Spannungen und Friedensangebote:Wie der Nahe Osten zu Israel steht

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Der Felsendom in Jerusalem verziert die Maske eines Demonstranten. Ist Frieden in Sicht?

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman spricht Israel das Recht auf einen Staat zu. Damit ist das Land nicht alleine. Auch andere Staaten näherten sich Israel an.

Von Anna Reuß und Benedict Witzenberger

Es gleicht einer Sensation, was der Kronprinz Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman, verkündete: Ein Friedensabkommen zwischen den Parteien im israelisch-palästinensischen Konflikt sei notwendig. Außerdem sei er der Überzeugung, dass "die Palästinenser und die Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben", sagte der Kronprinz dem US-Magazin The Atlantic. Nach den israelisch-arabischen Kriegen der vergangenen Jahrzehnte wäre Saudi-Arabien einer der wenigen Staaten, die Israel formal anerkennen - allerdings nicht der erste. Ein Überblick.

Palästinensische Gebiete

Die Differenzierung in Israel und die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete fußt vor allem auf religiös definierter "Volkszugehörigkeit". Nach wie vor gibt es keine jüdische Mehrheit mehr in den von Israel kontrollierten Palästinensergebieten. Seit der UN-Teilungsresolution von 1947 hat sich das Ziel des Zweistaatenmodells größtenteils in der internationalen Gemeinschaft als bevorzugte Option durchgesetzt, den Konflikt dauerhaft regeln zu wollen. Der UN-Sicherheitsrat hat diesen Ansatz in Resolution 1397 vom März 2002 nochmal explizit bestätigt. Auch die Eckpunkte einer Zweistaatenregelung sind längst definiert. Dennoch kommt es immer wieder zu Ausschreitungen: Jüngst wurden am Freitag Palästinenser entlang der Grenze im Gazastreifen erschossen, nachdem sie auf den Grenzzaun zugelaufen und Reifen angezündet haben sollen.

Irak

Offiziell befinden sich die beiden Staaten nach wie vor im Krieg, seit der Irak 1948 im israelischen Unabhängigkeitskrieg Truppen mit insgesamt 18 000 Soldaten entsendete. 1967 kämpften irakische Militäreinheiten im Sechstagekrieg auf Seiten Ägyptens, Jordaniens und Syriens. Schließlich unterstützte der Irak auch während des Jom-Kippur-Krieges 1973 die Kriegsparteien Ägypten und Syrien. Seitdem hat der Staat keinen offiziellen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet - anders als etwa Ägypten und Jordanien. Saddam Hussein änderte an diesem Status Quo nichts. Schließlich bombardierte die israelische Luftwaffe 1981 das irakische Atomkraftwert Osirak, in dem die Entwicklung von Kernwaffen vermutet wurde. Auch als der Diktator 2003 stürzte, änderte sich an der Haltung Iraks gegenüber Israel nichts.

Ägypten

Beide Staaten unterhalten diplomatische Beziehungen. Nach dem Ende des Jom-Kippur-Kriegs bemühte sich der damalige ägyptische Präsident Anwar as-Sadat um Frieden mit Israel. Dafür erhielt er 1978 den Friedensnobelpreis, allerdings wurde er auch deshalb 1981 von islamistischen Attentätern ermordet. Ägypten war der erste Staat der Arabischen Liga, der den Staat offiziell anerkannte. Ägypten wurde deshalb von 1979 bis 1989 von der Liga suspendiert, die sie bis dahin noch anführte. Der Anführer der PLO und spätere Palästinenserpräsident Jassir Arafat sagte damals: "Lasst sie unterzeichnen, was sie wollen. Ein falscher Frieden wird nicht andauern." Zwar ist die Kooperation eng, dennoch wird die Beziehung als "kalter Frieden" bezeichnet: Der Hass auf Israel ist in den Köpfen vieler Ägypter nach wie vor präsent.

Jordanien

Mit der Friedenskonferenz von Madrid begannen 1991 bi- und multilaterale Verhandlungen. Zwei Jahre später kam es im Zuge des Oslo-Friedensprozesses auf dem Rasen des Weißen Hauses zum berühmten Händedruck zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin und Jassir Arafat. 1994 unterzeichneten Jordanien und Israel nach langen Geheimkontakten schließlich einen Friedensvertrag. Die Ereignisse dieser Jahre trugen in hohem Maße zur Entspannung mit weiteren arabischen Staaten bei. Die Beziehung der beiden Staaten verspannten sich jedoch spätestens 2017 wieder, als ein jordanischer Arbeiter einen Wachmann der israelischen Botschaft mit einem Schraubenzieher angriff und verletzte, und der Israeli daraufhin in Selbstverteidigung den Angreifer erschoss.

