Spanien:Rajoy steht kurz vor dem Sturz

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Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy dürfte am Freitag seinen Job los sein. (Foto: REUTERS)
  • Die Abwahl des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Rahmen eines Misstrauensvotums steht kurz bevor.
  • Die Sozialisten, die den Antrag einbrachten, haben die nötigen 176 Stimmen hinter sich, um den Regierungschef bei der Abstimmung am Freitag zu Fall zu bringen.
  • Damit drohen nach der schweren Regierungskrise in Italien einem weiteren südeuropäischen Land unsichere politische Zeiten.

Im spanischen Parlament zeichnet sich eine Mehrheit für einen Sturz des konservativen Regierungschefs Mariano Rajoy ab. Die Partei der baskischen Nationalisten PNV werde das Misstrauensvotum der sozialdemokratischen PSOE gegen den konservativen Regierungschef unterstützen, berichteten übereinstimmend die Sender Cadena Ser und La Sexta. 180 Abgeordnete mehrerer Parteien würden voraussichtlich gegen Rajoy stimmen. Die absolute Mehrheit, die PSOE-Chef Pedro Sanchez für die Ablösung von Rajoy in einem konstruktiven Misstrauensvotum braucht, liegt bei 176 Stimmen.

Die Abstimmung über das Misstrauensvotum wird am Freitag erwartet. Zu Beginn der Debatte am Donnerstag forderte Sanchez den Regierungschef zum Rücktritt auf, um das Misstrauensvotum zu vermeiden. Dies wies Rajoy entschieden zurück. Er will seine Minderheitsregierung bis zum Ende der Legislatur 2020 anführen. Rajoy und seine PP stehen seit Jahren wegen eines Korruptionsskandals in der Kritik. In der Affäre wurde der frühere PP-Schatzmeister Luis Barcenas jüngst zu 33 Jahren Haft verurteilt. Die PSOE reagierte darauf mit der Ankündigung des Misstrauensvotums.

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Roger Torrent muss jetzt entscheiden, ob der nach Brüssel geflohene Puigdemont wieder an die Macht kommen soll. Spaniens Ministerpräsident Rajoy zufolge verbiete der "gesunde Menschenverstand" eine Regierung aus dem Exil.

Die linkspopulistische Partei Podemos hat bereits ihre Unterstützung angekündigt. Kleinere Parteien, wie separatistische Gruppierungen aus Katalonien, haben bislang offengelassen, ob sie Bedingungen an die Unterstützung des Misstrauensvotums knüpfen. Die oppositionelle Partei Ciudadanos hat die PSOE davor gewarnt, mit Hilfe von "Populisten und Separatisten" an die Macht kommen zu wollen. Sie fordern zwar auch den Abtritt Rajoys, allerdings pochen sie im Gegensatz zu den Sozialisten auf rasche Neuwahlen. Die PSOE lehnt dies angesichts schlechter Umfragewerte ab.

Erst Normalisierung, dann Neuwahlen

Sanchez will erst eine Normalisierung, bevor er Neuwahlen ausruft. Sollte er Rajoy ohne Hilfe der Ciudadanos stürzen können, stützt er sich aller Voraussicht nach auf ein Parteienbündnis, das teilweise ganz andere politische Ziele als seine PSOE hat. So haben die spanischen Sozialdemokraten bislang eine Abspaltung Kataloniens abgelehnt. Dies ist jedoch das Ziel der Separatisten im Nordosten Spaniens. Podemos gehört ähnlich wie in Italien die 5 Sterne und die Lega zu den scharfen Kritikern einer europäischen Sparpolitik.

Rajoy könnte angesichts der sich abzeichnenden Niederlage einem Misstrauensvotum zuvorkommen und seinen Rücktritt erklären. König Felipe VI. müsste dann ausloten, ob das Parlament einen Nachfolger wählen könnte oder Neuwahlen ausgerufen werden müssten.

Damit drohen nach der schweren Regierungskrise in Italien einem weiteren südeuropäischen Land unsichere politische Zeiten. Und die gab es in den vergangenen Jahren in Spanien bereits reichlich: Rajoy führt seit Herbst 2016 eine Minderheitsregierung, nachdem eine Parlamentswahl 2015 und eine Neuwahl 2016 keine klaren Mehrheitsverhältnisse gebracht und Spanien in eine politische Pattsituation gezwungen hatten. Allerdings gilt Spanien als wirtschaftlich stabiler als Italien.

© SZ.de/dpa/Reuters/jael - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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