SPD:Partei der schlechten Laune

SPD: Gutes tun und schlecht darüber reden, niemand kann dies so trefflich wie die Sozialdemokraten: SPD-Chef Schulz, die Fraktionsvorsitzende Nahles und Hamburgs Bürgermeister Scholz auf dem Parteitag in Berlin.

Gutes tun und schlecht darüber reden, niemand kann dies so trefflich wie die Sozialdemokraten: SPD-Chef Schulz, die Fraktionsvorsitzende Nahles und Hamburgs Bürgermeister Scholz auf dem Parteitag in Berlin.

(Foto: AFP)

Sozialdemokraten lamentieren am liebsten darüber, was sie nicht erreicht haben. Es wäre höchste Zeit, dass man in der SPD nicht nur die Partei, sondern auch die Mentalität erneuert.

Kommentar von Detlef Esslinger

Was ist das Dringendste, worauf die SPD nun Wert legen sollte? Was soll sie tun, nachdem ihr Wahlergebnis näher an der Fünf-Prozent-Hürde liegt als an jenen 40,9 Prozent, mit denen 1998 zum bislang letzten Mal ihr Kanzlerkandidat tatsächlich das Kanzleramt eroberte? Soll ihr Vorsitzender, der am Donnerstagabend mit einem noch akzeptablen Ergebnis wiedergewählt wurde, sich nun in eine neue große Koalition begeben? Oder sollte er nach dem Ende der nun beschlossenen Gespräche mit der Union lieber das Experiment wagen, eine Minderheitsregierung Merkels zu tolerieren? Oder aber doch noch dem Bundespräsidenten die Zumutung auferlegen, Neuwahlen zu ermöglichen?

Verständlicherweise ist die Partei von Angst geprägt. Viele Mitglieder treibt die Furcht um: Egal, was sie tun - sie werden das nächste Mal ja doch wieder nur abgestraft von den Wählern.

Diese Angst ist berechtigt; allerdings aus ganz anderen Gründen als denen, die auch auf dem Parteitag wieder allzu oft genannt werden. Indem Delegierte Gespräche mit der Union schon deshalb ablehnen, weil mit ihr "keine sozialdemokratische Bildungspolitik" zu machen sei, oder weil sie mutmaßen, dass auch am Ende der nächsten Groko die Großaktionärin von BMW weiterhin nur 25 Prozent Abgeltungsteuer zahlt, der Schichtarbeiter jedoch 37 Prozent Einkommensteuer - indem sie so argumentieren, bringen sie schon die Saat für das nächste Desaster aus.

Das Grundproblem der SPD besteht nicht darin, was sie tut, sondern wie sie es tut

Das Grundproblem der SPD besteht nicht darin, was sie tut, sondern wie sie es tut. Es ist das ewige Hadern mit sich selbst, die ewige schlechte Laune, die unzerstörbare Liebe zur reinen Lehre und der Irrglaube, es sei grundsätzlich erstrebenswerter, null Prozent in der Opposition zu erreichen als 70 Prozent in der Regierung.

Seit 2013 gab es in Deutschland eine sozialdemokratische Regierung unter Moderation einer christdemokratischen Kanzlerin. Allerdings hat es die SPD geschafft, dass im Wahlkampf alle nur über die der Union zu verdankenden Mängel bei Mindestlohn und Mietpreisbremse diskutierten, aber keiner darüber, dass es diese Instrumente nun immerhin gibt; nach jahrelangem Druck der SPD. Gutes tun und schlecht darüber reden, niemand kann dies so trefflich wie die Sozialdemokraten.

Ludwig Stiegler, ihr früherer Fraktionschef im Bundestag, hat es auf den Punkt gebracht. Er fragte, wie eigentlich Wahlkampfhelfer und mögliche Wähler "den Hintern hochkriegen" sollen, wenn sie immer nur hören, was die Partei leider alles nicht erreicht habe. In der Tat, man wird mit der Union, zum Beispiel, keine sozialdemokratische Steuerpolitik machen können - umgekehrt wird man mit der SPD auch keine christsoziale Flüchtlingspolitik etablieren können. Wer jedoch in vier Jahren vor allem bejammern will, dass die BMW-Erbin immer noch keine Einkommensteuer zahlt, der sollte in der Tat an eine neue Koalition nicht einmal denken.

Es ist ja nun immer von der dringenden "Erneuerung der SPD" die Rede. Aber wie erneuert man Mentalität?

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