Spanien:Vierter Anlauf in Barcelona

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Das katalanische Parlament stimmt endlich über einen Nachfolger für Carles Puigdemont ab als Regierungschef der Region.

Von Thomas Urban, Madrid

Nach dem Verzicht des abgesetzten katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont auf eine Kandidatur für seinen bisherigen Posten steht an diesem Samstag die Wahl seines Parteifreundes Quim Torra für das Amt an. Sollte das Parlament in Barcelona für ihn stimmen, stehen die Chancen gut, dass sich die politische Lage in der wirtschaftsstarken Industrie- und Tourismusregion beruhigt. Die Zentralregierung in Madrid hatte Katalonien vor sechseinhalb Monaten unter Zwangsverwaltung gestellt.

Allerdings wird in Barcelona nicht damit gerechnet, dass Torra im ersten Wahlgang gewählt wird, da er kaum die absolute Mehrheit erreichen dürfte. Die vier Abgeordneten der neomarxistischen Gruppierung CUP haben nämlich angekündigt, sich der Stimme zu enthalten. Wie Puigdemont vertritt Torra liberalkonservative Positionen und tritt für die Marktwirtschaft ein, während die ebenfalls separatistische CUP staatliche Wirtschaftslenkung propagiert.

Torra ist bereits der vierte Kandidat für das Amt des katalanischen Regierungschefs. Zunächst war Puigdemont gescheitert, das Verfassungsgericht hatte den Plan blockiert, ihn per Videoschalte wählen zu lassen. Puigdemont hat sich Ende Oktober nach der Proklamation der unabhängigen Republik Katalonien nach Brüssel abgesetzt und hat seitdem mehrere europäische Länder bereist. Im März wurde er auf Ersuchen der spanischen Behörden in Schleswig-Holstein verhaftet, doch das Oberlandesgericht in Schleswig setzte ihn auf freien Fuß. In Berlin wartet er auf die endgültige Entscheidung über den Antrag der spanischen Behörden.

Der zuständige Ermittlungsrichter Pablo Llarena teilte am Freitag mit, dass der Vorwurf der Rebellion, den die Richter in Schleswig nicht akzeptiert hatten, fallen gelassen werde. Puigdemont solle nun nur wegen "Aufruhrs" angeklagt werden. Nach Meinung spanischer Juristen ist indes dieser Schriftsatz ebenfalls kaum zu halten, da auch der Tatbestand Aufruhr durch Gewaltakte definiert sei, zu denen es in Katalonien vonseiten der Separatisten nicht gekommen sei. Zwei weitere Kandidaten, Jordi Sànchez und Jordi Turull, konnten ebenfalls nicht gewählt werden, weil sie sich als "Rebellen" in Untersuchungshaft befinden.

Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CES belegt ein weiteres Mal, dass der Kurs Madrids, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung durch Haft und ruinöse Geldstrafen für Aktivisten zu zerschlagen, kontraproduktiv ist: Der Anteil der Anhänger der Sezession von Madrid in der gesamten Bevölkerung Kataloniens ist laut CES seit Anfang des Jahres von 40 auf 48 Prozent gestiegen. Auch würden die drei separatistischen Fraktionen im Regionalparlament gemeinsam wieder die absolute Mehrheit erreichen.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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