SPD-Chef im Profil:Einigkeit und Beck und Mehrheit

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident ist zu Hause stark, weil er Härten vermeidet - im Bund tut er sich ungleich schwerer.

Christoph Hickmann

Das Festzelt vor dem deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach, Landkreis Südliche Weinstraße, wirkt an Christi Himmelfahrt nicht unbedingt wie ein Wohlfühlbiotop für Sozialdemokraten.

Kurt Beck

SPD-Chef Kurt Beck: "Er will einfach geliebt werden", sagt ein SPD-Mandatsträger. "Das ist hier eine emotionale Tankstelle für ihn, seit er den Job in Berlin auch noch macht."

(Foto: Foto: dpa)

Die Winzergenossenschaft Deutsches Weintor feiert ihr 50. Jubiläum und hat ehemalige wie aktuelle Mitglieder geladen, dazu Landräte, Bürgermeister, Abgeordnete und die pfälzische Weinkönigin.

An den Tischen dominiert Festgarderobe in gedeckten Farben, es gibt Carpaccio vom hausgeräucherten Saumagen mit Schalotten-Radieschen-Vinaigrette, und am Rednerpult spricht ein Mann über die Säulen des Landes Rheinland-Pfalz, zu denen, natürlich, der Weinbau gehöre.

Er spricht frei, er formt die Sätze breit, bedächtig und nur manchmal arg väterlich. Kurt Beck macht seine Sache gut.

Er macht sie gut, weil er jene Distanz verschwinden lässt, die es immer gibt zwischen Redner und Publikum, umso mehr zwischen einem Redner mit Becks Parteibuch und einem bürgerlich-ländlichen Publikum. Er schafft das mit einem einfachen Trick, er sagt: "Wir werden uns in den kommenden Jahren noch mehr mit Weinen aus anderen Anbaugebieten zu messen haben", und man stutzt, weil nicht mehr klar ist, von wem er spricht - von der Genossenschaft, den pfälzischen Winzern oder der Pfalz an sich?

Der Ministerpräsident modelliert in der knappen halben Stunde seiner Rede ein großes Wir in das Festzelt. Das ist exakt die Art, wie er in seinem Bundesland auch Politik macht.

Lob von Heiner Geißler

Beck, 58, regiert Rheinland-Pfalz seit zwölfeinhalb Jahren, seit einem Jahr mit absoluter Mehrheit. In seinem ersten Jahr als SPD-Vorsitzender ist das kaum aufgefallen. Das liegt daran, dass sich seine Äußerungen, etwa die Forderung, mit den Taliban zu verhandeln, eher für Schlagzeilen eigneten als die Kommunalreform zwischen Niederfischbach und Bad Bergzabern.

Es liegt aber auch an der Landespolitik Becks, die der CDU-Mann Heiner Geißler vor zwei Monaten in einem Interview so zusammenfasste: "Man kann nicht sagen, dass in Rheinland-Pfalz etwas schiefläuft." Grob betrachtet kann man das so stehenlassen. Doch Politik hat ein paar mehr Facetten, die nicht alle in diesen Satz passen.

Da ist die Sache mit den Kindergärten. Das letzte Jahr ist in Rheinland-Pfalz seit 2006 beitragsfrei. Zusätzlich, so hat es die SPD-Mehrheit inzwischen beschlossen, werden von 2008 an auch das vorletzte, 2009 alle drei Kindergartenjahre kostenlos sein. 2010 wird es zudem einen Rechtsanspruch auf Plätze für Zweijährige geben. Das klingt nach Familien-Eldorado.

Allerdings kostet das erste beitragsfreie Jahr bereits jetzt jährlich 27 Millionen Euro zusätzlich, und ab 2010 werden noch einmal bis zu 58 Millionen pro Jahr dazukommen. Gleichzeitig wird die Neuverschuldung in den Haushalten 2007 und 2008 um 126 und 106 Millionen Euro über jener des Haushalts 2006 liegen, dem letzten der sozialliberalen Koalition. Die Neuverschuldung 2007 liegt bei knapp einer Milliarde.

Beck zeigt vor den Kollegen im Bund gern auf sein Land: Schaut her, wir machen das längst! Ein Viertel unserer Schulen sind Ganztagsschulen, wir haben Gewinnbeteiligung für Arbeitnehmer! Es spricht dann auch der Mann, den bis vor kurzem alle Welt für den nächsten SPD-Kanzlerkandidaten gehalten hat. Und der, falls er es wird, 2009 ein Land voller zufriedener Bürger präsentieren will. Schulden zählen da nicht so sehr.

