Spanien:Ungehorsame Befragung

Former Catalan President Artus Mas Attends Court

Der ehemalige Präsident der katalonischen Region, Artur Mas, steht seit Montag in Barcelona vor Gericht. Tausende Demonstranten begleiteten ihn zu dem unangenehmen Termin.

(Foto: Bloomberg)

Der ehemalige Präsident Kataloniens muss sich vor Gericht verantworten, weil er die Einheit Spaniens infrage gestellt haben soll.

Von Thomas Urban, Madrid

Der frühere katalanische Regionalpräsident Artur Mas hat sich am Montag in Barcelona vor Gericht wegen "Ungehorsams" gegenüber dem Verfassungsgericht verantworten müssen. In Madrid drohten Vertreter der konservativen Regierung unterdessen erneut, das Autonomiestatut der wirtschaftsstarken Industrie- und Touristikregion im Nordosten des Landes aufzuheben. Streitpunkt sind Maßnahmen der Generalitat, der Regionalregierung in Barcelona, zur Vorbereitung eines Unabhängigkeitsreferendums. Mas wird vorgeworfen, eine rechtlich nicht bindende "Befragung" zur staatlichen Unabhängigkeit der Region am 9. November 2014 vorangetrieben zu haben, obwohl das Verfassungsgericht in Madrid dies verboten hatte. Die spanische Verfassung sieht die Abspaltung einer Region nicht vor.

Unterstützt von mehreren Tausend Demonstranten, zogen Mas und seine beiden Mitangeklagten, seine damalige Stellvertreterin Joana Ortega und die frühere Bildungsministerin Irene Rigau, durch die Innenstadt zum Gericht. Carles Puigdemont, sein Nachfolger an der Spitze der Generalitat, begleitete ihn. Bei der Befragung durch das Gericht nahm Mas die "politische Verantwortung" für 9M, wie die Presse die kontroverse "Consulta" nennt, auf sich. Doch erklärte er, die Verfassungsrichter hätten nicht auf die Konsequenzen einer Nichtbeachtung ihres Urteils hingewiesen und überdies keine Lösung aufgezeigt.

Die oberste Staatsverfolgungsbehörde in Madrid hat 400 Verfahren gegen katalanische Amtsträger wegen der Befragung eingeleitet; dazu gehört auch die Parlamentspräsidentin Carme Forcadell. Ihnen wird auch Veruntreuung öffentlichen Geldes vorgeworfen, ihnen droht ein mehrjähriges Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden. Die Betroffenen argumentieren allerdings, dass Freiwillige die als "Meinungsumfrage" deklarierte Abstimmung organisiert hätten, öffentliche Gebäude, in denen die Wahlurnen standen, hätten Gemeinden und Städte zur Verfügung gestellt. An dem Urnengang hatten sich gut 2,3 der 6,3 Millionen Stimmberechtigten beteiligt, mehr als 80 Prozent stimmten für das "Beschreiten des Weges zur Unabhängigkeit".

Die Spannungen zwischen der Zentralregierung und Barcelona haben in jüngster Zeit wieder stark zugenommen, nachdem bekannt geworden war, dass die Vorbereitungen für ein Netz von Finanzämtern, die die Steuern an die Generalität abführen sollen, im Frühjahr abgeschlossen sein sollen. Vertreter der Zentralregierung drohten damit, dass Madrid sich die katalanische Regionalpolizei unterstellen könnte. Auch forderten konservative Abgeordnete die Absetzung der Generalitat.

Die Verfechter der Loslösung Kataloniens von Spanien haben seit dem Schottland-Referendum 2014 ihre Argumentation geändert. Verlangten sie bis dahin das Recht auf Selbstbestimmung als Nation, so betonen sie nun das "demokratische Grundrecht auf Abstimmung" und haben damit Madrid in die Defensive gebracht. Umfragen zufolge unterstützen drei Viertel der Wahlberechtigten der Region die Forderung nach einem Referendum, darunter auch viele Gegner einer Sezession, etwa die linksalternative Gruppierung Podemos, die die Einheit Spaniens propagiert, aber auch das "Recht auf Abstimmung". Katalonien mit seiner starken und politisch engagierten Bürgerschaft war nie ein eigener Staat, verfügte aber traditionell über weitgehende Autonomierechte. Das Katalanische gilt als eigene romanische Sprache, es unterscheidet sich erheblich vom kastilischen Spanisch. In der Region sind Verwaltung und Ausbildungssystem durchgängig zweisprachig.

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