SPD:Genervt in der Generalprobe

Linker SPD-Flügel tagt in Magdeburg

"Wofür war jetzt der Applaus?", fragt Justizminister Heiko Maas (rechts). Neben ihm grübelt in Magdeburg SPD-Vize Ralf Stegner.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

Heiko Maas muss die Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD-Konvent verteidigen. Vor Parteilinken in Magdeburg übt der Bundesjustizminster schon mal. Die Tonlage ist gereizt.

Von Christoph Hickmann, Magdeburg

Das Ende der Sitzungswoche hätte Heiko Maas sich wohl etwas erfreulicher vorstellen können. Am Dienstag musste der Justizminister seinen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung gegen die Kritik von Parteifreunden in der SPD-Fraktion verteidigen, am Freitagvormittag setzte er sich bei der ersten Lesung im Bundestag gegen die Vorwürfe der Opposition zur Wehr. Nun steht Maas im Alten Theater in Magdeburg und verteidigt was? Genau, die Vorratsdatenspeicherung.

Der Minister ist zur "Magdeburger Plattform" gekommen, zur Jahreskonferenz der SPD-Linken, sein Auftritt hier ist eine Art Generalprobe für das, was ihm am kommenden Samstag bevorstehen dürfte. Da treffen sich in Berlin die Delegierten des SPD-Parteikonvents, auf der Tagesordnung steht auch die Vorratsdatenspeicherung, erwartet wird eine mindestens kontroverse Debatte. Am liebsten hätte die Parteispitze das Thema gar nicht behandelt, doch dann stapelten sich die Anträge, allesamt gegen das Vorhaben. Am Ende wird sogar abgestimmt, was die Führung eigentlich unbedingt vermeiden wollte.

Ihrer Logik nach hätte zwar selbst eine Mehrheit gegen die Vorratsdatenspeicherung rein formal keine Wirkung, weil sich 2011 ein Parteitag und damit das höhere Gremium für das umstrittene Instrument ausgesprochen hat - doch politisch ist klar, dass Maas im Fall einer Ablehnung ebenso schwer beschädigt wäre wie Parteichef Sigmar Gabriel, der ihn zu diesem Gesetzentwurf gedrängt hat. Der Auftritt am Freitagabend in Magdeburg ist für Maas also durchaus bedeutsam - zumal die SPD-Linken dem Vorhaben tendenziell besonders kritisch gegenüberstehen.

Der erste Redner unterstellt Parteichef Gabriel "ein mieses moralisches Grundgerüst"

Maas beginnt mit seinem Standardvortrag, in dem er darauf verweist, dass bereits jetzt Verbindungsdaten gespeichert würden, dass in seinem Gesetzentwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigt seien und dass seine Pläne nichts mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun hätten, "wie es sie mal in Deutschland gegeben hat und wie es sie in anderen europäischen Staaten gibt". Dann sind die Genossen dran, Parteivize Ralf Stegner moderiert. Schon der erste Redner legt gut los.

Es gehe den Staat "einen feuchten Kehricht an", mit wem er telefoniere und wo, sagt der Mann, der sich als Mitglied aus dem Ortsverein Magdeburg-West vorstellt. Dann widmet er sich Parteichef Gabriel, ohne ihn beim Namen zu nennen: Wer unter anderem die Morde von Utøya in Norwegen zur Rechtfertigung der Vorratsdatenspeicherung benutze, der habe "ein mieses moralisches Grundgerüst".

Damit ist die Tonlage gesetzt, Rednerin um Redner greifen Maas und sein Vorhaben mal mehr, mal weniger scharf an. Eine Genossin wirft der Parteispitze "Arroganz" vor, in einem anderen Beitrag heißt es, die "Glaubwürdigkeit" der SPD stehe infrage, und ein Redner aus Bayern sagt, man werde doch sowieso "bloß verarscht".

Der Justizminister wirkt gereizt. Ist das die richtige Tonlage, um die Genossen zu überzeugen?

Da hat Maas endgültig genug. "Wofür war jetzt der Applaus?", fragt er in die Runde. Dafür, dass die große Koalition falsch sei? "Alles falsch, oder?" Maas ist jetzt gereizt. Er habe manchmal den Eindruck, sagt er, man müsse sich noch für all das entschuldigen, was man in der Regierung durchsetze. Es folgt ein Zwischenruf, in dem das Wort "Selbstbeweihräucherung" vorkommt, woraufhin Maas dem Genossen aus Bayern mit Blick auf die dortigen Wahlergebnisse ironisch entgegenhält, es sei ja sicherlich so, "dass jeder da, wo er sich engagiert, große Mehrheiten erzielt". Er habe manchmal den Eindruck, dass aus der Kritik "so ein Stück Staatsverachtung spricht". Da verlässt der Bayer den Saal.

Zur Konferenz der Parteilinken kann jeder Genosse kommen, der sich berufen fühlt. Das wird am Samstag anders sein, der Konvent setzt sich letztlich aus Funktionären zusammen. Trotzdem dürfte Maas noch einmal darüber nachdenken, ob dies wirklich die richtige Tonlage ist. Abschauen könnte er sich etwas beim Altlinken Ernst Dieter Rossmann. Der Bundestagsabgeordnete ruft in Magdeburg zur Mäßigung auf: Es gebe ebenso ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wie auf Sicherheit - dazwischen gelte es eine Balance zu finden: "Der Radikalismus des einen Grundrechts ist keine linke Politik." Der Applaus dafür bleibt zwar spärlich. Doch immerhin gibt es welchen.

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