SPD-Chef Gabriel:Von "Siggi Pop" zum Retter der Partei

Zu laut, zu unstet, zu sehr auf das eigene Fortkommen fixiert - das war lange das Image von Sigmar Gabriel. Doch dann konnte sich der SPD-Chef profilieren.

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SPD Leadership Meets As Coalition Negotiations Continue

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Zu laut, zu unstet, zu sehr auf das eigene Fortkommen fixiert - das war lange das Image von Sigmar Gabriel. Dann wurde er SPD-Chef und Kandidat für die Rolle des Kandidaten der Partei für das Amt des Bundeskanzlers. Das wird jedoch nun jemand anderes: Martin Schulz.

Sigmar Gabriel mit Mutter Antonie

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Sigmar Gabriel kommt 1959 in Goslar zur Welt. Seine Eltern trennen sich, als er drei Jahre alt ist. Gabriel muss bei seinem autoritären Vater wohnen, bis seine Mutter sieben Jahre später das Sorgerecht für ihn erkämpft. Mit 18 Jahren entdeckt Gabriel, dass der Vater NSDAP-Mitglied war und nach dem Krieg Nazi geblieben ist. Gabriel ist zu diesem Zeitpunkt schon Mitglied der Falken, einer SPD-Jugendorganisation. 20 Jahre spricht er nicht mit seinem Vater.

Die Öffentlichkeit erfährt erst viel später vom Nazi-Vater des SPD-Politikers. Als eine rechtsradikale Zeitung 2011 über den kranken Walter Gabriel und seinen herzlosen Sohn Sigmar schreibt, greifen auch andere Zeitungen das Thema auf. Gabriel äußert sich nicht - bis zum Tod des Vaters 2012. Der Zeit erzählt er schließlich von seiner schweren Kindheit im Haus des Vaters, der Unmöglichkeit einer Beziehung zu ihm - und der großen Dankbarkeit gegenüber seiner Mutter Antonie. Das Bild zeigt Mutter und Sohn nach der Wahl Gabriels zum niedersächsischen Ministerpräsidenten im Jahr 1999.

SIGMAR GABRIEL

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Das Interesse für Politik packt Gabriel schon als Teenager. "Mädchen und Politik" hätten seine Flegeljahre als Jugendlicher beendet, sagt er heute. Den Falken folgt schnell die SPD, dann die Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft ÖTV und der Arbeiterwohlfahrt. Gabriel studiert in Göttingen Politikwissenschaft, Germanistik und Soziologie, er wird Lehrer. Nach ersten politischen Ämtern in seiner Heimatstadt Goslar zieht Gabriel 1990 in den niedersächsischen Landtag ein.

Dort trifft Gabriel auf den Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder, der den rhethorisch begabten Jungpolitiker fördert. In der Partei ist Gabriel allerdings umstritten: Er gilt als laut, unstet - und zu sehr auf sein eigenes Fortkommen fixiert. Darin ist er Schröder gar nicht so unähnlich...

VEREIDIGUNG SIGMAR GABRIELS ALS MINISTERPRÄSIDENT NIEDERSACHSENS

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...weshalb Sigmar Gabriel schnell dessen Platz im Landtag einnimmt: Mit 40 Jahren wird Gabriel Ministerpräsident Niedersachsens - der jüngste Landeschef der Republik. Doch der Fall kommt so schnell wie der Aufstieg. Bei der Landtagswahl 2003 verliert die niedersächsische SPD 14 Prozentpunkte, Ministerpräsident wird der CDU-Politiker Christian Wulff. Gabriel, mehr als drei Jahre die große Nachwuchshoffnung seiner Partei, muss in die Opposition und verschwindet - zunächst - in der politischen Bedeutungslosigkeit.

ORDEN FÜR FRITZ RAU

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Gabriels Abwahl gilt als seine größte Niederlage. Als er in Berlin auch noch gegen Schröders Agenda 2010 nörgelt, vergrault er auch die letzten Unterstützer. Sein einstiger Förderer Schröder wendet sich von ihm ab - und ernennt Gabriel zum "Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs der SPD". Gabriel, hier im Bild mit Udo Lindenberg (3.v.r.), Peter Maffay (2.v.r.) und Klaus Meine von den Scorpions (1.v.r. ) wird als "Siggi Pop" verspottet. In Berlin macht man sich auch über seine Leibesfülle lustig. Gabriel kontert: "Lieber dick als doof."

KABINETT SCHRÖDER GABRIEL

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Mit seinem früheren Vorbild Schröder spricht Gabriel in dieser Zeit kaum noch. Dafür wird das Verhältnis zum damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering enger. Der holt Gabriel aus seiner Krise, gibt ihm neue Aufgaben. Als Schröders Ära zu Ende geht und Merkel Kanzlerin wird, bricht auch für Sigmar Gabriel ein neues Kapitel an. 2005 macht Müntefering ihn zum Umweltminister der großen Koalition.