Einigkeit und Beck und Mehrheit

Es gibt für diese Politik noch einen weiteren Grund, man konnte ihn am vergangenen Freitag in der Mainzer Rheingoldhalle sehen. Rheinland-Pfalz feierte 60. Geburtstag, in der ersten Reihe saßen die Ex-Ministerpräsidenten Helmut Kohl, Bernhard Vogel, Carl-Ludwig Wagner, alle CDU, daneben Rudolf Scharping, SPD.

Das Land ist strukturell konservativ, die SPD kam 1991 an die Macht, weil die CDU sich in Grabenkämpfe verstrickt hatte, die sie bis heute lähmen. Inzwischen aber wählen die Menschen hier nicht mehr SPD, sondern die Kurt-Beck-Partei. Im Landkreis Südliche Weinstraße etwa, wo Beck an Christi Himmelfahrt seine Rede hält, holte die CDU bei der jüngsten Kreistagswahl 18 Prozentpunkte mehr als die SPD.

Bei der Landtagswahl 2006 lag sie 20 Prozentpunkte hinter ihr. Beck ist hier stark, so lange er das SPD-Logo im Hintergrund hält und eine Politik macht, die möglichst wenigen wehtut: Konsenspolitik. So wie in der Taxi-Debatte. Nach einer Verordnung von 1975 haben Taxis elfenbeinfarben zu sein. CDU und FDP beantragten, den Farbzwang aufzuheben. Die SPD lehnte ab, obwohl sie zunächst signalisiert hatte, den Antrag zu unterstützen. Mittlerweile hatte sie sich bei den Verbänden umgehört. Die waren dagegen.

Man kann das aus zwei Perspektiven betrachten. Die wohlwollende lautet: Fein, wenn Politik nicht am Bürger vorbei gemacht wird. Allerdings: Wer niemandem wehtun will, wird auch harte Schnitte nicht wagen. Die aber braucht es, um ein Schulsystem neu zu ordnen. Wie in vielen Ländern gibt es vor allem mit der Hauptschule Probleme.

In Ballungsgebieten gilt sie als Restschule, doch eine SPD-Regierung kann es hier kaum wagen, sie in Frage zu stellen. Sie meidet also die Debatte. "Wir können keine Schullandschaft am Reißbrett entwerfen, wir müssen vor Ort mit Kommunen und Eltern Lösungen finden", sagt Becks Bildungsministerin Doris Ahnen. Eine klare Linie ist das nicht. Aber konsensfähig. Ähnlich ist es mit den Studiengebühren: Rheinland-Pfalz gibt im Ländervergleich mit am wenigsten Geld pro Student aus, und kaum irgendwo sonst kommen mehr Studenten auf einen Betreuer. Doch das Studium ist gebührenfrei.

"Emotionale Tankstelle für ihn"

All das ist schwierig anzugreifen für die Opposition, die politische Auseinandersetzung bleibt meist auf Scharmützel wie jenes um den Festakt in der Rheingoldhalle beschränkt: Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dort nur Weine aus Hessen ausgeschenkt worden waren. Beck vergisst nie, die Weine seiner Heimat zu loben, deshalb ist die Sache peinlich. Aber kein Getöse im Landtag wert.

Beck hat derzeit nicht viel zu fürchten. Gerade erst kam die Landes-SPD bei der Sonntagsfrage auf 44 Prozent, beinahe so viel wie bei der Wahl 2006. All dies macht nicht demütig, und so entstehen Fehler: Im Februar schickte er Gerhard Herzog, einen ehemaligen Staatskanzlei-Mitarbeiter, in das Partnerland Ruanda, ohne dass jemand definiert hätte, was er dort sollte. Die Auslandszulage Herzogs, einst in den Skandal um verdeckte Spielergehälter beim 1. FC Kaiserslautern verwickelt und hoch verschuldet, wäre nicht pfändbar gewesen. Die Empörung war groß, Herzog kurz darauf zurück.

Beck fühlt sich hier sicher, er kann zu jedem Thema etwas sagen. Auch deshalb hat er sich wohl im März ohne Absprache zum geplanten Raketenschild der USA geäußert und damit viel Kritik geerntet. Die hat ihm wehgetan. "Er will einfach geliebt werden", sagt ein SPD-Mandatsträger. "Das ist hier eine emotionale Tankstelle für ihn, seit er den Job in Berlin auch noch macht."

In Schweigen-Rechtenbach kann man das am Ende noch einmal spüren. Es geht darum, dass die deutsche Weinkönigin nicht kommen konnte, weil sie in China ist. Beck sagt: "Wenn wir's dort hinkriegen, dass jeder dritte Chinese einmal im Jahr eine Flasche Wein trinkt, dann sind wir alle Sorgen los." Im Saal lachen sie, Beck grinst. Vielleicht hätte man in Berlin auch gelacht. Wahrscheinlich aber hätte eines dort eher seltsam geklungen: Das große Wir des Kurt Beck.

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