Spanien:Rückschlag für Premier Rajoy

Spanien: Führt in Spanien ein Minderheitskabinett an: Mariano Rajoy.

Führt in Spanien ein Minderheitskabinett an: Mariano Rajoy.

(Foto: Pau Barrena/AFP)

Noch ein Skandal in Spanien: Jetzt muss der Chef der Antikorruptionsbehörde wegen einer Justizaffäre abtreten.

Von Thomas Urban, Madrid

Der seit Wochen in Madrid schwelende Justizskandal hat am Donnerstag zum Rücktritt des Chefs der Antikorruptionsbehörde, des Staatsanwalts Manuel Moix, geführt. Ihm wird vorgeworfen, die Ermittlungen gegen den mittlerweile inhaftierten früheren Regionalpräsidenten von Madrid, Ignacio González, behindert zu haben. Anlass für den Rücktritt waren Medienberichte, nach denen Moix 25 Prozent der Anteile an einer in Panama registrierten Firma sowie eine Villa bei Madrid besitzt, beides aber den Steuerbehörden verschwiegen hat. Der Skandal bedeutet einen weiteren schweren Rückschlag für den konservativen Premierminister Mariano Rajoy, der ein Minderheitskabinett führt: Sowohl Moix, als auch González sind Mitglieder der von ihm geführten konservativen Volkspartei (PP).

Seit Monaten macht bereits ein Prozess wegen des korrupten Netzwerks "Gürtel" Schlagzeilen, in dem PP-Regional- und Lokalpolitiker die Kosten für von der EU mitfinanzierte Infrastrukturprojekte zu grotesk überhöhten Preisen abgerechnet haben. Ein sprachkundiger Ermittler wählte das deutsche Wort "Gürtel" als Code dafür; es ist die Übersetzung des Familiennamens des Hauptangeklagten, des Unternehmers Francisco Correa. Die Medien beschäftigt überdies das Verfahren um schwarze Kassen, die der langjährige PP-Schatzmeister Luis Bárcenas geführt hat, wobei er offenbar auch Millionen in die eigene Tasche abzweigte.

Parteifreunde mussten ihr Amt aufgeben oder sogar ins Gefängnis

Erst im April hatte der Regionalpräsident von Murcia, Pedro Antonio Sánchez (PP), wegen Unregelmäßigkeiten bei Bauprojekten zurücktreten müssen. Im Februar war der frühere PP-Vize Rodrigo Rato, der als Chef des Internationalen Währungsfonds alle Anzeichen für die globale Finanzkrise missachtet und zuvor als Superminister für Wirtschaft und Finanzen die Weichen für die spanische Immobilienblase gestellt hatte, zu viereinhalb Jahren Gefängnis wegen Veruntreuung verurteilt worden. Rato hatte einen Teil seines Vermögens auch bei in Panama registrierten Firmen angelegt, wie bei den Recherchen zu den Panama Papers bekannt wurde.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Rato ging erstmals vor drei Jahren auch der Name Manuel Moix durch die Medien: Er soll damals als oberster Staatsanwalt der Region Madrid versucht haben, einen in seinen Augen zu eifrigen Ermittlungsrichter von dem Fall abzuziehen. Da aber die Presse davon erfuhr, scheiterte dieses Vorhaben. Der Fall bedeutete aber keinen Karriereknick für Moix, im Gegenteil: Er trat, unterstützt von der PP, an die Spitze der Antikorruptionsbehörde.

Dabei beging Moix einen Kardinalfehler: Er beriet am Telefon mit einem PP-Politiker, wie er einen weiteren Untersuchungsrichter, der gegen den gemeinsamen Parteifreund Ignacio González ermittelte, "an den Arsch der Welt" versetzen könne. Moix hatte keine Ahnung, dass sein Gesprächspartner wegen des Verdachts, in eine andere Affäre verwickelt zu sein, abgehört wurde. Auch Justizminister Rafael Catalá steht unter Feuer, er hatte Moix auf den Posten gehievt und gedeckt. Doch vor zwei Wochen sprach ihm das Parlament das Misstrauen aus, ein beispielloser Fall für einen obersten Gesetzeshüter Spaniens.

Rajoy macht das, was er immer tut: Er schweigt und versucht, die Dinge auszusitzen. Im Parlament ist sein Minderheitskabinett in große Bedrängnis geraten: Die liberalen Ciudadanos (Bürger), die sein Programm zur Sanierung der Staatsfinanzen unterstützen, fordern mit den linken Oppositionsparteien einen Untersuchungsausschuss. Für die Ciudadanos hat der Kampf gegen Korruption Priorität; wenn Rajoy ihre Unterstützung verliert, dürfte er sich kaum im Amt halten können. Erst in diesen Tagen musste er eine weitere Niederlage hinnehmen: Ein Gericht entschied, dass er im Juli persönlich als Zeuge vor Gericht erscheinen muss, um im "Gürtel"-Prozess gegen einige seiner Parteifreunde auszusagen. Kommentatoren der großen Tageszeitungen, die auf ihren Titelseiten über die Verfahren gegen PP-Politiker berichten, loben die Staatsanwälte, die dem politischen Druck standhalten.

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