SPD:Gabriel als Thesenritter

Der ehemalige Parteichef widerspricht sich selber gern.

Von Christoph Hickmann

Wenn Sigmar Gabriel, wie aktuell im Spiegel, Zustand und Ausrichtung der SPD beklagt, dann offenbart das ein interessantes Verständnis von Verantwortung - schließlich war er mehr als sieben Jahre lang ihr Chef. Vollends skurril wird es, wenn er bemängelt, in der SPD gebe es "zu viel Grünes und Liberales". Schließlich war er es, der erst den Grünen Wähler abjagen und dann "dem Liberalismus eine neue Heimat" in der SPD geben wollte, bevor er in seiner Spätphase den Patriotismus als Thema entdeckte. Trotzdem lohnt es, sich mit Gabriels Thesen auseinanderzusetzen.

Bei der Parteitagsrede seines Nachfolgers Martin Schulz gab es an zwei Stellen besonders kräftigen Applaus: als Schulz am Beispiel einer Schildkröte gegen die Vermüllung der Weltmeere wetterte. Und als er seine Partei für die Einführung der Ehe für alle feierte. Beides sind wichtige Themen. Trotzdem hat Gabriel recht, wenn er fragt, ob die Prioritäten der Delegierten im Saal eigentlich noch mit den Erwartungen derjenigen übereinstimmen, die man einst Stammwähler nannte.

Die SPD hat es einen Wahlkampf lang nicht geschafft, ihr anfangs so bejubeltes Schlagwort "Gerechtigkeit" auszubuchstabieren. Sie hat allenfalls rudimentäre Antworten auf die Fragen der Arbeitswelt von morgen. Und ja, sie war zuletzt zu sehr Kultur- und zu wenig Kümmererlinke. All das wird nicht unwahr dadurch, dass es ausgerechnet Gabriel sagt.

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