Spannung im Nahen Osten:Zeit für neue Zäune

Bedrohlicher als die iranischen Bombenpläne: Israel bereitet sich nach dem Gas-Lieferstopp auf den Zusammenbruch des Friedensabkommens von Camp David vor. Kalt war der Frieden zwischen Israel und Ägypten schon immer. Doch aus dem "Arabischen Frühling" wird für Israel der "islamische Winter".

Peter Münch, Jerusalem

Aus den Archiven holen sie nun wieder die Bilder hervor von damals, als der Frieden ausbrach. Drei Männer sind darauf zu sehen, die strahlend einen Bund geschlossen haben: in der Mitte Jimmy Carter, der US-Präsident, eingerahmt von Ägyptens Staatschef Anwar al-Sadat und dem israelischen Premierminister Menachem Begin. Heute aber wollen Israels Medien mit den Fotos vom historischen Friedensschluss anno 1979 zeigen, wie fern diese Zeiten sind - und wie bedrohlich die Gegenwart.

Ägyptisch-israelischer Friedensvertrag 1979

1979 unterzeichneten Ägyptens Präsident Anwar al-Sadat, US-Präsident Jimmy Carter und der israelische Ministerpräsident Menachem Begin (v.l.) den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag.

(Foto: dpa/dpaweb)

Kalt war dieser Frieden gewiss immer geblieben, nun aber sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern noch frostiger geworden. Der Stopp der Gaslieferungen von Ägypten nach Israel gilt vielen als Fanal. Selbst wenn offiziell betont wird, dies sei ein Streit ums Geld und keine diplomatische Krise, rüstet sich Israel nicht nur für einen drohenden Energie-Engpass, sondern auch für den Zusammenbruch des Friedensabkommens von Camp David.

Mit dem Sturz des ägyptischen Despoten Hosni Mubarak war für Israel die Zeit der Sicherheit vorbei. Während andernorts noch vom "Arabischen Frühling" geschwärmt wurde, warnte die Regierung in Jerusalem schon vor den Gefahren des "islamistischen Winters". Die Gaslieferungen aus Ägypten, 2005 vertraglich vereinbart und 2008 aufgenommen, wurden zum Gradmesser der Beziehungen. Schon bald nach Mubaraks Sturz im Februar 2011 war der erste Angriff auf die nach Israel und Jordanien führende Pipeline verübt worden; bis heute wurden 14 Bombenanschläge gezählt, die immer wieder zur Unterbrechung der Lieferungen zwangen.

Dass nun das für 20 Jahre geschlossene Abkommen von ägyptischer Seite aufgekündigt wurde, hat in Israel zu scharfen Reaktionen geführt. Finanzminister Juval Steinitz sprach von einem "gefährlichen Präzedenzfall, der einen Schatten auf die Friedensabkommen und die friedliche Atmosphäre zwischen Israel und Ägypten wirft".

Oppositionsführer Schaul Mofaz sieht die Beziehungen auf einem Tiefpunkt angekommen und fordert eine Reaktion der USA als Garantiemacht des Camp-David-Abkommens. Wie Israel bezieht auch Ägypten jährlich Milliardenhilfen aus Washington. Außenminister Avigdor Lieberman hatte zuvor bereits gewarnt, dass ihn die Lage in Ägypten noch weit mehr beunruhige als die Bedrohung aus Iran. Nun sprach er im israelischen Rundfunk davon, dass die Aufkündigung des Gasvertrags "kein gutes Zeichen" sei. Ungewohnt diplomatisch betonte er jedoch die Bedeutung des Friedensabkommens, das im nationalen Interesse beider Länder liege.

Niedergang der Beziehungen

Der Konflikt um die Gaslieferungen ist für die Israelis nur ein Indiz unter vielen für den Niedergang der Beziehungen. Einen Botschaftssitz in Kairo gibt es nicht mehr, seitdem ein wütender Mob im September 2011 die israelische Botschaft in der Innenstadt verwüstet hat. Israels Botschafter arbeitet seitdem aus Sicherheitsgründen gleichsam im Verborgenen und wird jeden Donnerstag für ein langes Wochenende ausgeflogen.

Große Sorgen macht der Regierung in Jerusalem zudem die Sicherheitslage auf dem Sinai. Von dort aus waren im August Terroristen nach Israel eingedrungen und hatten acht Menschen getötet; bei der anschließenden Verfolgungsjagd erschossen israelische Soldaten versehentlich fünf ägyptische Sicherheitskräfte. Jetzt wird nicht nur ein neuer Hochsicherheitszaun zwischen Israel und Ägypten errichtet, sondern auch über eine grundlegend neue Verteidigungsstrategie und die Verlegung zusätzlicher israelischer Truppen an die südliche Grenze diskutiert.

Neben dem politischen Schaden könnte die Einstellung der Gaslieferung für Israel auch, zumindest vorübergehend, sehr negative wirtschaftliche Auswirkungen haben. Vor dem Umsturz in Kairo bezog Israel ungefähr 40 Prozent seines Erdgases, das zur Stromerzeugung benutzt wird, aus Ägypten. Die zurückliegenden Liefereinschränkungen wegen der Anschläge auf die Pipeline haben bereits zu einer Erhöhung der Strompreise in Israel um ungefähr 20 Prozent geführt. Für den kommenden Sommer, in dem wegen der Hitze großer Energiebedarf besteht, wird mit Engpässen gerechnet.

Allerdings verwies Infrastrukturminister Uzi Landau auch darauf, dass Israel sich seit längerem auf einen Stopp der ägyptischen Lieferungen einstelle. Er kündigte verstärkte Anstrengungen an, um sein Land energiepolitisch unabhängig zu machen. Vor Israels Küste waren jüngst große Mengen an Erdgas entdeckt worden, die gemeinsam mit US-Firmen erschlossen werden. Eines der Gasfelder namens Tamar soll nun bereits von April 2013 an zu Israels Energieversorgung beitragen.

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