Spanien:Basken verlangen politischen Kompromiss

Spain's Prime Minister Mariano Rajoy delivers a speech during a meeting in Palma de Mallorca

Zwangslage: Spaniens Premier Mariano Rajoys Regierung hängt von der Baskischen Nationalistischen Partei ab. Die fordert Zugeständnisse.

(Foto: Enrique Calvo/Reuters)

Im spanischen Separatisten-Zwist fordern die Nationalisten in Bilbao Zugeständnisse von Premier Rajoy, halten aber auch Abstand zu den Katalanen.

Von Thomas Urban, Bilbao

Für die in Madrid regierende konservative Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy muss es ein Albtraum sein: Der Fortbestand ihres Minderheitskabinetts hängt ausgerechnet von den fünf Abgeordneten der Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) ab - und die machen ihre Zustimmung zum Haushaltsentwurf 2018 von einem Schwenk Madrids im Katalonien-Konflikt abhängig.

Bis zum Wochenende hat der Vorstand der PNV, die trotz ihres Namens gemäßigte Positionen vertritt, Rajoy Zeit für eine Antwort auf ihre Forderungen gegeben. Im Kern verlangen die Basken, dass Madrid den Konflikt mit den Katalanen durch einen politischen Kompromiss löst und sich nicht länger nur auf die Strafjustiz verlässt.

Einen weiteren Streitpunkt zwischen der PP und der PNV, die weltanschaulich gar nicht weit auseinanderliegen, bildet der künftige Umgang mit Sympathisanten der Terrororganisation Eta, die für das erste Maiwochenende ihre Selbstauflösung angekündigt hat. Die PNV spricht sich für eine Aufhebung der Antiterrorgesetze aus, nach denen bereits die Forderung nach Wiedereingliederungspläne für Eta-Aussteiger eine Straftat ist.

Der Vorstand der baskischen Regierungspartei kritisiert das Vorgehen Madrids gegen die Separatisten in Barcelona als kontraproduktiv. Der baskische Ministerpräsident Iñigo Urkullu erklärte gar, der Konfrontationskurs Rajoys belege, dass es diesem an "politischer Intelligenz" fehle. Die konservativen Basken haben keineswegs den Unabhängigkeitskurs des im Oktober abgesetzten katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont unterstützt, sondern diesem vorgehalten, dafür keine ausreichende gesellschaftliche Basis zu haben.

Bei dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien am 1. Oktober sowie den Regionalwahlen im Dezember 2017 hatten die Separatisten nur knapp 40 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich gebracht. Die PNV hatte 2008 selbst ein Unabhängigkeitsreferendum beschlossen, doch hatte das spanische Verfassungsgericht dies untersagt. Bei den folgenden Regionalwahlen wurde die PNV in die Opposition geschickt, das Unabhängigkeitsprojekt wurde begraben.

An dieser Linie hält die PNV, die sich als proeuropäisch und christdemokratisch definiert, bis heute fest. Im Gegensatz zu Katalonien bestimmt das Baskenland indes selbst über das Gros des Steueraufkommens der Region.

Nach dem Ende der Franco-Diktatur konnte die Regionalregierung die Rückkehr zu historischen Steuerprivilegien durchsetzen. Aus Sicht von Wirtschaftsexperten hatte diese Finanzautonomie entscheidenden Anteil an dem Aufschwung der Region, die den Strukturwandel nach dem Zusammenbruch der einheimischen Montanindustrie gut bewältigt hat und heute das höchste Wachstum in Spanien aufweist.

Bislang vergeblich forderten die Katalanen dieselben Steuerprivilegien wie die Basken. Dass Rajoy als Premier eine Neuverhandlung über den umstrittenen, nämlich intransparenten Finanzausgleich zwischen den Regionen verweigert, hat den Separatisten in Barcelona starken Auftrieb gegeben.

In der PNV-Zentrale in Bilbao verhehlen führende Vertreter der Partei in Hintergrundgesprächen nicht, dass sie Puigdemont und seine Mitstreiter vor der Proklamation der Republik Katalonien gewarnt hätten. Den Berichten zufolge haben die katalanischen Separatisten die Entschlossenheit Madrids, diesen Verfassungsbruch zu ahnden, völlig unterschätzt. Allerdings wird Rajoy aufgefordert, endlich bei den Katalanen mit Argumenten für die Einheit Spaniens zu werben.

Die PNV-Strategen in Bilbao verhehlen nicht, dass sie im Grunde überhaupt nicht an einem Sturz des Kabinetts Rajoy interessiert seien. Diesem sei es gelungen, Spanien zumindest wirtschaftspolitisch zu stabilisieren. Auch habe er die PP von rechts ein beträchtliches Stück zur Mitte gerückt. Sollte Rajoy über den Staatshaushalt 2018 stolpern, so sei im Falle von Neuwahlen damit zu rechnen, dass er durch einen Vertreter des nationalistischen Flügels der PP ersetzt würde.

In der Tat geht den Umfragen zufolge wegen der Katalonien-Krise eine nationalistische Welle durch Spanien. Auch wird in Bilbao nicht bestritten, dass die jetzige Lage durchaus nicht unangenehm für die Basken sei: Sie können von dem Minderheitskabinett Rajoy Zugeständnisse fordern, die ihnen eine starke Koalition in Madrid nie gewähren würde.

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