SPD-Chef Beck im Umfragetief:Die Wut wächst

SPD-Chef Kurt Beck wollte sich auf einer Sommerreise durch sein schönes Rheinland-Pfalz erholen. Doch dann lassen ihn die falschen Fragen vor Zorn erbeben.

Christoph Hickmann und Susanne Höll

Was am Mittwochabend um 23.15 Uhr in der Wasserburg Reipoltskirchen geschieht, hat sich lange zuvor angekündigt. Man hat es bereits ahnen können beim ersten Firmenbesuch dieses Tages, man hat es gespürt im Bus zwischen Waldmohr und Konken in der Westpfalz, dass da noch mehr bevorstand.

SPD-Chef Beck im Umfragetief: Sauer: SPD-Chef Kurt Beck

Sauer: SPD-Chef Kurt Beck

(Foto: Foto: dpa)

Dass da ein Mann nicht mehr in der Lage und wohl auch nicht mehr willens war, all das herunterzuschlucken, was in ihm gärte. Dass Kurt Beck irgendwann herausplatzen würde mit seinem Ärger, seiner Wut auf all jene, die er schon so lange im Verdacht hat, es auf ihn abgesehen zu haben. Die ein Spiel spielen, das er nicht mitspielen will, so sagt er das. Man hat den ganzen Tag über fühlen können, dass er kommen würde, dieser Ausbruch eines Mannes, der nur noch ein Ventil sieht für seinen Druck: raus damit, sofort.

Gut neun Stunden zuvor sieht alles noch aus, als könne dieser Tag verlaufen, wie Kurt Beck sich das wohl vorstellt. Sein Wagen rollt auf den Hof der Firma Minitec, Mittelständler, Hersteller von Systemlösungen für den Maschinenbau, 230 Mitarbeiter, Wachstum durchschnittlich 15 Prozent im Jahr. Es ist ein Musterbetrieb, und es ist der Auftakt zu Becks Sommerreise.

Er will an diesen beiden Tagen als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz auftreten, nicht mehr und nicht weniger. Er will Firmen besuchen, über Investitionen sprechen, über Ideen, die das Land nach vorne bringen könnten - und nicht über das, was in Berlin passiert und passiert ist, seit er vor zwei Jahren SPD-Vorsitzender wurde. Nicht über all die Querschüsse der vergangenen Wochen.

Der Reisetross bewegt sich hinein, im Foyer stellt sich der Firmengründer Bernhard Bauer hinter ein Mikrofon und redet. Er erzählt von einem Auftrag, den er an einem Samstag angenommen habe, innerhalb von wenigen Minuten hatte er dem Kunden ein Angebot gefaxt. "Sofort heißt bei uns sofort", sagt er. Kurt Beck mag solche Männer, selbst wenn dieser hier meint, keinen Betriebsrat zu brauchen.

Dann aber, als alle schon wieder draußen stehen, fragt einer den Firmengründer Bauer sinngemäß, ob Herr Beck und seine SPD eigentlich etwas falsch machten. Die Frage ist noch nicht fertig gestellt, als Beck sagt: "Schreiben Sie einfach, Beck macht alles falsch." Wobei, er das nicht einfach sagt, er drückt es aus sich heraus, mit Wucht. Schon da wird klar, wie sehr es in ihm rumort. Er gehe sich jetzt ein Wasser holen, sagt Beck noch. Dann könne Herr Bauer frei antworten.

Kurt Beck ist gekränkt, tief gekränkt nach den heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate. Nach den miserablen Umfragewerten, für ihn selbst, aber auch für die SPD. Ihn kränkt die Häme, mit der eigene Leute über ihn reden, ihn kränkt das - wie er meint - verzerrende, herabsetzende Bild, täglich neu gedruckt und gesendet.

Fehlender Respekt und Herabwürdigung

"Das geschieht in einer Massivität, wie sie aus meiner Sicht nur wenigen Personen entgegenschlägt", sagt er. Und wirkt fast ratlos. Er habe seine Fehler beim Kurswechsel im Umgang mit der Linkspartei eingestanden; er versuche, Schaden von der Partei fernzuhalten, verzichte auf Machtworte und suche die Auseinandersetzung in der Partei nur dann, wenn es absolut notwendig sei. Das aber, glaubt Kurt Beck, werde nicht honoriert.

Am späten Mittwochabend dann, in der Wasserburg, sitzt er am Tisch, hat gegessen und lange geredet. Es ist auch um die SPD gegangen, natürlich; und er hat geantwortet. Doch nun kommt es zum Eklat. Ein Journalist stößt hinzu, er stellt leicht ironisch eine Frage nach dem Zustand der SPD, ohne dass er dem Gespräch zuvor zugehört hatte. Und aus Beck bricht es heraus: Er beklagt, was er den ganzen Tag beklagt hat; es geht wieder um das Zerrbild, das man von ihm zeichne, um fehlenden Respekt, ja um Herabwürdigung - und darum, dass er sich all dies nicht mehr bieten lasse.

Er wird so laut, dass alle es hören und still werden. Es ist die Potenzierung all jener Gereiztheiten des Tages, die sich bündeln in diesem Ausbruch. Alle schweigen, während Beck weiterredet und beinahe den Eindruck macht, als sei er froh, dass es nun raus ist. "Jetzt ist es passiert. Und ich habe es bewusst gemacht", sagt Kurt Beck abschließend.

Die Wut wächst

Man kennt solche Ausbrüche von ihm, selbst in Rheinland-Pfalz, doch derart öffentlich und derart heftig hat es sie bislang hier nicht gegeben. Dieses Bundesland ist immer sein Refugium gewesen, sein Fluchtraum aus der Berliner Welt. Man kann das sehen am zweiten Tag seiner Reise, als er am Donnerstag die Albert-Schweitzer-Schule in Winnweiler besucht, gemeinsam mit seiner Bildungsministerin Doris Ahnen.

Zur Begrüßung klatschen und trommeln Kinder und Jugendliche, sie jubeln. Beck lächelt, er wirkt in diesen Augenblicken ausnahmsweise nicht gequält. Er ist stolz auf dieses Land, und solche Besuche sind auch Leistungsschau: Seht her, was wir alles auf die Beine stellen - eine Reform der Schulstruktur etwa, ohne dass ein halbes Land Sturm liefe.

"Beugen, das muss man sich nicht."

Man muss Beck attestieren, dass er seine Sache in Rheinland-Pfalz gut macht. Es gibt Pannen, es gibt Stolpersteine, Behäbigkeit und jene Arroganz, die nun einmal einhergeht mit absoluten Mehrheiten. Aber im Großen und Ganzen läuft es, auf jene Art eben, mit der Beck das ehemalige CDU-Land seit mehr als 13 Jahren bislang so unangefochten regiert hat: ruhig, bedächtig, möglichst viele zufriedenstellend und möglichst wenige vergrätzend. Mit der Landes-SPD funktioniert das ähnlich: Zumindest nach außen tritt sie weitgehend kollegial und geschlossen auf.

"Meine Hoffnung war, dass man in Berlin auch so etwas hinkriegen würde", sagt Beck. Das klingt fast verbittert. Doch er werde nicht aufgeben: "Resignativ bin ich nicht." Wer glaube, er werde sich ändern, habe sich getäuscht. Und dann hat er noch eine Botschaft vor der Sommerpause, die für seine SPD in diesem Jahr turbulent werden könnte: "Beugen, das muss man sich nicht."

Doch so sehr er auch versucht, aufrecht zu stehen - selbst in seinem Refugium bekommt er Gegenwind. Die CDU, gegen die er 2006 mit absoluter Mehrheit die Wahl gewonnen hat, ist in einer aktuellen Umfrage bis auf einen Prozentpunkt herangerückt an die rheinland-pfälzische SPD. Die neuesten Zahlen werden während der Reise bekannt, und nach den Gründen befragt spricht Beck von einem "Trommelfeuer" während der vergangenen zwei Jahre. Die Plage aus Berlin hat übergegriffen auf seinen Rückzugsort.

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