Syrien

Nach den Kriegen des 20. Jahrhunderts, in denen Syrien gegen Israel kämpfte, begannen 1992 unter der Schirmherrschaft der USA Friedensgespräche. Weil Syrien jedoch weiterhin auf die Rückgabe der von Israel besetzten Golanhöhen besteht, scheiterten die Gespräche 1999. Heute scheinen beide Staaten vom Frieden weiter entfernt denn je. Israel ist ein Akteur im Syrienkonflikt, weil die Regierung von Benjamin Nethanjahu eine Erstarkung der (libanesischen) Hisbollah befürchtet, die mit 10 000 Mann in Syrien auf Seiten des Regimes mit Irans und Russlands kämpft. Erstmals seit 1982 hat Israel im vergangenen Februar einen Kampfjet durch Feindeinwirkung verloren - durch die syrische Luftabwehr. Die israelische Luftwaffe antwortete mit Angriffen auf syrische Ziele.

Iran

Vor der Revolution in Iran war das Verhältnis beider Staaten freundschaftlich. Doch seit der (schiitischen) Revolution im Jahr 1979 betreitet Teheran wieder vehement das Existenzrecht Israels. Auch sieht Netanjahu im Engagement Irans in Syrien eine Bedrohung für den Staat Israel. Er will vermeiden, an seiner nördlichen Grenze einer iranischen Bastion gegenüberzustehen. Damaskus und Teheran sind seit dem iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) wichtige Verbündete. Das angespannte Verhältnis verschlimmerte sich weiter durch das iranische Atomprogramm und die aggressive Rhetorik des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad gegenüber Israel. Unter dem aktuellen Präsident Hassan Rohani hat sich dieser Duktus leicht, aber nicht entscheidend verändert.

Libanon

Iran nutze den Libanon zum Aufbau einer anti-israelischen und anti-westlichen Bewegung, der Hisbollah. Im Südlibanon hat die von Iran finanzierte Hisbollah in den 18 Jahren seit dem israelischen Rückzug aus dem Gebiet einen Staat im Staate errichtet. Iran nutzt die Organisation nicht nur zur Bekämpfung Israels, sondern auch für die militärische Ausbildung der palästinensischen Hamas. Schätzungen zufolge wird die Hisbollah seit ihrer Gründung mit 100 bis 200 Millionen US-Dollar von Iran unterstützt, wie es in einem Dokument des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags heißt. Doch auch Syrien hat im Libanon erheblichen Einfluss auf die Eliten. Israel befürchtet daher, dass die Hisbollah nach Ende des Krieges in Syrien gestärkt in den Libanon zurückkehrt und von dort Israel angreifen könnte. Das wäre nach 1982 und 2006 der dritte Krieg zwischen den Ländern.

Saudi-Arabien

Bereits 1948 kämpfte Saudi-Arabien im israelischen Unabhängigkeitskrieg gegen den neu gegründeten Staat Israel. Auch 1967, während des Sechstagekriegs, erhielten die arabischen Truppen Unterstützung des Königreichs. Zwar erkennt Saudi-Arabien Israel bis heute nicht an, dennoch gab es längst inoffiziell Kontakte zwischen den beiden Staaten. Gemäß der Idee "der Feind meines Feindes ist mein Freund", engagieren sich Saudi-Arabien und Israel bereits in Syrien auf einer Seite gegen das von Iran unterstützte Assad-Regime. Mussten sich Ägypten und Jordanien noch Vorwürfe wegen ihres Schulterschlusses mit Israel gefallen lassen, arbeiten heute Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate mit dem einstigen Erzfeind zusammen - bisher allerdings verdeckt. Mit seinen Äußerungen im Interview mit dem Magazin The Atlantic leitete der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman eine Kehrtwende ein: Das Königreich geht auf Israel zu und spricht dem Land das Existenzrecht zu.

