SPD:Gabriel spielt für Schulz den Ausputzer

Frühjahrsempfang der SPD

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Mittwoch in Berlin.

(Foto: dpa)
  • Nach dem Koalitionsauschuss verließ Kanzlerkandidat Martin Schulz Berlin frühzeitig.
  • Vorgänger Sigmar Gabriel musste die Abgeordneten über die Ergebnisse informieren.
  • Auf Seiten der SPD zeichnet sich damit mehr und mehr das Bild einer Arbeitsteilung zwischen Schulz und Gabriel im Wahlkampf ab.

Von Michael Bauchmüller, Nico Fried und Christoph Hickmann, Berlin

Am Morgen danach war Martin Schulz schon nicht mehr dabei. Als sich die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion wenige Stunden nach dem Ende des Koalitionsausschusses am Donnerstag in aller Frühe zur Sondersitzung trafen, da fehlte der Kanzlerkandidat und Parteichef. Stattdessen informierten Thomas Oppermann und Sigmar Gabriel die Abgeordneten über die Ergebnisse, also der Fraktionschef und der ehemalige Parteivorsitzende. Schulz hingegen verließ Berlin am Donnerstagmorgen - was zur Vorgeschichte dieses Koalitionsausschusses passte.

Zur Erinnerung: Erst hatte Schulz erklärt, er könne wegen eines Fests der SPD-Fraktion nicht teilnehmen. Die Union allerdings haute ihm das als recht plumpen Versuch um die Ohren, weiterhin möglichst auf Abstand zum Regierungshandeln zu bleiben. Daraufhin nahm Schulz dann doch teil - wofür eigens der Beginn des Treffens nach hinten verlegt wurde.

Im Koalitionsausschuss selbst soll Schulz dann gemeinsam mit Gabriel und Oppermann durchaus konstruktiv für die SPD verhandelt haben. Dass er aber am Morgen danach nicht vor die Fraktion trat, verfestigte nochmals den Eindruck, dass er um keinen Preis mit der großen Koalition in Verbindung gebracht werden will.

Ärger bei der SPD: bei wichtigen Themen keine Fortschritte gemacht

Tatsächlich war es kein angenehmer Auftritt, den an seiner Stelle Gabriel und Oppermann zu bewältigen hatten. Die Enttäuschung über die Ergebnisse brachte der Abgeordnete Hans-Joachim Schabedoth sinngemäß so auf den Punkt: Wenn man sich die Liste der Themen ansehe, dann sei das ja ungefähr so, als käme ein Schüler mit seinem Zeugnis nach Hause und habe in Sport, Religion und Kunst eine Eins - in Mathe, Deutsch und Latein aber leider eine Sechs. Was er meinte: dass es bei den für die SPD wichtigen Themen keine Fortschritte gegeben habe. Zu allem Überfluss, so schloss der Abgeordnete aus Hessen laut Teilnehmern, habe er dann gleich am Donnerstagmorgen auch noch Kanzleramtschef Peter Altmaier im Radio gehört - der die Erfolge der CDU ausbreitete - und sich prompt beim Rasieren geschnitten.

Bei den aus sozialdemokratischer Sicht bedeutsamen Themen handelte es sich vor allem um die Begrenzung von Managergehältern, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, die Solidarrente für langjährige Geringverdiener und die Ehe für alle. Bei diesem Thema machte der Abgeordnete Johannes Kahrs, der sich im Gegensatz zu manch anderem Genossen seit langer Zeit dafür einsetzt, seinem Ärger Luft und brachte einen Gruppenantrag als Option ins Spiel - also das Szenario, jenseits der Koalitionsdisziplin über Fraktionsgrenzen hinweg abzustimmen. Auf Unionsseite wurde indes genüsslich verbreitet, dass die SPD-Unterhändler sich nicht mehr groß verkämpft hätten, weil klar war, dass es keine Einigung mehr geben würde.

Zudem dürfte sämtlichen SPD-Abgeordneten klar sein, dass sich jene Themen, bei denen es keine Einigung gab, zum Teil bestens für den Wahlkampf eignen. Das gilt etwa für die Begrenzung der Managergehälter. Die Union ahnt die Gefahr und signalisiert, das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Streitpunkt ist, ob man die steuerliche Absetzbarkeit von Boni und Abfindungen begrenzt. Die SPD will das unbedingt, die Union verweist darauf, dass deren Effekt in anderen Ländern gering sei. Weitere Gespräche soll es auch beim geplanten Verbot des Versandhandels mit Arzneien geben. Hier verlaufen die Fronten zwischen den Fraktionen, aber auch quer durch die Parteien. Niemand will an einer schlechteren Arznei-Versorgung auf dem Land schuld sein. Auch ein Gesetz für ein Rückkehrrecht aus Teilzeit auf eine vorherige Vollzeitarbeitsstelle scheiterte vorerst. Noch ist aber nicht ausgeschlossen, dass weiter verhandelt wird - und am Ende ein weiterer Koalitionsausschuss entscheiden soll.

Ganz abschreiben muss SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks das Vorhaben eines neuen "Gebäudeenergiegesetzes". Es sollte verschiedene Gesetze rund um die Energieeinsparung in Häusern zusammenfassen, eine EU-Richtlinie umsetzen - und die "Vorbildfunktion der öffentlichen Hand" festschreiben. Genau auf diesen Passus aber konnte sich die Koalition nicht einigen. Unter anderem das Finanzministerium fürchtete unnötige Mehrkosten bei Bau und Sanierung öffentlicher Gebäude. Hendricks sprach von einem "Armutszeugnis". Schuld sei die "Blockadepolitik der Unionsfraktion". Die CDU keilte zurück: "Besser kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz", sagte Energiepolitiker Thomas Bareiß. "Wir wollen kein Gesetz, welches das Gebot der Wirtschaftlichkeit verletzt."

Und so fängt nun der Wahlkampf an - zu dessen Beginn sich auf Seiten der SPD mehr und mehr das Bild einer Arbeitsteilung zwischen Schulz und Gabriel abzeichnet. Schon in der turnusmäßigen Sitzung der SPD-Fraktion am Dienstagnachmittag hatte sich der gerade erst abgetretene Gabriel derart häufig und ausgedehnt zu Wort gemeldet, dass manche Teilnehmer ihn hinterher spöttisch als "geschäftsführenden Vorsitzenden" bezeichneten. Schulz allerdings scheint es gar nicht unrecht zu sein, dass ihm andere den Rücken freihalten.

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