Spanien:"Wir sind die Comeback-Kids"

Der Separatist Carles Puigdemont geht als eigentlicher Sieger aus der Parlamentswahl in Katalonien hervor. Für Ministerpräsident Mariano Rajoy ist dessen Erfolg eine Demütigung.

Von Sebastian Schoepp

Spanien: „Entweder ändert Rajoy sein Rezept, oder wir ändern das Land“: Der nach Brüssel geflohene Carles Puigdemont packte seinen Kommentar zum Wahlausgang in eine Drohung an den spanischen Ministerpräsidenten.

„Entweder ändert Rajoy sein Rezept, oder wir ändern das Land“: Der nach Brüssel geflohene Carles Puigdemont packte seinen Kommentar zum Wahlausgang in eine Drohung an den spanischen Ministerpräsidenten.

(Foto: Virginia Mayo/AP)

Es ist ein glänzender, aber ziemlich nutzloser Sieg, den Inés Arrimadas da eingefahren hat. Die Andalusierin, die binnen einer halben Legislaturperiode zum Politstar Kataloniens aufstieg, hat das Kunststück vollbracht, ihre Partei Ciutadans (C's) bei den vorgezogenen Neuwahlen am Donnerstag zur stärksten Kraft der Region zu machen. Sie hat in einem harten Wahlkampf, in dem sie wegen ihrer Herkunft, ihrer Jugend, ihres Festhaltens an der Einheit Spaniens angefeindet und beleidigt wurde, die meisten Sitze im Parlament von Barcelona geholt, 37 von 135. Doch die 36-jährige Liberale hat keine Chance, eine Regierung zu bilden, weil die separatistischen Parteien zusammen die absolute Mehrheit haben.

Inés Arrimadas wird also wieder Oppositionsführerin. Sie wolle weiter für eine friedliche Koexistenz kämpfen, für einen gesunden Menschenverstand und ein Katalonien für alle Katalanen, sagte sie am Wahlabend. "Die pro-separatistischen Kräfte können niemals behaupten, für ganz Katalonien zu sprechen."

Der eigentliche Sieger der Wahl heißt Carles Puigdemont. Viele hatten ihn abgeschrieben nach der wirren Unabhängigkeitserklärung vom 27. Oktober, seiner Absetzung und der Flucht nach Belgien. Doch er vermochte es erfolgreich, von dort seinen Märtyrermythos durch eifriges Twittern zu zementieren, viele separatistische Wähler sehen in ihm einen verfolgten Helden und entlohnten seine bürgerliche Wahlplattform Junts per Catalunya mit dem stärksten Stimmenergebnis im Separatistenlager: das ergibt 34 Sitze.

Triumphierend sprach der Ex-Regierungschef am Freitag in Brüssel von einer Niederlage der spanischen Zentralregierung: "Die katalanische Republik hat über die Monarchie gesiegt." Das Wahlergebnis sei eine "Ohrfeige" für den Madrider Regierungschef Mariano Rajoy. "Entweder ändert Rajoy sein Rezept, oder wir ändern das Land." Sein Sprecher twitterte: "Wir sind die Comeback-Kids."

Es ist in der Tat absehbar, dass die separatistische Parlamentsmehrheit Puigdemont demnächst als Regionalpräsident wiederwählen wird. Die kleine linksalternative Partei CUP erklärte sich am Freitag dazu bereit, die Republikaner (ERC) versicherten, sie erwägten keine andere Option. Was dann passiert, ist eine Frage für die Juristen. Sollte Puigdemont spanischen Boden betreten, würde er wegen der gegen ihn anhängigen Anklage wegen Rebellion sofort verhaftet werden. Sein Abgeordnetenmandat könnte er trotzdem annehmen, auch in Abwesenheit.

Die Wahl zum Ministerpräsidenten würde allerdings laut Experten der Zeitung La Vanguardia seine Anwesenheit erfordern. Es könnte ihm so gehen, wie früher baskischen Abgeordneten, die wegen Terrorismus einsaßen: Man brachte sie zur Abstimmung aus der Zelle ins Parlament und nahm sie danach wieder mit. Puigdemont ließ am Freitag offen, ob er zurückkehre, kündigte aber an, er sei bereit für ein Treffen mit Regierungschef Rajoy - allerdings außerhalb Spaniens.

Mariano Rajoy

"Wichtig ist es nun, die Spaltung zwischen den Bürgern zu überwinden, die bis in die Familien hineinreicht."

Rajoy erteilte ihm solgleich eine Absage. Aus Sicht der spanischen Regierung ist Puigdemont nichts anderes als ein mit Haftbefehl gesuchter Gesetzesbrecher, der die Einheit des Landes gefährdet. Alle Versuche der Separatisten, den innerspanischen Regionalkonflikt zu internationalisieren, hat Madrid deshalb abgeblockt. "Niemand darf im Namen Kataloniens sprechen, der nicht ganz Katalonien im Sinn hat", sagte Rajoy am Freitag in einer Pressekonferenz in Madrid, was einer Zurückweisung des separatistischen Anspruchs gleichkam, allen Katalanen die Unabhängigkeit gewissermaßen aufzwingen zu können. Rajoy betonte, er werde es auch weiterhin nicht akzeptieren, wenn jemand gegen die Verfassung verstoße. Einer neuen Führung in Barcelona bot er Zusammenarbeit und Dialog an, allerdings müsse sie sich an die Gesetze halten.

