SPD:Eine junge SPD-Initiative plant die Revolution von unten

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SPD-Mitglied Verena Hubertz versucht die Partei zu kurieren. (Foto: Inga Kjer/imago)

"SPD ++" will die Partei "vielfältiger und durchlässiger" machen. Manche Ideen sind ein regelrechter Angriff auf die Macht des mittleren Funktionärsapparats.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Als Verena Hubertz 2009 in die SPD eintrat, stand sie vor einem ganz praktischen Problem. Die Sitzungen ihres damaligen Ortsvereins in Trier begannen stets um 18.30 Uhr - was für Hubertz, damals Praktikantin bei einer Bank in Luxemburg, zeitlich nicht ansatzweise zu schaffen war. "Mit meinem heutigen beruflichen Leben sind solche Zeiten erst recht nicht mehr vereinbar", sagt sie.

Seit die SPD am Sonntag auf 20,5 Prozent abgesunken ist, wird viel davon geredet, dass nun etwas passieren, die Partei sich erneuern müsse. Verena Hubertz, 29, Gründerin des Start-ups "Kitchen Stories", hat im Wahlkampf den Kanzlerkandidaten Martin Schulz unterstützt und gehört zu einer Gruppe jüngerer Mitglieder, die nun mit Vorschlägen aufwarten, was zu tun wäre. Und dazu gehört eben auch die Frage, ob politische Arbeit eigentlich zwingend im Ortsverein beginnen muss.

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"SPD ++" heißt die Initiative, gesprochen: SPD-plus-plus. "Wir wollen die SPD neu denken", heißt es im Aufruf zur Kampagne. "Die SPD braucht einen neuen Ansatz, Mitglieder einzubeziehen, die Partei vielfältiger und durchlässiger zu machen." Verena Hubertz sagt es so: "Wenn die vielen Neumitglieder, die im Wahlkampf dazugekommen sind, nicht in ein, zwei Jahren frustriert die Partei verlassen sollen, muss die SPD sich dringend verändern."

Mitglieder sollen sich für Themen engagieren können, die ihnen liegen - nicht nur für Parkbänke

Konkret fordern die Initiatoren etwa, "Themenforen" einzurichten, die online organisiert sein sollen. In den Foren sollen sich Mitglieder für jene Themen engagieren und überregional vernetzen können, zu denen sie Spezialwissen haben, etwa Umwelt oder Digitales - statt im Ortsverein auf Themen wie Parkbänke und Umgehungsstraßen festgelegt zu sein. "Wir wissen ja als Partei bis jetzt gar nicht, was für tolle Leute wir haben und ob vielleicht im Ortsverein in Bochum ein Mitglied mit ganz spezieller Expertise sitzt, von der aber die Gesamtpartei gar nichts mitbekommt", sagt der Software-Entwickler Henning Tillmann, einer der Initiatoren. Und die Themenforen sollen auch Delegierte zum Parteitag schicken dürfen. "Rechtlich ist das durchaus möglich", sagt Tillmann. Es wäre ein Angriff auf die Macht des mittleren Funktionärsapparats - also jene Kreisvorsitzenden und Unterbezirkschefs, die maßgeblich über die Zusammensetzung von Parteitagen entscheiden.

Weitere Anliegen der jungen Genossen: In den Führungsgremien sollen künftig 25 Prozent der Mitglieder jünger als 35 sein. Und: "Da Delegierten- und Listenplätze oftmals über Jahre von denselben Mitgliedern eingenommen werden, fordern wir, bei Neubenennungen 25 Prozent der Ämter und Plätze an Mitglieder zu vergeben, die diese Funktion bisher noch nicht in der Vorperiode ausgeübt haben."

Wie sie all das durchsetzen wollen? Auf der Netzseite Spdplusplus.de stehen von diesem Freitag an zu den einzelnen Forderungen Musteranträge, die für den Parteitag im Dezember eingereicht werden können. Außerdem haben die Initiatoren, die außerhalb der Partei nicht prominent sind, eine Reihe an Unterstützern gewinnen können. Dazu zählen Bundestagsabgeordnete wie der Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler, die Berlinerin Cansel Kiziltepe und Daniela Kolbe aus Sachsen. Auch der einstige Juso-Chef Björn Böhning, mittlerweile Chef der Berliner Senatskanzlei, gehört dazu.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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