SPD: Debatte über Rente mit 67:Ein halbgarer Abschied

Mit ihrer Abkehr von der Rente mit 67 bringt die Parteiführung keine Ruhe in die SPD. Der Vorschlag mag Wählerstimmen bescheren. Doch die Enttäuschungen werden prompt folgen.

Susanne Höll

Mag sein, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seine Partei mit dem Kurswechsel bei der Rente mit 67 eigentlich befrieden wollte. Abgesehen von den Hartz-Reformen hat kein anderes politisches Thema die Sozialdemokraten und deren Wählerschaft so erbost und gekränkt wie diese Reform, die von Arbeitnehmern nicht ganz zu Unrecht als Rentenkürzung verstanden wird. Doch mit seiner Idee eines halben Abschieds vom höheren Rentenalter bringen Gabriel und seine Kollegen keine Ruhe in die Partei. Im Gegenteil.

Sigmar Gabriel

SPD-Chef Gabriel plant eine Abkehr von der Rente mit 67 - und bringt damit Unruhe in die Partei.

(Foto: AP)

In der SPD öffnen sich in diesen Tagen alte Gräben, die nach der schmerzhaften Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 zugeschüttet schienen. Vermeintlich Rechte befehden vermeintlich Linke, auf dem Parteitag im September dürfte der Zwist um die Lebensarbeitszeit das bestimmende Thema werden.

Und wenn es nach dem Willen Gabriels und des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier geht, soll die gesamte Partei in den nächsten Monaten debattieren, ob, wann und wie die Deutschen künftig länger arbeiten sollen.

Steinmeier, der am liebsten nichts bei der Rente mit 67 ändern würde, hofft offenkundig, dass in dieser Zeit innerparteiliche Einsicht einkehrt und die heutigen Kritiker sich eines Besseren besinnen. Doch ebenso gut könnte das Gegenteil passieren. Noch immer gibt es genügend Sozialdemokraten, denen Korrekturen nicht reichen, die zurück wollen zur Rente mit 65. Wenn tatsächlich ein Mitgliederentscheid in dieser Frage zustande kommen sollte, wäre die Antwort wohl klar und die Rente mit 67 dürfte aus dem sozialdemokratischen Programm verschwinden.

Schröder und der Ärger der Wähler

Aber selbst wenn der Parteitag im September eine Entscheidung über das Rentenprojekt trifft, wird das Thema Gabriel und die Seinen weiter verfolgen, jedenfalls dann, wenn die SPD in absehbarer Zeit wieder den Kanzler stellen sollte.

SPD: Debatte über Rente mit 67: Die Rente mit 67 - wurde von der großen Koalition als Antwort auf den wachsenden Anteil älterer Menschen in Deutschland beschlossen.

Die Rente mit 67 - wurde von der großen Koalition als Antwort auf den wachsenden Anteil älterer Menschen in Deutschland beschlossen.

(Foto: APN)

Der Vorsitzende steht bei seiner Partei im Wort: Dann muss er die Rente mit 67 aussetzen - andernfalls brüskiert er die Mitglieder. Wenn eine SPD-geführte Bundesregierung die schrittweise Erhöhung der Lebensarbeitszeit erst einmal stoppt, kann sie die nur schwer wieder einführen und muss dafür dann einen hohen Preis zahlen.

Keiner weiß das besser als Gerhard Schröder, der nach seiner Wahl zum Kanzler 1998 den demografischen Faktor der schwarz-gelben Vorgängerregierung außer Kraft setzte, der den Rentenanstieg bremste; wenige Jahre später musste er ihn durch eine ähnliche Regelung ersetzen. Schröder nannte die Rücknahme später einen großen Fehler; der Ärger der Wähler traf ihn hart.

Der Rentenvorschlag der SPD-Führung wird den Streit nicht lösen, der Zwist wird bestenfalls vertagt. Die Deutschen hatten gerade begriffen, dass sie künftig länger arbeiten müssen, wenn auch ihre Enkel noch ein Auskommen haben sollen. Die Gabriel-SPD weckt nun neue Illusionen.

Das mag ihr zunächst vielleicht Wählerstimmen bescheren. Die Enttäuschungen aber werden folgen.

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