SPD:Warum die SPD sich in der Flüchtlingskrise nicht entscheiden kann

Mal findet die SPD Transitzonen gut, mal sind sie "Haftzonen". Die Partei wirkt unentschlossen. Das liegt auch daran, dass zu ihren Anhängern auch die gehören, die Angst haben.

Von Christoph Hickmann

Sigmar Gabriel, so könnte man meinen, hat dieser Tage einen Lauf. Gerade erst hat er seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur erklärt, da wird er auch schon seine ungeliebte Generalsekretärin los. Dafür bekommt er eine neue, die gleich mit ihrem ersten Auftritt die Hauptstadtpresse für sich einnimmt. Und beim Thema Transitzonen zeigt Gabriel der Union mal, wo der Hammer hängt.

Man kann es aber auch so sehen: In Sachen Kandidatur bleibt ihm schon deshalb nichts anderes übrig, weil kein anderer Spitzengenosse will. Die künftige Generalsekretärin Katarina Barley hat ebenso wenig schon mal einen Wahlkampf organisiert wie die noch amtierende Yasmin Fahimi, weshalb das eigentliche Problem nicht gelöst ist.

Und im Streit über die Transitzonen darf man vor dem nächsten Gipfeltreffen an diesem Donnerstag sehr gespannt sein, wie die Sozialdemokraten hieraus einen Gewinn schlagen wollen.

Die Flüchtlingsfrage wird auch die kommenden Jahre dominieren

An den Transitzonen lässt sich das Grundproblem festmachen, das die SPD beim Thema Flüchtlinge hat - was schon deshalb ein gewaltiges Problem ist, weil die Flüchtlingspolitik das dominierende Sujet der nächsten Jahre sein wird.

Dazu ein kurzer Rückblick: Als das Thema Transitzonen kürzlich aufkam, waren namhafte Genossen zunächst nicht grundsätzlich abgeneigt. Es war eine Phase, in der Gabriel und andere versuchsweise einen härteren Ton anschlugen, mehr Richtung Restriktion, weniger Richtung Willkommen.

Das kam in den eigenen Reihen gar nicht gut an, es gab Gegenwind, seither sind die Transitzonen für die SPD "Haftanstalten". Dazwischen gab es mal wieder nichts.

Die SPD ist in der Flüchtlingspolitik innerlich zerrissen, weil sie Angst vor ihrer verbliebenen Anhängerschaft hat. Die besteht, grob eingeteilt, aus zwei Gruppen. Auf der einen Seite stehen diejenigen, deren Grundhaltung die offenen Arme sind. Sie sind meist akademisch gebildet und stellen einen guten Teil jener Funktionärsschicht, die sozialdemokratische Parteitage dominiert.

Die andere Gruppe besteht aus Menschen, von denen viele ohnehin mindestens latent unzufrieden waren und nun akut Angst haben, weil sie die Flüchtlinge vor allem als Bedrohung wahrnehmen, als Konkurrenz um Jobs und Wohnungen.

Konsistent ist die Politik der SPD nicht

Parteichef Gabriel weiß das sehr genau, weshalb er nun häufig betont, man dürfe diese Menschen bei allem Einsatz für die Flüchtlinge nicht vergessen. Eine konsistente Politik ergibt das noch nicht.

Ausgerechnet dadurch, dass Angela Merkels Umfragewerte sinken, tritt derzeit die wahre Schwäche der SPD zutage.

Bislang konnte sie sich ja stets mit dem Gedanken beruhigen, dass ihr Hauptproblem die Übermacht der geradezu unheimlich populären Kanzlerin sei - was im Umkehrschluss bedeutete, dass es, wenn sie eines Tages abtrete, schon wieder aufwärtsgehen werde. Nun bröckelt Merkels Beliebtheit, und die Union verliert in der Wählergunst. Aber die SPD bleibt bei 25 Prozent.

Das hat zwar nachvollziehbare strukturelle Gründe - etwa die Tatsache, dass die derzeitige Debatte Wähler eher nach rechts als nach links treibt. Außerdem wurden die Felder Sicherheit und Ordnung, auf denen die Union nun Schwächen offenbart, noch nie zu den Kernkompetenzen der SPD gezählt.

Trotzdem wäre es für die Sozialdemokraten möglich, sich in dieser Krise als Alternative anzubieten. Sigmar Gabriel müsste dafür jene Gabe nutzen, die er Angela Merkel voraushat: sein rhetorisches Talent. Kaum etwas wäre inmitten all der Verunsicherung so notwendig wie eine große Rede, die erklärt, wirbt, vielleicht sogar begeistert und zugleich in aller Härte auf das einstellt, was auf diese Gesellschaft noch zukommt.

Gabriel kann solche Reden halten. Voraussetzung wäre allerdings, dass er seine Position danach auch länger als zwei Wochen durchhält.

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