Merkel und Gabriel in Grönland

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Als Bundesumweltminister findet Gabriel langsam seine Rolle. Das neue Ressort gefällt ihm, mit Bundeskanzlerin Merkel kommt er gut aus. Er vermittelt erfolgreich im Kabinett und auf internationalen Konferenzen, wirbt dafür, den Klimaschutz als Chance zu begreifen. Er wettert gegen George W. Bush und verteidigt trotzdem manche Pfründe der deutschen Automobilindustrie.

Auch in seiner Partei macht er sich beliebt: Im Wahlkampf 2009 profiliert er sich als Verfechter des Atomausstiegs und schafft es mit Geschick und Gespür regelmäßig auf die Titelseiten der Zeitungen.

SPD-Präsidium

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Trotzdem erleidet die SPD bei der Bundestagswahl 2009 ein Debakel und erreicht mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (li.) nur 23 Prozent. Gabriel ist der einzige, dem danach zugetraut wird, die Partei aus der Krise zu führen. Er wird Parteichef. Das Verhältnis der beiden SPD-Spitzen gilt als schlecht. Der impulsive Gabriel passt nicht so recht zum bedächtigen Steinmeier.

SPD-Parteitag

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Lange ist nicht klar, wer von den drei SPD-Spitzenpolitikern Gabriel, Steinbrück und Steinmeier die SPD 2013 im Bundestagswahlkampf anführen wird. Das Konzept nennt sich Troika: ein Dreier-Führungsteam, um die vielen Personaldebatten möglichst lange unter Verschluss zu halten. Erst zu Beginn des Wahlkampfjahres will die SPD-Führung ihren Kanzlerkandidaten festlegen. Doch der Druck der Partei wird zu groß. Schließlich küren die Sozialdemokraten schon im September 2012 Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten.

Im Wahlkampf hat Gabriel wenig Glück. Mehrmals kracht es zwischen ihm und Steinbrück: Erst lehnt Steinbrück Gabriels Vorstoß zum Autobahn-Tempolimit ab, dann kritisiert der Kanzlerkandidat seinen Parteivorsitzenden öffentlich wegen mangelnder Loyalität im Wahlkampf. Doch die beiden Alphatiere fangen sich. "Reibung erzeugt Wärme", sagt Gabriel im Juni 2013 über sein Verhältnis zu Steinbrück. Doch auch seine Beziehung zu Steinmeier leidet unter dem nervenaufreibende Wahlkampf.

Fortsetzung Koalitionsverhandlungen von Union und SPD

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Trotz des mauen SPD-Ergebnisses von knapp 26 Prozent bei der Bundestagswahl gelingt es Gabriel, sich an der Parteispitze zu halten. Mit Angela Merkel handelt er den schwarz-roten Koalitionsvertrag aus. Angesichts der Zustimmung der SPD-Basis sagt Gabriel, er "war lange nicht so stolz, Sozialdemokrat zu sein".

Bundestag

Quelle: picture alliance / dpa

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Mitte Dezember 2013 wird Gabriel Bundesminister für Wirtschaft und Energie im Kabinett Merkel. Außerdem übernimmt er den Job als Vize-Kanzler. Auf dem Posten des Wirtschaftsministers ist er zuständig für Rüstungsexporte - ein heikles Feld, auf dem er sich gegen Kritik unter anderem mit dem Hinweis wehrt, viele Exporte wären noch vor seiner Amtszeit genehmigt worden. Sein Engagement für den Klimaschutz geht zurück - doch als für die Energiewende verantwortlicher Minister legt er sich immerhin mit den Kohlekraftwerksbetreibern an.

Pegida in Dresden

Quelle: dpa

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Anfang 2015 gesteht Gabriel den fremdenfeindlichen Demonstranten von "Pegida" noch zu, jeder dürfe deutschnational denken. Nach schweren Ausschreitungen gegen Flüchtlingsunterkünfte, insbesondere in Heidenau, kritisiert er die Verantwortlichen als rechtsextremes "Pack". Bei einem Protest in Dresden im Oktober 2015 stellt ein "Pegida"-Demonstrant einen Galgen mit den Namen von Gabriel und Merkel auf.

Nachdem 2015 die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, stark steigt, betont Gabriel das Grundrecht auf Asyl. Eine Obergrenze für Deutschland, wie sie die CSU fordert, sei unrealistisch. Ein Jahr später räumt er die Notwendigkeit einer Obergrenze ein - ohne sie näher zu bestimmen.

German Economy Minister Gabriel, leader of the Social Democratic Party, speaks with Schulz, top-candidate of SPD in this year's European parliamentary election, during a congress of the SPD European Parliament delegates in Berlin

Quelle: Reuters

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Ende Januar 2017 wollte der SPD-Chef in der Jahresauftaktklausur mit dem Vorstand festlegen, wer Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden soll. Gabriel hat schon vor Jahren seine Bereitschaft erklärt, die Aufgabe zu übernehmen. Und dabei ist er trotz schlechter Umfragewerte geblieben. Als mögliche Alternative zu ihm fallen die Namen Martin Schulz (Bild), bis vor kurzem noch Präsident des Europaparlaments, und Olaf Scholz, Erster Bürgermeister von Hamburg. Und tatsächlich: Kanzlerkandidat wird Schulz.

© Süddeutsche.de/ipfa/olkl/ebri/mcs
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