Schon im Jahr 2002 war ein Beginn der Tauwetterperiode zu beobachten: Die Arabische Liga verabschiedete die sogenannte "arabische Friedensinitiative", mit dem Angebot, dass die Staaten zur Normalisierung ihrer Beziehungen mit Israel bereit seien - sofern sich Israel auf die Grenzen von 1967 zurückzieht und einen palästinensischen Staat anerkennt. Die Bedingung jedoch lehnte die israelische Regierung strickt ab, deshalb handelte es sich eher um eine Erklärung und weniger um eine echte Friedensinitiative. Dennoch war sie laut dem Magazin Aus Politik und Zeitgeschichte wegweisend, weil verschiedenste Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga erstmals Frieden mit Israel thematisierten. Die Initiative geht auf den Plan des damaligen saudischen Kronprinzen Fahd aus den Achtzigerjahren zurück, in der er beschrieb, wie sich die Saudis einen Frieden mit Israel vorstellen könnten.

Vereinigte Arabische Emirate

Zwar gibt es weder diplomatische Beziehungen, noch erkennen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Israel offiziell an. Dennoch werden auch in Abu Dhabi seit längerem mehr oder weniger heimlich Beziehungen zu Israel gepflegt. 2015 eröffnete Israel etwa eine Vertretung bei der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien mit Sitz in den VAE. 2010 besuchte erstmals ein israelischer Minister das Land. Wie Saudi-Arabien kooperieren die VAE mit Israel, um den Einfluss Irans in der Region zurückzudrängen. Im vergangenen Jahr tauchten erstmals Emails auf, die diese Zusammenarbeit beweisen.

Kuwait

Das Verhältnis zu Kuwait geriet erst vor wenigen Monaten in die Schlagzeilen, als einem israelischen Staatsangehörigen die Reise von Frankfurt in einem Flugzeug der Kuwait Airways verweigert wurde. Vor allem aber, als ein deutsches Gericht dies als rechtens bewertete. Die Beziehungen Kuwaits zu Israel, das im Sechstagekrieg die arabischen Staaten unterstützte, gelten als extrem angespannt: Israelischen Staatsangehörigen wird die Einreise verweigert. 2014 boykottierte Kuwait eine Konferenz zu erneuerbaren Energien in Abu Dhabi, weil Vertreter Israels angekündigt waren.

Katar

Das Verhältnis zwischen Katar und Israel wird in der Wissenschaft als einzigartig beschrieben. Katar unterhielt lange Zeit als einziger Golfstaat Beziehungen mit Israel und war der erste Staat des Golfkooperationsrates, der den Staat anerkannte. Seit 1996 beherbergte er etwa ein Handelsbüro Israels, für das Doha Kritik von seinen Nachbarstaaten einstecken musste. Diese Zeit der Annäherung war 2008 zunächst beendet: Wegen der israelischen Offensive im Gazastreifen wurden die Beziehungen stillgelegt, der israelische Handelsbeauftragte musste die Monarchie verlassen. Umgekehrt fand Israel Anstoß daran, dass sich Katar weiter an Iran annäherte.

Bahrain

Erst im Dezember besuchte eine Delegation aus Bahrain den Staat Israel - um eine Nachricht des Friedens von König Hamad bin Isa Al Khalifa zu überbringen. Dem war die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump vorangegangen, die US-amerikanische Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Zwar erkennt auch das kleine Königreich Bahrain das Existenzrecht des Staates Israel bislang nicht an, dennoch schrieb der Kronprinz Salman bin Hamad al-Khalifa 2009 in einem Beitrag in der Washington Post, dass die arabischen Staaten mehr mit Israel kommunizieren sollten, um den Friedensprozess voranzutreiben. Auch als 2016 der ehemalige israelische Präsident Shimon Peres starb, war Bahrain der einzige Golfstaat, der offenkundig sein Beileid aussprach.

Oman

Der Oman gilt in der Gemengelage des Nahen Ostens als diplomatischer Vermittler - zumindest möchte seine politische Führung diesen Ruf stärken. Bis heute hat Oman Israels Existenzrecht nicht anerkannt. Doch Handelsbeziehungen im geringen Maße gibt es. 1994 besuchte Yitzhak Rabin den Oman. Im Jahr 1996 beschlossen beide Staaten, Handelsvertretungen im jeweils anderen Land zu eröffnen. Doch schon 2000, nach der zweiten Intifada, wendete sich die öffentliche Meinung in Oman gegen Israel, sodass die Beziehungen stillgelegt und die Vertretung geschlossen wurde.

Jemen

Israel und das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land Jemen unterhalten keinerlei diplomatische Beziehungen. Israelische Staatsbürger, aber auch Personen mit israelischem Stempel im Pass, dürfen nicht in den Jemen einreisen. Das Verhältnis gilt als angespannt.

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