Der Madrider Regierungschef hatte schon vor der Wahl wenig Zweifel gelassen, wie er verfahren würde, wenn die nächste Regionalregierung tut, was die letzte tat, nämlich eisern an der Unabhängigkeit festhalten. Er würde sie erneut absetzen. Dass sie weiter für eine "Republik Katalonien" eintreten, daran haben andererseits die Separatisten wenig Zweifel gelassen, auch wenn sich Meinungsverschiedenheiten abzeichnen. So hatten Vertreter der ERC, Puigdemonts alter Koalitionspartnerin, erkennen lassen, sie wollten keine Alleingänge mehr. Doch die ERC, die gehofft hatte, stärkste Partei zu werden, ist mit 32 Sitzen nur dritte Kraft.

Für Rajoy war die Wahl eine sehr bittere Niederlage. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als auf einen Sieg von Arrimadas zu hoffen, der er am Freitag persönlich gratulierte. Der katalanische Ableger seiner eigenen Volkspartei (PP) hatte keine Chance auch nur auf einen Achtungserfolg. Das Wahlergebnis übertraf Rajoys schlimmste Befürchtungen, die PP erreichte mit drei Sitzen nicht mal Fraktionsstärke in Barcelona. Rajoy konnte sich damit trösten, dass seine harte Haltung ihm im Rest Spaniens Zuspruch eingebracht hat. Seine PP und die C's sind laut Umfragen national im Höhenflug - was allerdings zeigt, wie stark die Polarisierung in Spanien durch den Katalonienkonflikt zugenommen hat. Die Debatte über die Einheit des Landes überdeckt alles, nationalistische Strömungen sind im Aufwind.

Spanien: Weiter nur Oppositionsführerin in Barcelona: Inés Arrimadas.

Weiter nur Oppositionsführerin in Barcelona: Inés Arrimadas.

(Foto: Josep Lago/AFP)

Die EU steht an der Seite Rajoys mit seinem Festhalten an der Verfassung, die keine Sezession einer Region gestattet - und auch keine Abstimmung darüber. Die EU-Kommission erklärte in einer ersten Stellungnahme, dass sich ihre Haltung "nicht ändern" werde. Auch die Bundesregierung bekräftigte, jede katalanische Regionalregierung müsse sich "auf dem Boden des Rechtsstaats und der spanischen Verfassung" bewegen. Es bleibe dabei, dass es sich bei dem Konflikt um "eine innerspanische Angelegenheit" handele, sagte eine Regierungssprecherin in Berlin. Der Vorsitzende des Kreises deutschsprachiger Führungskräfte in Spanien, Albert Peters, sagte zu rbb: "Wir werden mindestens zehn bis 15 Jahre Verunsicherung haben in diesem Land."

Auch die spanische Justiz handelt in Rajoys Sinne. Am Freitag wurde bekannt, dass die Ermittlungen wegen des Unabhängigkeitsprozesses auf weitere separatistische Politiker ausgeweitet werden. Sogar Teammanager Pep Guardiola vom englischen Fußball-Spitzenklub Manchester City muss sich wegen seines Engagements für die Kampagne angeblich vor der Justiz verantworten, das berichteten zumindest spanische Medien.

Die hohe Wahlbeteiligung änderte nichts an den Kräfteverhältnissen

Insgesamt zementierte die Parlamentswahl, bei der eine Rekordbeteiligung von 82 Prozent erreicht wurde, die tiefe Kluft innerhalb der katalanischen Bevölkerung. Die hohe Wahlbeteiligung änderte nichts an den Kräfteverhältnissen, das Ergebnis ist fast deckungsgleich zu dem von 2015. Die pro-spanischen Parteien gewannen mit 52 Prozent mehr Stimmen als die Unabhängigkeitsbefürworter. Dass letztere dennoch die Mehrheit im Parlament errangen, liegt am Wahlrecht, das Stimmen aus ländlichen Regionen stärker gewichtet, wo die Separatisten ihre Hochburgen haben.

In den großen Städten und an der Küste siegten eher die pro-spanischen Parteien. C's triumphierten in Barcelona und dort auch in den Arbeitervororten, wo die Zahl der zugewanderten spanisch Sprechenden besonders hoch ist. Das ist eine der vielen Absurditäten der katalanischen Wahl, denn eigentlich sind die C's alles andere als eine Arbeiterpartei, ihr Programm ähnelt eher dem der deutschen FDP. Weil sie an der spanischen Einheit festhalten, versuchen vor allem die Indepentisten immer wieder, die Ciutadans in die ganz rechte Ecke zu stellen. Dabei ist es Inés Arrimadas, die in Katalonien wegen ihrer südspanischen Herkunft angefeindet wird, und nicht nur im jetzigen Wahlkampf. Die ehemalige katalanische Parlamentspräsidentin Núria de Gispert forderte Arrimadas einst auf, sie solle doch zurück nach Andalusien gehen.

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