Spanien:Madrid setzt Regierung in Barcelona ab

Das katalanische Parlament beschließt die Unabhängigkeit, Puigdemont steht vor Anklage wegen "Rebellion".

Von Sebastian Schoepp

Die Auseinandersetzung zwischen Madrid und Barcelona hat am Freitag einen neuen dramatischen Höhepunkt erreicht: Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy setzte die katalanische Regierung ab, löste das Regionalparlament auf und stellte Katalonien unter Zwangsverwaltung. Kurz davor hatte eine Mehrheit separatistischer Abgeordneter im katalanischen Parlament für eine Loslösung von Spanien gestimmt. Sie verabschiedeten eine Resolution über die Konstituierung "einer katalanischen Republik als unabhängiger und souveräner Staat", ohne jedoch eine konkrete Frist festzulegen.

Die meisten Abgeordneten der Opposition hatten vor der Abstimmung den Saal verlassen. Sie warfen der Mehrheit vor, gegen die spanische Verfassung zu handeln, die eine Loslösung eines Landesteils nicht vorsieht. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy rief die Spanier anschließend zur Ruhe auf. Der Rechtsstaat werde die Achtung von Recht und Gesetz in Katalonien wiederherstellen. Zu diesem Zweck stimmte der Senat den Zwangsmaßnahmen gegen die Regionalregierung von Carles Puigdemont zu. In einer Rede vor dem Senat sagte der Ministerpräsident, Spanien stehe vor einer in der jüngeren Geschichte beispiellosen Herausforderung. Was in Katalonien geschehe, sei ein klarer Verstoß gegen die Gesetze und die Demokratie, "und das hat Konsequenzen".

Die spanische Generalstaatsanwaltschaft kündigte unterdessen an, Anklage gegen Puigdemont wegen "Rebellion" zu erheben. Darauf stehen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft. Rajoy berief nach dem Senatsvotum eine Kabinettssitzung ein. Er kündigte für den 21. Dezember Neuwahlen in Katalonien an. Die Regionalpolizei, die Verwaltung sowie die öffentlich-rechtlichen Medien würden Madrid unterstellt. Rajoy will zudem das Verfassungsgericht anrufen, um die erklärte Unabhängigkeit anzufechten.

Die Regionalregierung habe am 1. Oktober dieses Jahres eine illegale Volksabstimmung abgehalten, sagte Rajoy vor dem Senat: "Was würden wohl Frankreich oder Deutschland machen, wenn eine Region ein illegales Referendum über die Unabhängigkeit abhalten würde?" Vor und nach seiner Rede erhielt Rajoy tosenden Applaus, vor allem von den Abgeordneten seiner konservativen Volkspartei, die die Mehrheit im Senat hat, der zweiten Parlamentskammer. Für die Aufhebung der Autonomie stimmten aber auch Sozialisten und Liberale.

Separatistische Verbände erklärten indes, sie würden auch nach dessen Absetzung zu Kataloniens Regierungschef Puigdemont stehen und die Autorität Madrids nicht anerkennen. Gewerkschaften riefen für nächste Woche zu Streiks auf, sollte sich die Aussetzung der Autonomie auf Arbeitnehmerrechte auswirken. Die größte Separatisten-Gruppe ANC rief die Mitarbeiter der Verwaltung dazu auf, Anordnungen aus Madrid nicht zu befolgen.

Die Unabhängigkeits-Resolution des Parlaments in Barcelona durfte als harsche Antwort auf Drohungen aus Madrid gelten: Die Regierung Rajoy hatte zuvor bereits die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung angekündigt, also die Aussetzung der Autonomie. Für die Annahme der Unabhängigkeits-Resolution stimmten vor allem die separatistischen Abgeordneten. Sie können deshalb vor Gericht gestellt werden. Die Abgeordneten sangen nach der Abstimmung die katalanische Nationalhymne. Vor dem Parlament versammelten sich nach Medienschätzungen mehr als 15 000 Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung, um das Ergebnis der Abstimmung zu feiern. Puigdemont rief seine Anhänger zu Gewaltfreiheit auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: