde niemanden überraschen, "aber ich wollte es dann doch noch mal sagen: Die Linke hat die Bundestagswahl 2017 nicht verloren gegeben".

Das ist natürlich wohlfeil. Die Linke ist ebenso ein Schlüssel dazu, Merkel abzulösen, wie die SPD. Die Partei müsste sich inhaltlich und personell erneuern. Die SPD irgendwie wieder auf 30 Prozent kommen.

Beides ist nicht abzusehen. Die SPD hat es weder vor noch nach der Bundestagswahl 2013 geschafft, gegen Merkel einen wirksamen Hebel anzusetzen. Ihre Macht, ihre Beliebtheit ist unumstritten und ungebrochen. Die SPD dagegen ist festbetoniert auf einem 25-Prozent-Sockel. Und solange die Linke ist wie sie ist, wird es auch mit rot-rot-grün nichts. Selbst wenn es rechnerisch reicht.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: