Spannungen zwischen USA und Ägypten:Gift für eine alte Beziehung

Ägypten ist seit 1979 einer der größten Empfänger amerikanischer Auslandshilfe. Weil das Land 19 amerikanische Stiftungsarbeiter vor Gericht stellen will, droht Washington nun mit dem Ende der Militärhilfe. Ägyptens Machthaber wiederum werfen den USA vor, die Unruhen im Land zu schüren.

Reymer Klüver, Washington

Ein Jahr nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak sind die Beziehungen zwischen Ägypten und den USA auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Zum ersten Mal in mehr als drei Jahrzehnten droht Washington mehr oder minder unverhohlen mit der Einstellung oder Reduzierung der milliardenschweren US-Hilfe, die bisher vor allem den ägyptischen Streitkräften zugutegekommen ist. Damit wäre einer der Grundpfeiler der amerikanischen Nahost-Politik in Gefahr.

Am Sonntag hatte die Militärregierung in Kairo die Krise weiter eskalieren lassen und angekündigt, 43 Mitarbeiter von politischen Stiftungen und Menschenrechtsorganisation, unter ihnen 19 Amerikaner, wegen illegaler Betätigung in Ägypten vor Gericht zu stellen.

Außenministerin Hillary Clinton sagte, sie habe ihren ägyptischen Kollegen Mohammed Amr persönlich am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz darauf hingewiesen, dass eine weitere Strafverfolgung der Stiftungsmitarbeiter die US-Hilfe in Frage stelle. Sie habe ihm sehr klar zu verstehen gegeben, dass die Angelegenheit "unsere gesamte Beziehung" beeinträchtigen könne.

Obama warnt Tantawi

Zusätzliche Brisanz erhält die Situation durch den Umstand, dass sich unter den 19 Amerikanern auch Sam LaHood befindet, der Sohn von US-Verkehrsminister Ray LaHood. Mit einer Anklage gegen ihn würden die ägyptischen Machthaber eine Grenze überschreiten, sagte der Ägypten-Experte Shadi Hamid vom Brookings Doha Center, und der US-Regierung kaum eine andere Wahl lassen, als mit Schärfe zu reagieren.

Tatsächlich warnte Präsident Barack Obama den Chef der ägyptischen Militärregierung, Feldmarschall Hussein Tantawi, schon vor knapp zwei Wochen vor Konsequenzen. Damit reagierte er auch auf zunehmenden Unmut im US-Kongress über die Behandlung der ausländischen Stiftungsmitarbeiter, die seit Wochen an einer Ausreise aus Ägypten gehindert werden. Ihre Büros waren im Dezember durchsucht, Computer und Akten beschlagnahmt worden. Drei der 19 Amerikaner hatten sich vor kurzem aus Furcht vor einer möglichen Festnahme in die US-Botschaft in Kairo geflüchtet.

Der einflussreiche demokratische Senator Patrick Leahy, der Vorsitzende des für die Genehmigung der Auslandshilfe zuständigen Unterausschusses im Senat, sagte am Freitag, dass die "Zeit der Blankoschecks vorüber" sei. Ebenfalls in der vergangenen Woche hatten 40 Kongressabgeordnete Tantawi in einem Brief vor Konsequenzen gewarnt. Ägypten soll in diesem Jahr mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar Hilfe bekommen, 1,3 Milliarden davon für das Militär.

Kairo erteilte Wahlbeobachtern keine Lizenz

Ägypten ist seit dem Abschluss des Friedensvertrags mit Israel 1979 einer der größten Empfänger amerikanischer Auslandshilfe. Der US-Kongress knüpfte die Auszahlung der Hilfe im vergangenen Jahr allerdings an Bedingungen. Danach muss das US-Außenministerium offiziell bestätigen, dass das Land Fortschritte bei der Demokratisierung macht - eine Bescheinigung, die es schwerlich erteilen könnte, wenn Amerikaner in Ägypten vor Gericht stehen, weil sie politischen Organisationen in dem Land geholfen haben.

Zwei der neun Stiftungen und Organisationen, gegen die die ägyptischen Behörden vorgehen, sind direkt mit den beiden großen US-Parteien verbunden: Das National Democratic Institute steht den Demokraten nahe; die Vorsitzende ist Ex-Außenministerin Madeleine Albright. Das International Republican Institute ist das Gegenstück auf republikanischer Seite; Vorsitzender ist Senator John McCain. Beide Stiftungen haben die Demokratieförderung und die Unterstützung von Bürgerrechtsorganisationen im Ausland zur Aufgabe.

"Ausländische Machenschaften"

Die Organisationen waren im Herbst von den ägyptischen Behörden als Wahlbeobachter eingeladen worden. Eine Lizenz, die ihnen die Tätigkeit in Ägypten offiziell genehmigt hätte, wurde ihnen allerdings nicht erteilt. Sam LaHood, der Sohn des Verkehrsministers, ist als Vertreter des International Republican Institute in Kairo. In einer Erklärung warf die Organisation den Machthabern in Kairo vor, "das Wachstum der ägyptischen Zivilgesellschaft ersticken" zu wollen.

Das Außenministerium in Kairo wies US-Forderungen nach Einstellung der Verfahren mit dem Hinweis auf die Unabhängigkeit der Justiz zurück. Sprecher der Regierung haben Amerikanern mehrmals vorgeworfen, Geld unter anderem an Tagelöhner zu verteilen, um damit die Unruhen im Land zu befördern. Fayza Abul Naga, die Ministerin für internationale Zusammenarbeit, erklärte am Sonntag, dass Ägyptens Regierung nicht zögern werde, "ausländische Machenschaften aufzudecken, die die Stabilität unseres Heimatlandes gefährden". Sie hatte ihr Amt bereits unter Mubarak inne.

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