Wahlen in Spanien:Der junge Liberale, der Spaniens Wahl entscheiden könnte

Albert  Rivera im Wahlkampf

Albert Rivera im Wahlkampf

(Foto: dpa)
  • Die liberale spanische Partei Ciudadanos liegt in Umfragen bei mehr als 20 Prozent.
  • Parteichef Albert Rivera wird möglicherweise entscheiden, ob nach der Wahl die konservative PP oder die Sozialisten der PSOE regieren werden.
  • Rivera gilt als Liberaler, den auch Konservative wählen können.

Von Thomas Urban, Madrid

Die Umfragen meinen es gut mit Albert Rivera: Die von ihm geführte liberale Partei Ciudadanos (Bürger) liegt zwei Wochen vor den spanischen Parlamentswahlen erstmals über 20 Prozent, Tendenz steigend.

Damit ist es ziemlich wahrscheinlich geworden, dass der 36-jährige Jurist nach den Wahlen am Sonntag vor Weihnachten zum Königsmacher wird: Wird die regierende konservative Volkspartei (PP) auch den nächsten Ministerpräsidenten stellen oder wird er aus den Reihen der Sozialisten (PSOE) kommen?

Die beiden großen Parteien, die in den Umfragen nur wenige Punkte vor den Ciudadanos liegen, haben die vergangenen vier Jahrzehnte im Wechsel das Land regiert. Doch die große Wirtschaftskrise und nicht zuletzt gigantische Korruptionsaffären, sowohl bei PP, als auch bei PSOE, haben zur Erosion des Zwei-Parteien-Systems geführt.

Auch für Konservative wählbar

Die C's, wie sich die Ciudadanos abkürzen, konkurrieren nun mit der links-alternativen Gruppierung Podemos ("Wir schaffen es") vor allem um die junge Generation. Ihr Aufstieg ist beispiellos: Noch vor einem Jahr lagen sie in den Umfragen landesweit bei drei Prozent, während Podemos in der Wählergunst mit 27 Prozent ganz oben stand. Mittlerweile haben die Linksalternativen um den 37-jährigen Pablo Iglesias, den Politologen mit dem Pferdeschwanz, allerdings wieder rund zehn Punkte an Zustimmung verloren.

Obwohl sie also um dieselben Wählergruppen streiten, gehen die beiden Aufsteiger in der spanischen Politik freundschaftlich miteinander um. Ein kleiner Fernsehsender hat die beiden im Oktober zum ersten Duell in einer Bar zusammengebracht, da ist das Eis zwischen beiden gebrochen. Rivera wirkte dabei lockerer, er war schlagfertig und selbstironisch. Doch politisch liegen Welten zwischen ihnen. Rivera wäre in Deutschland etwa in der FDP zu verorten, Iglesias sieht in der deutschen Linken und bei der griechischen Syriza seine Verbündeten.

Gegen "griechische Verhältnisse"

Doch "griechische Verhältnisse" möchte Rivera auf gar keinen Fall. Er fordert einen weiteren Abbau der Bürokratie, auch solle sich der Staat aus der Wirtschaft zurückziehen, dort aber seine Kontrollfunktionen ausbauen. Schon bei der Jugend sollten Leistungswillige belohnt werden; dazu schlägt Rivera den Umbau des Bildungssystems vor, das in der Tat eines der Hauptprobleme Spaniens darstellt: Die meisten Hochschulen sind im internationalen Vergleich wenig vorzeigbar und entlassen zu viele Absolventen, die keine ihrer Ausbildung entsprechende Arbeit finden.

Auch möchte Rivera das steuerfinanzierte Gesundheitssystem umbauen. Spanien hat den höchsten Medikamentenverbrauch in der EU, gleichzeitig schneidet das Land bei allen Untersuchungen zur Volksgesundheit schlecht ab. So möchte Rivera auch den Breitensport fördern; er selbst hat in seiner Jugend Leistungssport betrieben, mit 16 wurde er katalanischer Meister im Brustschwimmen.

Schon seit neun Jahren steht er an der Spitze der C's, seit ihrer Gründung durch mehrere Professoren in Barcelona. Sie wollten nicht nur das verkrustete Zwei-Parteien-System aufbrechen, sondern auch eine Gegenkraft zum katalanischen Nationalismus aufbauen.

Rivera, der zunächst kurz PP-Mitglied war, hatte sich in akademischen Kreisen als glänzender Rhetoriker einen Namen gemacht, er hatte zu den Gewinnern eines landesweiten Debattenwettbewerbs gehört.

Mal nackt, mal mit Schlips und Kragen

So wurde er 2006, gerade 27 Jahre alt, zum Vorsitzenden der neuen Partei gewählt. Und erregte gleich mit seiner ersten Aktion Aufsehen: Er ließ sich für ein Plakat bei den Regionalwahlen in Katalonien nackt fotografieren, daneben stand der Spruch: "Uns interessiert nicht, wo du geboren bist. Welche Sprache du sprichst. Welche Kleidung du trägst. Nur du interessierst uns!"

Er wurde damals gewählt, doch seine Partei blieb landesweit lange Jahre bedeutungslos. Heute tritt er im Wahlkampf entweder im Jeanshemd oder mit Schlips und Kragen auf, der ideale Schwiegersohn.

Obwohl er für die Homo-Ehe, gegen ein Abtreibungsverbot und gegen Religionsunterricht in der Schule eintritt, ist Rivera auch für viele konservative Spanier wählbar, weil er für die Einheit des Königreichs streitet - und das in seiner von katalanischen Sezessionisten dominierten Heimatstadt Barcelona. Sein Vater stammt von dort, seine Mutter aus Andalusien, die Eltern betreiben ein Geschäft für Elektrogeräte. Er selbst redet mit seiner Frau, einer Psychologin, und seiner Tochter Katalanisch. Auch hat er für seinen Vornamen die katalanische Form beibehalten - auf Spanisch wäre es Alberto.

Doch das Projekt einer souveränen Republik Katalonien hält er für unsinnig. Vielmehr sollten alle Spanier gemeinsam für eine weitere Stärkung der EU eintreten. Immer wieder betont er: "Die Ciudadanos sind die proeuropäischste Partei in Spanien."

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