Spanien:Massiver Druck auf Kataloniens Regierungschef

Präsident Carles Puigdemont soll den Weg in die Unabhängigkeit von langer Hand vorbereitet haben.

Von Thomas Urban, Barcelona

Die spanische Regierung hat am Dienstag weitere Vorbereitungen getroffen, um die Region Katalonien unter ihre Kontrolle zu bringen. Das Finanzministerium in Madrid bestätigte, dass sämtliche Kreditkarten und Konten der Mitglieder der Regionalregierung in Barcelona gesperrt seien. Diese hat eine Abspaltung Kataloniens vom Königreich Spanien zu ihrem Ziel erklärt. Der Sprecher der Zentralregierung, Íñigo Méndez de Vigo, warnte Regionalpräsident Carles Puigdemont vor einer Unabhängigkeitserklärung: "Unternehmen Sie keinen Schritt, von dem es kein Zurück mehr gibt!" Für den frühen Abend war eine Rede Puigdemonts vor dem Regionalparlament angesetzt. Erwartet wurde, dass er die Unabhängigkeit der Region ausrufen könnte.

Doch die für 18 Uhr geplante Sitzung wurde zunächst verschoben. Die Sozialisten und die liberale Bürgerpartei (Ciudadanos), die für die Einheit Spaniens eintreten, hatten die Absetzung der Sitzung gefordert. Im Viertel um das Parlamentsgebäude versammelten sich Tausende Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung, um auf großen Bildschirmen die Übertragung aus dem Parlamentsplenum zu verfolgen. Die neomarxistische CUP-Fraktion hatte angekündigt, dass sie Puigdemont in Zukunft die Unterstützung verweigern werde, falls er die Unabhängigkeitserklärung weiter hinauszögere. Die in Barcelona regierende Koalition verfügt über keine Mehrheit im Parlament. Die Madrider Tageszeitung El País berichtete am Dienstag unter Berufung auf Polizeikreise, dass das Kabinett Puigdemont die Konfrontation mit Madrid von langer Hand vorbereitet habe. Dies gehe aus Dokumenten hervor, die in Regierungsbüros in Barcelona beschlagnahmt worden seien. Demnach hat das Kabinett eine zeitweise wirtschaftliche Destabilisierung der Region sowie Unruhen in der Bevölkerung einkalkuliert, die einer Abspaltung den Weg ebnen sollten. Ein Sprecher Puigdemonts wies die Darstellung als unzutreffend zurück.

Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die spanische Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren gegen das Oberkommando der katalanischen Regionalpolizei, den Mossos (Jungs), ein. Ihm wird zur Last gelegt, am Tag des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums Anweisungen der Zentralregierung nicht ausgeführt zu haben. Anstatt Wahllokale zu blockieren und Urnen zu beschlagnahmen, hatten sich die Mossos passiv verhalten. Die katalanische Presse wertet das Verfahren und die begleitende Kampagne der Madrider Medien als ersten Schritt zur Unterstellung der 16 000 katalanischen Ordnungshüter unter das spanische Innenministerium.

Vor einer Abspaltung warnte auch die Oberbürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, bisher eine Unterstützerin Puigdemonts. Es müssten alle Möglichkeiten für einen Dialog und Kompromisse ausgelotet werden. Dies aber schloss die Regierung in Madrid am Dienstag wiederholt aus: Mit Gesetzesbrechern wie der Führung in Barcelona könne es keinen Kompromiss geben.

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